Orange Is the New Black - Mitgehangen, mitgefangen

03.10.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Mitgehangen, Mitgefangen
Netflix
Mitgehangen, Mitgefangen
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Phantom-Hennen, Schwarzmarkthandel und Essensschlachten.  Mit Orange Is the New Black betritt eine Gruppe von hartgesottenen Frauen die Bildfläche, die anstelle von Manolo Blahnik-Pumps Binden-Puschen tragen und auch mal die Fäuste sprechen lassen.

Seit September ist der VoD-Anbieter Netflix in Deutschland abrufbar. Aushängeschild des Online-Dienstes ist die von David Fincher produzierte Politserie House of Cards, die überaus große Erfolge zu verbuchen hat. Doch mein Herz eroberte innerhalb kürzester Zeit eine andere Eigenkreation aus dem Hause Netflix - Orange Is the New Black. Bisher konnten mich lediglich minderjährige Despoten und Dracheneier zu derartigen Binge-Watch-Exzessen hinreißen. Meine Nächte sind nun nicht mehr schwarz, sondern in ein kräftiges Orange gehüllt.

Worum geht es eigentlich in dieser Serie, deren Titel wie eine beliebige Trend-Floskel eines Hochglanzmagazins zu Beginn der Herbstsaison klingt? In Piper Chapmans (Taylor Schilling) wohlgefälligem New Yorker Mittelstandsleben könnte das tatsächlich zur Debatte stehen. Doch dann holt ein längst verdrängtes Kapitel ihres Leben sie unerwartet ein: In einer kurzen, stürmischen Selbstfindungsphase ließ sich Piper auf einen Geldschmuggel für einen dubiosen Drogenring ein. 10 Jahre später hat sie eine 15-monatige Haftstrafe abzubüßen und tauscht Seidenbluse und Eigenheim gegen einen orangefarbenen Overall und schwedische Gardinen.

Know the Rules

Als Collegeabsolventin bereitet sich Piper auf ihre Zeit hinter Gittern vor, indem sie Bücher zu Rate zieht. Doch schnell muss sie schmerzlich erfahren, dass Probieren über Studieren geht. Piper unterscheidet sich von den meisten ihrer Mitinsassinnen: gebildet, verlobt, stabile Familienverhältnisse. So muss sie erst einmal lernen, wie das Hühnchen in dem Mikrokosmos Knast läuft. Der größte Fehler passiert ihr gleich am ersten Tag: Lege dich niemals mit dem Koch an (eine Grundregel für ein bequemes Leben, die mein Vater - er fährt zur See und sitzt nicht im Knast - mir schon früh ans Herz legte). Beleidigungen des Essens führen zur Zwangsdiät und widerlichen Frühstückseinlagen. Petzen werden von allen gehasst und auch die kleinste Stichelei bleibt nicht ungesühnt. Mit ein wenig Menschenverstand und Einfühlungsvermögen lässt sich aber so einiges regeln. Eine Hand wäscht eben die andere.

We are Family

Gesellschaftliche Hierarchien bestimmen auch das soziale Gefüge im Gefängnis. Rassismus ist ein großes Thema, die einzelnen ethnischen Gruppen bleiben gern unter sich. Vorurteile und Stereotypen sind oft Anlass für Scherze in dieser schwarzhumorigen Serie. Trotzdem entstehen starke Freundschaften und familiäre Zusammenschlüsse (wenn sich Mutter und Tochter nicht sowieso zufällig auf dem Flur begegnen). Zwei Frauen, die russischstämmige Red und Miss Claudette können sich nicht nur aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters Respekt unter den Häftlingen verschaffen. Sie walten mit Strenge, aber auch mit mütterlicher Fürsorge und bestimmen so maßgeblich das alltägliche Miteinander der Damen.

Another World

Der Draht zu Pipers altem, zivilen Leben ist ihr Verlobter Larry (gespielt von Jason Biggs, der seit American Pie - Wie ein heißer Apfelkuchen ohne denkwürdige Masturbationsszenen nicht auszukommen scheint - aber seht selbst). Der Journalist leidet unter der Abwesenheit seiner Liebsten, möchte aber dennoch nicht sein eigenes Leben einschränken oder sich in Verzicht üben. So entfernen die beiden sich immer mehr voneinander. Zwar spendet er am Telefon Trost und hält seine Pipes mit dem neuesten Klatsch und Tratsch auf dem Laufenden, doch es wird von Mal zu Mal deutlicher, dass der Einfluss dieser Belanglosigkeiten auf die Realität des Gefängnisalltags kaum noch Auswirkungen hat. Auch die gemeinsamen Geschäfte mit ihrer besten Freundin entziehen sich dem Handlungsraum Pipers immer mehr. Ob sie will oder nicht: Das Gefängnis ist ihr neues Zuhause.

Eine große Stärke der Serie ist, dass sie ihre Protagonistinnen ernst nimmt. Die kleine Welt des Frauengefängnisses erschließt sich zunächst durch die Augen des Frischlings Piper. Ihre Vorgeschichte erschließt sich durch Rückblenden. So werden im Verlauf der Serie die Charaktere und ihre Wege in die Kriminalität behutsam vorgestellt. Trotz der einheitlichen Uniformen erhalten die Frauen dadurch eine individuelle Persönlichkeit. Auch ernste Themen wie sexuelle Übergriffe durch chauvinistsche Gefängniswärter und liebeshungrige Insassinnen werden nicht ausgeklammert. Das Leben im Gefängnis ist durch Entbehrungen gekennzeichnet. Es sind die kleinen Dinge, die am meisten Fehlen. Donuts, Gesichtscremes und Handys werden zu kostbaren Luxusgütern, die nicht zuletzt im Gegenzug für sexuelle Gefälligkeiten eingeschleust werden. Dennoch verzichtet Orange Is the New Black nicht auf eine große Portion Humor. Neben der Situationskomik etabliert die Serie einige Running Gags wie ein mysteriöses Hühnchen und absurde Lautsprecherdurchsagen. Binge-Watch out!

Schaut ihr schon Orange Is the New Black? Mit welcher der Damen würdet ihr euch eine Zelle teilen?

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