Die ultimative Utopie. In Strapsen.

28.11.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
A mental mind fuck can be nice!20th Century Fox/moviepilot
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Seit 40 Jahren feiert kein Film das Niederreißen aller Grenzen, die Freiheit und das Individuum so wie die Rocky Horror Picture Show - die zelluloidgewordene Angst aller engstirnigen Kleingeister, die die Welt lieber in ihre uralten Sandförmchen quetschen wollen.

Jeden Samstag stehen wir hier und machen den Time Warp mit einem Kommentar der Woche, der das Charles-Atlas-Seal-of-Approval trägt. Ihr habt einen Kommentar gefunden, der euch in den Zen-Room schickt? Der eine unwiderstehliche Creature of the night ist? That makes you shiver with antici... pation? Tell us about it, Janet! Denn in nur 7 Tagen machen wir euch einen neuen...

Der Kommentar der Woche
Unsere Autorin der Woche ist Frank N. Furter hoffnungslos verfallen. Nein, das stimmt so nicht. Denn LilQ ist nicht hoffnungslos und The Rocky Horror Picture Show ist genau das Gegenteil: Der vielleicht hoffnungsvollste Film auf eine bessere Welt, der je gedreht wurde. Don't dream it, be it!

Oh, diese Lippen, oh, diese Beine, oh diese Präsenz! Was für ein Mann, was für eine Frau, was für eine Person. Ich bin neidisch, verdammt nochmal, sehr sogar, aber auch fasziniert, gefesselt, verzaubert. Was würde ich für so eine Perfomance geben. Für so viel Körperbewußtsein. Für diese Ausstrahlung. Ich habe mich verliebt: Dr. Frank N. Furter, ab sofort gehört Dir mein Herz und ab sofort gehört diesem Film meine Seele.

Ich verstehe mittlerweile, warum so viele diesen Film feiern, sich verkleiden, im Kino oder Theater mitagieren, singen, schreien, mit Klopapier und Reis werfen. Sie leben die Freiheit und die Zügellosigkeit dieses Meisterwerks. Sie kokettieren mit der Frivolität der Schlossbewohner. Sie beten die an, die über ihren äußerlichen und innerlichen Zwängen stehen. Das Leben am Abgrund der Gesellschaft ist freier, als in ihrer Mitte. Zu sein, wie man sein will, zu sagen, was man fühlt und fühlen will, zu tragen, was zu einem passt und man tragen will, hach, wie schön kann das sein, wie frei muss das sein. Nicht Frau sein zu müssen, nicht Mann sein zu wollen, beides zu können, nichts davon zu erfüllen. Sich selbst neu zu erschaffen, kein Produkt der Gesellschaft, sondern ein Produkt des eigenen Willens zu sein, also Dr. Frankenstein und Frankensteins Monster in ein und derselben Person. Was kann verführerischer, verruchter und abscheulicher sein als das? Was muss man schon noch fürchten, wenn man das ist, vor dem sich die Gesellschaft fürchtet? Was gibt es denn noch mühsam zu überwinden, wenn man die unsichtbaren, starren Grenzen der Prüderie überwunden hat? Wenn man alles sein kann, dann kann man auch Gott oder der Teufel oder beides sein. Oder nichts.

So erhebt eure Gläser, ihr Erben von Dionysos, trinkt aus und schenkt euch maßlos nach. Ich höre schon im Hintergrund das Grollen eines nahenden Gewitters, welches sich im Osten zusammenbraut. Es ist die Diktatur der Prüderie, manifestiert in Schwulengesetzen, aufgezwungen durch Waffen, Gewalt und Terror, das sich erhebt und unserem Dasein zürnt. IS und Putin, ihr fürchtet nichts mehr auf der Welt, als unser aller Freiheit, anders sein zu wollen und anders sein zu können.
Die Generation, die ihr euch bald einverleiben werdet, sollte sich an RHPS erinnern und sich daran speisen. Die Hemmungslosigkeit, die Perversität, die Lust, die Dekadenz soll sie in einer grauen, faden Zukunft zur Revolte inspirieren. Rocky Horror Picture Show ist das Produkt einer Welt, die keine lustfeindlichen Grenzen kennt, kein Gut oder Böse, kein Mann oder Frau, kein Hetero oder Homo, kein schwarz oder weiß. Nur das Individuum, welches am meisten von denen gehasst wird, die ihr Heil in Geschlecht, Tradition und Nation suchen. Und dieses gefürchtete und verschmähte Individuum kann alles sein.

Das ist die Macht, die jeder und jede Inne hat, dass er, sie oder es und nicht die Gesellschaft bestimmt wer er, sie oder es ist. Jemand, der die eigene Deutungsgewalt über sich hat, ist frei und für jedes zwanghafte System und jede prüde Gemeinschaft eine Gefahr.

Ach, wären wir nur alle Klastophobiker und würden uns vor den engen Mauern unserer Welt gruseln, wir würden unsere jetzige Freiheit mehr zu schätzen wissen und sie verbissener verteidigen. Manchmal frage ich mich, warum das alles? Was haben die Streitereien, die Diskussionen und die ganzen ewigen Standpunktdebatten für einen Sinn. Ich könnte schweigen, mein Leben leben und die Engstirnigkeit ignorieren. Doch dann sehe ich Filme, wie diesen hier und mir wird bewusst, dass ihre Freiheit auch meine Freiheit ist. Es geht nicht darum, wer sich wie anziehen kann, wer was glauben soll und wer wen lieben darf, nein, es geht darum: So lange ich anderen ermögliche, nach ihrer Facon glücklich zu werden, so lange kann ich es auch.

Den Originalkommentar findet ihr übrigens hier - und die beiden anderen Kommentare von Alex.de.Large und Bubo, die als Teil des gleichen Projekts geschrieben wurden, findet ihr hier und hier!

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