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Ihr seid nicht cool, nur weil ihr auf Markus Lanz schimpft

15.12.2014 - 22:53 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Bild zu Ihr seid nicht cool, nur weil ihr auf Markus Lanz schimpft
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Endlich ist sie Geschichte: Die schrecklichste Sendung dieses Planeten - zumindest laut der Internet-Gemeinde. Zum Abschluss möchte ich gerne etwas ansprechen, dass mich seit einigen Folgen beschäftigt.

Mach's gut Wetten, dass..?, es war ein zwiespältiger Abschied und trotzdem werde ich dich in guter Erinnerung behalten. Doch in den letzten Tagen wurde schon genug in Erinnerungen geschwelgt, darum möchte ich hier kurz über etwas anderes schreiben: Die Kritik an Markus Lanz, die meiner Meinung nach schon über die Stränge schlug.

Das ist das Ende

Das war sie also, die letzte Ausgabe von "Wetten, dass..?" und wie zu erwarten war, brachte sie sowohl in Deutschland als auch in Österreich noch einmal ein Quotenhoch. Ein letztes Mal hatten Journalisten und die "Internet-Gemeinde" die Chance so richtig über die Sendung und den Moderator herzuziehen. Viele scheinen froh über das Ende und es würde mich nicht wundern, wenn Markus Lanz einer von ihnen ist - tatsächlich wirkte er auf mich am Samstag um einiges lockerer als sonst. Vielleicht war ihm auch schon alles "scheißegal", wie er selbst sagte.

Wie gewohnt fand man am Sonntag - dem Tag danach - die Kritiken zur letzten Ausgabe von "Wetten, dass..?" in den großen Tageszeitungen. Und was soll ich sagen, es wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen, sie zu lesen, so vorhersehbar sind sie. Kritik möchte ich viele der Reaktionen in den Medien eigentlich gar nicht mehr nennen, denn dieses Wort verbinde ich mit einer gewissen Seriosität oder Expertise. Doch es war einfach zu deutlich, dass sich die Leute schon mit fertiger Meinung vor den Fernseher gesetzt haben, bereit irgendetwas zu "bashen". Da wurde jedes Wort, dass der Moderator in den Mund nahm dreimal umgedreht, aus dem Zusammenhang gerissen und Fehler gesucht, wo keine waren. Von Journalisten erwarte ich mir ehrlich gesagt mehr, als jede Aussage solange zu verdrehen, bis sie zum vorgefertigten Artikel passt.

Eine undankbare Aufgabe

Viel musste sich Lanz anhören, seitdem er als Nachfolger von Gottschalk vorgestellt wurde und einige Kritikpunkte waren durchaus berechtigt. Das ganze Sendungskonzept wirkte schon etwas angestaubt, Lanz war für den ein oder anderen Fremdschämmoment gut, er hat nicht denselben bubenhaften Charme wie Gottschalk, er tut sich schwerer beim Geplauder mit seinen Gästen, er wirkt weniger spontan. Jeder schien etwas auszusetzen zu haben, mich persönlich störte die immer wieder kommende Frage "sprechen sie auch Deutsch?". Lanz ist ein trockener Moderator, aber eine Sendung wie "Wetten, dass..?" hätte einen lockeren Entertainer benötigt - und trotzdem finde ich das Ausmaß der negativen Reaktionen weder verhältnismäßig, noch in dieser Art angebracht. Nach ein paar Sendungen und einem holprigen Start wurde es einfach schick, "Wetten, dass..?" zu zerreißen, ohne weiter drüber nachzudenken. Markus Lanz wurde zum Sündenbock für alles, er wurde zum Totengräber von "Wetten, dass..?" geschrieben.

Aber war die Sendung nicht schon vor dem Moderatorenwechsel am absteigenden Ast? Die Quoten schwächelten schon unter Gottschalk und wieso wurde ihm denn Michelle Hunziker an die Seite gestellt? Weil die Verantwortlichen das Gefühl hatten, dass Erneuerungen nötig waren. Der Staub hatte sich schon damals angelegt. Gottschalk hat schließlich den passenden Moment gewählt, um die Sendung zu verlassen und vermutlich wäre sein Abgang auch der passende Moment gewesen, sie würdevoll zu verabschieden. Leider hat man ihn verpasst und zwanghaft versucht, "Wetten, dass..?" noch irgendwie weiterzuführen. Dass ein neuer Moderator es unglaublich schwer haben würde, war vorauszusehen. Markus Lanz hat einfach eine schwere und sehr undankbare Aufgabe übernommen, nachdem viele andere vor ihm abgesagt hatten. Ich frage mich, ob er heute noch glücklich mit seiner damaligen Entscheidung ist.

Unmöglich, etwas richtig zu machen

In der ersten Version dieses Textes habe ich nachfolgend noch mehrere Beispiele unfairer Kritik gebracht. Aber eigentlich geht es mir ja gar nicht um die Kritikpunkte an sich, sondern um den Grundton, der in den Kritiken herrscht. Ich bekam dabei folgenden Eindruck: Vollkommen egal, was in der Show passiert wäre, welche Wetten angeboten worden wären und was Lanz gesagt oder getan hätte, die Beurteilungen wären immer gleich ausgefallen - eine Chance, etwas richtig zu machen, wollte man Lanz gar nicht erst geben.

Die Bild  trägt Gründe zusammen, wieso uns der Abschied von "Wetten, dass..?" nicht schwer fällt und beweist dabei Fantasie:

Lanz: „Das ist ein junger Mann der wirklich ganz, ganz blind ist.“ Und damit er „wirklich nichts mehr sieht“, so Lanz, zieht Dave die Brille auf. Autsch.

Tatsächlich erklärt zuvor der Kandidat selbst, dass die Brille sein eigener Wunsch war, damit ihm niemand vorwerfen kann, vielleicht doch noch etwas zu erkennen. Ähnlich verhält es sich mit fast allen angesprochenen Punkten im Artikel und ich musste mich wirklich zusammenreißen, hier nur einen herauszupicken. "Na gut, ist eben die Bild", werden jetzt einige sagen, aber die gleiche gezwungen spöttisch-herablassende Art zieht sich nicht nur hier und nicht erst seit Samstag durch die TV-Kritiken und Kommentare zur Sendung. Die Autoren selbst würden sich vermutlich als witzig und schlagfertig bezeichnen.

Nicht als einzige stößt die Welt  sich beispielsweise an den (für Wetten doch eigentlich üblichen?) Zeitlupen zur angeblich sexistischen Cheerleader-Wette:

"Wir schauen uns noch mal ein paar schöne Zeitlupen an", sagt Lanz. Die paar Perversen vor den Fernsehern wird es freuen.

Darf ich als Frau sagen, dass mir der Gedanke gar nicht kam? Immerhin haben die Mädchen ihren Wettvorschlag selbst eingereicht und ihre üblichen Kostüme an. Ist eigentlich jede Cheerleader-Show sexistisch und pervers, oder nur, wenn Lanz daneben steht? Auch hier wurde sich lang und breit darüber ausgelassen, dass Lanz nicht mit anderen Menschen umgehen kann, nur um dann Kommentare wie diesen rauszuhauen:

Männer reden mit Männern. In jeglichen Altersversionen. Dazwischen sitzt mal eine Wurst im Kleid, nicht Conchita, sondern Kati Witt.

Andere Gäste waren anscheinend nicht besser: Helene Fischer hat einen Pickel, die Männer sind nicht ordentlich rasiert. Witzig und schlagfertig. Eh schon wissen.


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