Breaking Bad macht sich mit Chips-Werbung sein perfektes Ende kaputt – und bricht mir das Herz

14.02.2023 - 16:45 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
Breaking Bad
AMC
Breaking Bad
56
1
Weswegen wollt ihr euch an das ikonische Duo Walter White und Jesse Pinkman erinnern? Weil sie uns in Breaking Bad begeistert haben – oder weil sie 10 Jahre später mit Werbespots am eigenen Vermächtnis sägen?

Ockerfarben scheint die gleißende Sonne New Mexicos durch die geschmacklosen Gardinen des Wohnmobils. Angespannt kostet ein nicht mehr ganz so junger Mann einen Tortilla-Chip, wendet sich mit weitaufgerissenen Augen der Kamera zu und ruft: "Yo, die sind ja der Wahnsinn!" Ein Mann mit Glatze, Bart und Laborschürze antwortet von einem der Frontsitze aus mit tiefer Stimme: "Und sie sind nicht frittiert!" Um anschließend von oben herab zu erklären, wie er den ultimativen Snack entwickelt hat.

Wenn euch diese beiden Menschen in dieser Situation bekannt vorkommen, hat die Snack-Marke PopCorners erreicht, was sie mit ihrem Super-Bowl-Werbespot wollte: Walter White und Jesse Pinkman aus Breaking Bad sind zurück! Allerdings nicht als Hersteller und Verkäufer von blauem Crystal Meth, sondern von blauen Chipstüten. Serienschöpfer Vince Gilligan selbst hat den Werbespot abgedreht. Und zeigt damit unfreiwillig, an welchem deprimierten Punkt die vielleicht beste Serie aller Zeiten angekommen ist.

Der Breaking Bad-Werbespot versteht die Serie nicht – oder will sie nicht verstehen

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

YouTube Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Walt (Bryan Cranston) und Jesse (Aaron Paul) sind ein fantastisches Duo. Mit einer Dynamik irgendwo zwischen "Schulschwänzer und Lehrer sehen sich bei Klassentreffen wieder" und "verstrittenes Ehepaar hat sich ein gemeinsames Hobby gesucht" mausern sie sich von Amateur-Meth-Köchen zu Drogenbossen, an denen nicht mal die mexikanischen Kartelle vorbeikommen. Und das alles im nur auf den ersten Blick verschlafen aussehenden Albuquerque

Die Serie zeigt den moralischen Verfall des Chemielehrers und Familienvaters Walter White, der nicht nur sich selbst in Gefahr bringt, sondern immer mehr Menschen auf dem Gewissen hat. Wir sehen brutale Auseinandersetzungen, emotionale Zusammenbrüche und die Tragik hinter Suchterkrankungen. Dieser Moment im Wohnwagen, in dem Walts Geschäftspartner Jesse klar wird, wie gut das blaue Meth ist, wirkt isoliert betrachtet vielleicht triumphal – ist so gesehen aber der Anfang vom Ende.

Umso skurriler ist es in meinen Augen, diese Szene einmal durch den kapitalistischen Fleischwolf zu drehen und mit einem Chips-Werbespot dabei herauszukommen. Als wäre Breaking Bad im Kern eine unternehmerische Erfolgsgeschichte, deren Höhepunkte sich im Scherz problemlos auf andere Produkte übertragen lässt. Als hätten Jesse und Walt ein experimentielles Start-up gegründet, das eben zufällig eine Substanz herstellt, die unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, und nicht Menstruationstassen, zusammenklappbare Dreiräder oder eben Chips.

Walter White und Jesse Pinkman werden 10 Jahre nach Serienende zu Tode gemolken

Es gibt genug Beispiele, bei denen Cameos oder Persiflagen auf bekannte Franchises funktionieren. Im satirischen Kontext zum Beispiel, wenn US-Moderator Seth Meyers den spaßresistenten Jon Snow  aus Game of Thrones zu einer Dinnerparty mitbringt. Oder, um im Gilliganverse zu bleiben: Teile des Breaking Bad-Casts drehen eine Persiflage auf die MTV-Show "My Super Sweet 16" , in der Bryan Cranston seinen 60. Geburtstag plant.

Diese Sketche nehmen die Seele von etwas und denken es weiter, machen es absurd. Sie wollen unterhalten. Werbung hingegen will etwas verkaufen und nichts ist einfacher, als Emotionen für ein Produkt zu wecken, wenn man es mit etwas verbindet, was die Zielgruppe bereits liebt. In diesem Fall: eine ikonische Serie, die so omnipräsent im popkulturellen Gedächtnis verankert ist, so zu Tode gememt, dass sie sich mittlerweile wie das "Carpe Diem"-Wandtattoo des Prestige-TV anfühlt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

YouTube Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Schon 2015 gab es zum Super Bowl einen Werbespot mit Breaking Bad-Beteiligung : Walter White sollte als unfreundlicher Apotheker (inklusive "Say my Name!!!"-Anspielung, natürlich) die Vorteile eines Online-Versicherungsanbieters herausstellen. Damals war das Serienfinale rund zwei Jahre her, das Spin-off Better Call Saul gerade angelaufen. El Camino: Ein Breaking Bad-Film folgte erst vier Jahre später. Die Werbung war ebenfalls ein zynischer Cash-Grab, klar. Aber sie fühlte sich für mich nicht an, als würde man Walt hier das letzte Mal sehen. Als wäre dieses auf maximale Viralität getrimmte Video ein Abschied für immer.

Breaking Bad und Better Call Saul haben sich das eigene perfekte Ende kaputt gemacht

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

YouTube Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Im Jahr 2023 ist das anders. Über Monate fieberten Fans wie ich auf die groß angekündigte Rückkehr von Walt und Jesse in der finalen Staffel von Better Call Saul hin. Das Ergebnis war eine ebenso unterhaltsame wie melancholische Rückblende auf zwei Figuren, die mich über Jahre meines Lebens begleitet haben. Der perfekte Schlussakkord für ein Meisterwerk an serieller Erzählung. Doch statt so in Erinnerung zu bleiben, wollen Walt und Jesse mir jetzt mit dem Slogan "Breaking Good" Tortilla-Chips verkaufen, die nach Popcorn klingen.

Es gibt viele Breaking Bad-Fans, die den Spot feierten, als hätte Vince Gilligan gerade die Fortsetzung seines Serienuniversums verkündet. Doch wie und ob es jemals weitergehen wird, wissen wir nicht. Stand jetzt ist diese verdammte Super-Bowl-Werbung das letzte Mal, dass wir Walter White und Jesse Pinkman gemeinsam in einem Wohnwagen zanken sehen. Macht das wirklich irgendjemanden glücklich? Und wenn ja: Warum?

Am Ende fühlen sich diese leeren Cameos zumindest für mich an wie das Verschlingen einer Chipstüte: Euphorie, Gier und schließlich ein gewisser Ekel. Vor mir selbst, aber auch vor den Verantwortlichen, die ganz genau wissen, wie man auch noch das letzte bisschen Endorphin aus Fan-Hirnen wie meinem herausmelkt. Bis da gar nichts mehr ist. Nur ein unfassbares Gefühl von Leere.

Podcast: Ist Breaking Bad immer noch die beste Serie aller Zeiten?

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externe Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Auch fast 10 Jahre nach dem Finale ist Breaking Bad für viele eine der besten Serien aller Zeiten. Passend zum Start der letzten Staffel des Spin-offs Better Call Saul tauchen wir nochmal tief in die Hauptserie ein und besprechen, was Breaking Bad so großartig macht. Neben den unvergesslichsten Szenen gehen wir im zweiten Teil auf Serien ein, die nach Breaking Bad erschienen sind und sich mit dem Hit-Phänomen vergleichen lassen.

Frage an euch: Wie fandet ihr den Breaking Bad-Spot?

*Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News