Eine echte Entdeckung bei der Berlinale: Monos ist ein kriegerischer Rausch

15.02.2019 - 12:10 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Monos: Ein Highlight im Panorama der Berlinale
Le Pacte
Monos: Ein Highlight im Panorama der Berlinale
4
13
Eines der intensivsten Filmerlebnisse der Berlinale bietet Monos, in dem Der Herr der Fliegen auf Apocalypse Now trifft. Lest hier, warum der Film eine der ersten Entdeckungen dieses Festival-Jahres ist.

Dieser Film wird uns noch eine Weile begleiten. Stellt euch den dritten Akt von Apocalypse Now vor und ersetzt den wahnsinnigen Colonel Kurtz durch einen Teenager mit selbstgeflochtenen Dreadlocks und frischem Flaum auf dem Kinn. Monos heißt der Film aus Kolumbien, der in Sundance auf sich aufmerksam machte. Bei der Berlinale 2019 läuft die hypnotische Reise in ein jugendliches Herz der Finsternis im Panorama. Es ist ein intensives Filmerlebnis, das Matsch, Dung und Schweiß des Dschungels über den Zuschauern ergießt. Wo sich andere Berlinale-Filme als intellektuelle Herausforderung geben, will Monos ganz Erfahrung sein - und schafft das zumeist auch.

  • Monos erzählt von kindlichen Guerilla-Kämpfern im kolumbianischen Dschungel.
  • Die Story von Monos ist reduziert und strotzt vor archaischem Symbolgehalt.
  • Unter der Oberfläche von Monos nagt eine latente Leere, doch die Erfahrung dieses Dschungel-Thrillers überwältigt dermaßen, dass dies kaum stört.
  • Berlinale 2019 - Alle Artikel zum Festival auf einen Blick

Am häufigsten wird Monos in der Presse mit William Goldings Herr der Fliegen verglichen. Immerhin ist in dem kolumbianischen Thriller von Alejandro Landes (Porfirio) eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen in der Wildnis auf sich allein gestellt. Neid, Missgunst und der Durst nach Macht fördern Zersetzungserscheinungen in der Gruppe, bis die Situation eskaliert. Sogar ein von Fliegen umwaberter Schweineschädel kommt vor!

Monos

Wo bei Golding die Analyse sozialer Dynamiken im Vordergrund steht, also wie sich Fraktionen zusammenfinden, Sündenböcke konstruiert werden, usw., liegt der Fokus bei Monos auf der sinnlichen Erfahrung. Von den ersten Einstellungen, in denen ein kleinwüchsiger Muskelprotz die Kids à la Full Metal Jacket striezt, scheint die spätere Eskalation beschlossene Sache. Kindliche Unschuld kann hier nicht verloren werden, weil Rambo, Dog, Boom Boom, Bigfoot, Lady und wie sie alle heißen keine Chance hatten Kinder zu sein.

Monos entführt in eine Welt kindlicher Gewalt

Wer sich hier also eine analytische Auseinandersetzung mit der fünf Jahrzehnte umfassenden bewaffneten Gewalt in Kolumbien erhofft, wird enttäuscht werden. Monos entfaltet dagegen eine archaische Bildgewalt, wenn die Knirpse mit Maschinengewehren über ein Bergplateau marschieren, während sich hinter ihnen Wolkengebirge auftun.

In den Anfangsminuten scheinen sie der uns bekannten Welt enthoben. In diesem sonderbaren Reich bewachen Kinder eine entführte Ingenieurin mit MGs. Sie wählen untereinander Partner und ziehen sich mit ihnen in Höhlen zurück. Der Eintritt ins Erwachsenenalter (ab 15) wird mit einem Ritual begangen, in dem alle auf das Geburtstagskind einschlagen.

Über den Wolken führt die junge Guerilla-Truppe ein Leben im Zeichen der Stählung des Körpers für den Krieg. Begleitet werden die monumentalen Aufnahmen kleiner Körper durch einen sparsamen, aber dröhnenden Score von Mica Levi. Mit andersweltlichen Stimmungen kennt sie sich aus, komponierte sie doch die Musik für Scarlett Johanssons Alien-Reise in Under the Skin. In der Weite der Natur wird so bereits eine paranoide Enge suggeriert, welche mit der erzwungenen Reise in den Dschungel ausgelebt wird. Die Welt liegt den Kindern und Jugendlichen in Monos zu Füßen, doch ihr Leben im Zeichen der Gewalt hat ihnen bereits Grenzen gesteckt, bevor die Entdeckungsreise überhaupt losgehen kann.

Der Berlinale-Film Monos hat wenig zu erzählen, aber viel zu erleben

Mit dem Eintritt in den Dschungel entwickelt sich Monos zum rauschhaften Überlebenskampf zwischen Sturzflut und Moskitoschwarm. Der Krieg wütet bereits im Kern der Truppe, die gestählt, trainiert, bewaffnet und kampflustig ihre Energie schlussendlich gegen sich selbst richtet. Mittendrin die Geisel, die ihre eigenen Fluchtpläne hegt.

Monos

Distanziert betrachtet, bietet Monos kaum originelle Einsichten in über Generationen weitergetragene Kriege dieser Art, welche wüten, um sich selbst zu finanzieren. Die archaische Aufmachung, die visuelle Schnittstellen zwischen den Guerilleros und ihren indigenen Vorfahren schafft, bleibt dafür zu unspezifisch. Neben dem besseren Birds of Passage, in dem indigene Riten und Machtstrukturen vom Drogenhandel vereinnahmt werden, fühlt sich Monos ähnlich monumental, aber latent leer an.

So offensichtlich in Monos auch versucht wird, den Zuschauer in der Erfahrungswelt seiner Krieger als Geisel zu nehmen, so wenig wollte ich mich dem entziehen. Bei einer Berlinale, in der selbst die schönsten Filme eine intellektuelle Herausforderung bleiben, ist ein Film gern gesehen, der einfach nur gefühlt werden will. Selbst wenn man sich danach dreckig und verschwitzt fühlt.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News