Interview mit dem Regisseur Athanasios Karanikolas

15.06.2009 - 10:45 Uhr
Elli Makra 42277 Wuppertal
ZDF
Elli Makra 42277 Wuppertal
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“Das kleine Fernsehspiel” des ZDF zeigt am Montag, den 15. Juni, um 0:35 Uhr den Film Elli Makra 42277 Wuppertal des aus Griechenland stammenden Regisseurs Athanasios Karanikolas. Im Interview spricht er über Heimat und die griechische Mentalität.

Elli Makra reicht’s. Sie ist nicht glücklich mit ihrem Leben, den brutalen Ex-Mann will sie nie wieder sehen und sich der griechischen Scheinwelt in Deutschland entziehen. Sie möchte zurück in ihre Heimat – doch so einfach wird ihr diese Entscheidung nicht gemacht…

Elli Makra – 42277 Wuppertal läuft am Montag, den 15. Juni, um 0:35 im ZDF. Zeitgleich kann er um dieselbe Uhrzeit im ZDF-Live-Stream im Internet angeschaut werden. Im Interview spricht Regisseur Athanasios Karanikolas über seinen Debütfilm.

“Elli Makra” ist ihr Debütfilm, in dem sie ausschließlich mit Laiendarstellern gearbeitet haben. Wie kam es dazu und wie haben sie ihre Darstellerinnen gefunden?

Die anfängliche Überlegung war, entweder mit deutschen Schauspielern zu drehen, die griechisch lernen sollten, oder mit Schauspielern aus Griechenland, die deutsch lernen sollten. Aber beide Lösungen kamen mir irgendwie geschummelt vor. Ich wollte ja einen Film nicht nur über, sondern mit den Menschen machen. Daher haben wir angefangen, mit Radio- und Zeitungsannoncen und Plakatierungen in ganz NRW nach Darstellern zu suchen. Yannis Stergiopoulos hat sehr viel Werbung gemacht, gerade an den Orten in NRW, wo viele Griechen verkehren. Zu den Castings kamen ca. 600 Leute.

Sie haben die Geschichte zu ihrem Film vor Ort in Wuppertal entwickelt. Können Sie zu dieser vor Ort Recherche etwas erzählen?

Ich habe insgesamt 2 Jahre an dieser Geschichte geschrieben. Nachdem ich in Wuppertal Anna Lalasidou als Hauptdarstellerin für Elli Makra gefunden habe, bin ich sehr oft dorthin gereist und für einige Wochen geblieben. Wuppertal ist eine der größten griechischen Gemeinden in Deutschland und ein Beispiel für eine Migrationsgemeinde, die in den 70er Jahren stark geboomt hat. Nachdem in den letzten Jahren der wirtschaftliche Erfolg total abgenommen hat, gehen viele Migranten wieder nach Griechenland zurück.
Vor Ort habe ich in Kneipen und Restaurants Leute angesprochen und sie nach ihrer eigenen Geschichte gefragt. Ich hatte vorab ein Buch zu meinem Film geschrieben, das ich dann aber mehr und mehr korrigiert habe, an die realen Geschichten angepasst habe. Ich habe auch während den Recherchen etwas Merkwürdiges gemacht. Ich bin zu den Leuten nach Hause gegangen und habe mit ihnen Szenen inspiriert aus ihrem Leben improvisiert. Es ging um fiktive Gespräche mit realen Personen, die aber nie stattgefunden haben. Da habe ich schnell erfahren können, wie viel schauspielerisches Potential in jeder oder jedem steckte. Das war auch ein Teil des Castings.

Sie haben also das Drehbuch zusammen mit den Geschichten der in Wuppertal lebenden griechischen Migranten entwickelt. Gab es etwas, was sie unbedingt in ihrem Film zeigen wollten, unabhängig von diesen authentischen Geschichten?

Ich wollte grundsätzlich eine Migrantengeschichte der hauptsächlich Frauen betrifft erzählen. Ein großer Teil meiner eigenen Familie lebt in Australien. Mein Kurzfilm “Best worst mistake” zeigt griechische Frauen in Australien, ihre Beziehungen zu dem Ort, zu ihrer Arbeit und auch zu ihren Männern und Partnern.

Fällt es ihnen grundsätzlich leichter, Geschichten über Frauen zu erzählen?

Ja vielleicht. Ich finde, dass gerade bei Laiendarstellern Frauen einfach offener sind. Vielleicht habe ich aber auch einen leichteren Einblick, weil ich mit Frauen aufgewachsen bin.

Inwieweit hatten sie die Figur von “Elli Makra” schon vor Augen, bevor sie sich für eine Hauptdarstellerin entschieden haben?

Elli war klar, aber die Figur hat sich verbessert, als ich Anna getroffen habe. Sie hat dadurch neue Farben und Facetten bekommen. Anna lebt in einer komplett anderen Welt als Elli, aber sie hat ihre Bodenständigkeit und ihr Selbstbewusstsein mit in die Figur eingebracht. Ohne Anna Lalasidou wäre für mich Elli jetzt unvorstellbar.

Sie sind vor 10 Jahren nach Deutschland gekommen. Was verbinden sie mit dem Wort “Heimat”?

Heimat ist da, wo man kreativ zu Hause ist. Ich habe die ersten 20 Jahre meines Lebens in Griechenland verbracht. Aber seit 20 Jahren lebe ich nun in Deutschland. Mit Griechenland verbinde ich vor allem meine Kindheitserinnerungen und meine Muttersprache.

Möchten Sie auch irgendwann wieder “zurück”?

Ich reise viel zwischen Deutschland und Griechenland hin und her Daher gibt es kein wirkliches “zurück”. Ich denke im heutigen Europa gibt es dieses “zurück” mittlerweile gar nicht mehr.

“Migranten – Geschichten ähneln sich alle” ist ein Zitat von ihnen. Was würden sie als den gemeinsamen Nenner solcher Geschichten bezeichnen?

Ich denke, der gemeinsame Nenner ist das Gefühl von Sehnsucht nach emotionaler Zugehörigkeit, nach der eigenen Sprache. Obwohl ich inzwischen sehr gut deutsch kann, ist und bleibt es immer ein kleines Handicap in Bezug auf Humor und Spontaneität. Man ist nie zu 100 Prozent sich selbst, wenn man nicht in seiner Muttersprache spricht. Der gemeinsame Nenner ist daher vielleicht die Sehnsucht nach dem wahren, emotionalen Ich.

Der Film ist durchzogen von einer gewissen Schwere, Tristesse und Melancholie. Ist das Teil eines bewusst gesetzten visuellen Konzeptes oder schlichtweg die authentische Abbildung deutscher Kleinstadt – Realität?

Elli Makra ist eine spezielle Frau und natürlich auch eine Kunstfigur. Das ist ihre eigene Welt, die natürlich nicht alle Griechen betrifft. Es ist auch ein visuelles Konzept. Ich habe versucht, mein Gefühl, meine Wahrnehmung und die Authentizität unter einen Hut zu bekommen.

Was bedeutet für sie “griechische Mentalität”?

Ich wollte gegen das übliche, als griechische Mentalität erkennbare Klischee, angehen. Die griechische Kultur besteht nicht nur aus fröhlichen Feierlichkeiten. Es ist auch eine melancholische, traurige und schwere Kultur. Gerade die Melancholie ist Teil der griechischen Mentalität.

Was wird ihr nächstes Filmprojekt sein? Wieder eine Herzensangelegenheit?

Auf jeden Fall wieder eine Geschichte über eine Familie, mit dem Vater im Mittelpunkt. Eine Geschichte, in der Männer mit ihren Gefühlen umgehen sollen. Also ein Spielfilm in Deutschland und sehr wahrscheinlich diesmal keine Migrantengeschichte, aber eine Geschichte mit großer sozialer, gesellschaftlicher Relevanz. Es wird eine Vaterfigur im Mittelpunkt stehen, weil ich finde, dass diese sehr stark vernachlässigt wurden und in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zu Randfiguren wurden. Männer müssen sich heutzutage neu definieren. Die Rolle des Mannes, des Vaters, der ganzen Männlichkeit. Vielleicht ist es auch eine Herzensangelegenheit, weil mich meine eigene Beziehung zu meinem Vater sehr geprägt hat? Aber Irgendwie ist jeder Film eine Herzensangelegenheit, oder?

Mit Material von mîtosfilm.

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