On the Rocks holt Bill Murray aus der furchtbaren Zombieland-Sackgasse

07.10.2020 - 12:40 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
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Mit On the Rocks läuft seit Freitag der neue Film von Sofia Coppola in den Kinos. Der ist ganz fantastisch und bringt Bill Murray endlich aus der Sackgasse zurück, in der er schon viel zu lange feststeckt.

Bill Murray verwandelte sich in den vergangenen Jahren immer mehr zum Schatten seiner selbst. Je größer der Kult um ihn wurde, desto mehr verschwand der Schauspieler, der einst vor der Kamera mit eigenwilligen Figuren zu entzücken wusste. Als ein entscheidender Wendepunkt lässt sich die Horrorkomödie Zombieland identifizieren. Danach war Bill Murray kaum noch mehr als eine Marke und ein Meme.

Der Bill Murray, den wir in der vergangenen Dekade erlebt haben, hat sich in einen lustlosen Selbstläufer verwandelt. Bill Murray ist einfach cool, weil er Bill Murray ist, lautet das allgemein anerkannte Credo, das sich jeder interessanten Rolle in den Weg stellt. Wo ist er hin, der Bill Murray, der Anfang der 2000er Jahre ein Revival als melancholischer Indie-König in Filmen wie Die Tiefseetaucher und Broken Flowers erlebte?

On the Rocks vereint Bill Murray wieder mit Sofia Coppola

Vermutlich ist Sofia Coppola die einzige Regisseurin, die ihn aus dieser Sackgasse zurückholen kann. Immerhin ist ihr ein vergleichbares Kunststück schon einmal geglückt: Mit Lost in Translation ermöglichte sie nicht nur Scarlett Johansson eine beeindruckende Bühne, um ihr Talent unter Beweis zu stellen. Auch Bill Murray konnte sich nach seinen Kultfilmen in den 1980er Jahren in der Einsamkeit von Sofia Coppola neu erfinden.

Jetzt sind die beiden wieder vereint - und zwar in einem Film, der Lost in Translation gar nicht so unähnlich ist. Tatsächlich könnte On the Rocks auch abseits diverser Personalentscheidungen als geistiger Nachfolger zu der stillen Tokyo-Odyssee gesehen werden. Erneut finden wir uns in einer Metropole wieder, dieses Mal New York, und folgen zwei Menschen unterschiedlichen Alters, die sich in ihrer Isolation begegnen.

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Der größte Unterschied besteht allerdings darin, dass wir es nicht mit Fremden zu tun haben, im Gegenteil: Die zwei Hauptfiguren könnten kaum enger miteinander verbunden sein. Sofia Coppola erzählt eine Vater-Tochter-Geschichte, in der Bill Murray in die Rolle des Vaters, Felix, schlüpft und Rashida Jones als dessen Tochter, Laura, zu sehen ist, die befürchtet, dass ihr Ehemann, Dean (Marlon Wayans), fremdgeht.

Bill Murray als Fantasiefigur mit düsteren Abgründen

Plötzlich findet sich Laura also in einer Situation wieder, in der sie ihrem Vater näher ist als ihrem Mann - doch hinter Felix versteckt sich weit mehr, als die liebenswürdige Fassade auf den ersten Blick erahnen lässt. Zuerst lernen wir ihn als aufmerksamen, zuvorkommenden und charmanten Zeitgenossen kennen, der viele Sprachen spricht und über noch mehr Kontakte rund um den Globus verfügt.

Als Kunsthändler hat er sich einen Namen gemacht. New York kennt er wie seine eigene Westentasche, von einem um die Welt verteilten Concierge-Netzwerk ganz zu schweigen. Felix tritt wie eine schwerelose Fantasiefigur in Erscheinung. Mit jeder weiteren Minute lernen wir ein neues verblüffendes Geheimnis über ihn kennen, ehe zunehmend auch weniger schmeichelhafte Facetten zum Vorschein kommen.

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Sofia Coppola entlarvt die Felix-Figur geschickt und gibt Bill Murray dadurch die Möglichkeit, einen seiner klassischen Prototypen - wie er letzten Endes auch in Coppolas Netflix-Special A Very Murray Christmas zu sehen war - um zusätzliche Ebenen zu erweitern. Die Aspekte, die eben noch an Felix entzückten, erhalten rückblickend eine zusätzliche Bedeutung, was sich vor allem beim wiederholten Schauen auszahlt.

Sofia Coppola blickt hinter die Marke Bill Murray

Es ist leicht, sich von Felix verzaubern zu lassen, auch wenn wir insgeheim wissen, dass seine Art, etwa wie er über Frauen denkt und redet, alles andere als vertretbar ist. Extrem chauvinistische Züge prägen die Figur. Dazu gesellt sich ein geradezu unheimlicher Egoismus. Gleich zu Beginn verhandelt Murrays Stimme aus dem Off den Besitz seiner Tochter - ein unerwartet düsterer Moment, der jedoch schnell wieder vergessen ist.

Erst nach und nach kommen die Abgründe und die Scherbenhaufen zum Vorschein, die Felix bei den Menschen um sich hinterlassen hat. Zum großen, fürchterlichen Bösewicht des Films stilisiert ihn Sofia Coppola trotzdem nicht - und genau dadurch entstehen die vielen berührenden Zwischentöne von On the Rocks. Genauso wie Rashida Jones' Schauspiel ist auch Bill Murrays Performance hier ein entscheidender Schlüssel.

On the Rocks

Ist der Konflikt zwischen Laura und Felix erst einmal eskaliert, entwickeln viele Szenen rückwirkend eine ganz andere Wirkung. Spätestens an diesem Punkt fällt auf, wie überlegt die Figuren in Sofia Coppolas Drehbuch und schlussendlich auch ihrer ruhigen Inszenierung aufeinandertreffen. Da gibt es vieles zwischen den Zeilen zu entdecken. Mit Bill Murray im Autopilot wäre das nicht möglich gewesen.

On the Rocks läuft seit dem 2. Oktober 2020 in den deutschen Kinos. Am 23. Oktober 2020 erscheint der Film als Stream auf Apple TV+.

Werdet ihr euch On the Rocks noch anschauen?

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