Des Teufels Bad: Geniales Horror-Duo schlägt zurück und erzählt die Geschichte einer Mörderin, deren Motiv unfassbar ist

23.02.2024 - 12:25 UhrVor 2 Monaten aktualisiert
Des Teufels Bad
Ulrich Seidl Filmproduktion / Heimatfilm
Des Teufels Bad
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Veronika Franz und Severin Fiala haben uns schon zweimal mit extrem unbequemen Horror-Filmen verstört. Auf der Berlinale 2024 präsentieren sie mit Des Teufels Bad ihr jüngstes Werk.

Vor zehn Jahren schlich sich ein kleiner, aber richtig fieser Horror-Film ins Kino. In Ich seh, ich seh erkennen zwei Brüder ihre Mutter nicht wieder, als sie nach einer Operation aus dem Krankenhaus zurückkehrt. Wer ist die Frau unter dem Gesichtsverband? Durch die Kinderaugen erleben wir einen Albtraum, den die Filmwelt nicht mehr vergessen hat. Sogar ein US-Remake mit dem Titel Goodnight Mommy ist inzwischen erschienen.

Hinter Ich seh, ich seh steckt das österreichische Regie-Duo Veronika Franz und Severin Fiala. Mit dem eisigen Mystery-Horror The Lodge lieferten die beiden fünf Jahre nach dem Achtungserfolg ihr englischsprachigen Debüt ab. Für ihren neuen Berlinale-Film, den historischen Psycho-Thriller Des Teufels Bad, kehren sie wieder in ihre Heimat zurück und tauchen in ein düsteres Kapitel der österreichischen Geschichte ein.

Horror auf der Berlinale: Des Teufels Bad erzählt eine fürchterliche Geschichte im Österreich des 18. Jahrhunderts

Des Teufels Bad entführt ins Jahr 1750. Wir finden uns in einer abgelegenen Region in Oberösterreich wieder, wo die Menschen in Armut und Angst leben. Alle sind streng gläubig und niemand traut sich, aus den gesellschaftlichen Konventionen jener Zeit auszubrechen. Die Arbeit bestimmt das Leben – und der liebe Gott. Allzu lieb scheint er allerdings nicht zu sein. Er wartet in erster Linie mit Strafen auf.

Ulrich Seidl Filmproduktion / Heimatfilm

Das Schlimmste, was ein Mensch in dieser Welt tun kann, ist sich das Leben zu nehmen. Selbst die Mörderin eines Babys, die wir in den ersten Minuten des Films bei der Tat beobachten, erhält die Möglichkeit, im Beichtstuhl erlöst zu werden. Erst danach wird ihr der Kopf abgeschlagen. Wer Suizid begeht, landet direkt in der Hölle – die größte Angst unter den einfachen Leuten, die sich durch den tristen Alltag quälen.

Als die gläubige Agnes (Anja Plaschg) heiratet, sieht es für einen Moment so aus, als würde ein kleiner Aufbruch aus diesem Elend stattfinden. Schlussendlich tritt aber genau das Gegenteil ein: Die Ehe wird für sie zum Gefängnis, im wörtlichen wie übertragenen Sinn. Bereits das neue Heim erweist sich als steiniger Kerker, in den kaum Tageslicht dringt. Hier soll sie für ihren Mann kochen und ihm ein Kind schenken.

Doch Agnes passt nicht in diese Welt. Das Lächeln des Hochzeitstags verblasst. Die Dominanz der Schwiegermutter (Maria Hofstätter) macht ihr zu schaffen, genauso wie das passive Verhalten ihres Mannes (David Scheid). Agnes verliert sich in Einsamkeit und würde am liebsten vom Erdboden verschwinden. Schnell ist klar, wohin sich Des Teufels Bad bewegt. Der Prolog mit dem Kindsmord gibt den Leidensweg vor.

Des Teufels Bad: Kommt für die unangenehme Stimmung und bleibt für Anja Plaschgs starke Performance

Das Grauen im Angesicht von Kinderaugen lässt sich an diesem Punkt definitiv als das verbindende Motiv der Horror-Geschichten ausmachen, die Franz und Fiala in den vergangenen Jahren ins Kino gebracht haben. Sowohl Ich seh, ich seh als auch The Lodge schöpfen stark aus der unangenehmen Atmosphäre, die entsteht, wenn das Leben Unschuldiger auf dem Spiel steht und sich ein großes Übel anbahnt.

Ulrich Seidl Filmproduktion / Heimatfilm

Zwei Stunden lang lotsen uns Franz und Fiala im Gewand eines trostlosen Historienfilms durch den Wald, der sich als Labyrinth für die Figuren erweist, allen voran Agnes. Oft irrt sie durch die Gegend, verläuft sich und kommt zu spät nach Hause. Es ist feucht und kalt. Laub raschelt, Äste knistern und ein unheilvoller Nebel hängt zwischen den Bäumen. Niemand kommt hier raus. Die Stimmung könnte kaum hoffnungsloser sein.

Des Teufels Bad lebt sehr von seinem erdrückenden Setting. Dass der Film funktioniert, liegt in erster Linie aber an seiner fantastischen Hauptdarstellerin. Anja Plaschg ist vor allem als Musikerin bekannt. Unter dem Namen Soap&Skin sorgt sie seit Ende der 2000er Jahre für einnehmende Klänge. Mit Stillleben und Die Geträumten hat sie sich vor die Kamera gewagt. Jetzt formuliert sie Agnes' Leiden auf der großen Leinwand.

In Erinnerung bleiben tatsächlich weniger die offensichtlichen Leidensszenen, sondern die zermürbenden Augenblicke der Ungewissheit. Plaschg fängt die Verunsicherung ihrer Figur mit subtilen Gesten und Blicken ein. Manchmal wirkt es, als würde sie selbst in der Dunkelheit des Steinhauses verschwinden, bevor spärliches Licht ihre Gesichtszüge erleuchtet. Das Leben darin erlischt jedoch von Minute zu Minute.

Kein Wunder: Die Geschichte, die Des Teufels Bad zugrunde liegt, ist zutiefst verstörend. Agnes steht stellvertretend für die Frauen, die im 18. Jahrhundert zu Gewalt griffen, um aus dem Leben zu scheiden – als Mörderinnen, deren Sünden vergeben werden. Franz und Fiala zeichnen mit einsamen Bildern nach, wie jemand zu so einer Verzweiflungstat schreiten kann. Des Teufels Bad ist ein extrem niederschmetternder Film.

Des Teufels Bad läuft im Wettbewerb der 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Ein deutscher Kinostart steht noch nicht fest.

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