Beale Street: Wie Moonlight-Macher Barry Jenkins den Blues ins Kino trägt

08.03.2019 - 18:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
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Innerhalb kurzer Zeit hat sich Barry Jenkins mit einfühlsamen Filmen zu einer wichtigen Stimme in Hollywood hochgeschwungen. Wir nehmen den Regisseur zum Kinostart von Beale Street unter die Lupe.

Ein junges schwarzes Paar schlendert Hand in Hand durch einen Park in New York. Es ist Herbst und das Tageslicht legt sich behutsam über ihre Gesichter, zwischen denen innige Blicke hin und her wandern. Ob er für "das hier" bereit sei, fragt Tish (KiKi Layne) ihren Freund Fonny (Stephan James) und beschwört damit alle Erwartungen, die wir Zuschauer an eine Filmromanze nur haben können.

Doch sehr bald kehrt Ernüchterung ein, denn schon einen Kuss und einen Schnitt später sind beide plötzlich durch eine Glaswand voneinander getrennt: Fonny wird der Vergewaltigung einer anderen Frau verdächtigt und sitzt hinter Gittern.

Beale Street zeigt: Barry Jenkins ist keine Eintagsfliege

Diese gegensätzlichen Momente bilden den Auftakt zu Barry Jenkins' neuem Drama Beale Street, mit dem der Regisseur den Roman Beale Street Blues von James Baldwin für die große Leinwand adaptiert hat. Das Werk beschäftigt sich mit der Benachteiligung von Schwarzen, die konkret durch die Verhaftung von Unschuldigen offenkundig wird.

Ebenso steckt in dem Film aber auch eine frei von Zynismus und Bitterkeit erzählte Liebesgeschichte. Die literarische Vorlage ist wie prädestiniert für Jenkins, der nach seinem überwältigenden Erfolg Moonlight erneut zu begeistern weiß.

  • Mit wenigen Filmen hat es Barry Jenkins geschafft, zu einer wichtigen Stimme der schwarzen Community zu werden.
  • Wie Moonlight überzeugt auch sein neuer Streich Beale Street durch eine zeitlose Note.
Beale Street

Moonlight konnte 2016 neben vielen weiteren Auszeichnungen drei Oscars einheimsen, darunter die Trophäe als Bester Film. Mit euphorischen Kritiken überschüttet wurde die erst zweite Regiearbeit von Jenkins obendrein. Der ebenfalls positiv aufgenommene Nachfolger Beale Street setzte bei den vergangenen Preisverleihungen zwar nicht zum ganz großen Höhenflug an, hatte aber durchaus ein Wörtchen mitzureden.

Viel höher kann es für den 39-Jährigen auf der Karriereleiter eigentlich nicht mehr gehen, andererseits lässt sich die Bedeutung seines Schaffens keineswegs nur an Awards messen.

Barry Jenkins, ein Humanist des modernen Kinos

Beale Street handelt von einer großen Ungerechtigkeit, an der mindestens drei Personen zu zerbrechen drohen: Der direkt betroffene Fonny, seine Partnerin Tish sowie später auch der gemeinsame Sohn. Jedoch äußert sich die Anklage des Films nicht oder zumindest nicht vordergründig in peitschender Wut gegen Alltagsrassismus und Willkür, obwohl dazu natürlich genug Grund bestünde.

Vielmehr lässt sich Jenkins ganz von der sanften Melancholie seiner zentralen Figuren treiben, die durch die Schwangerschaft der gerade einmal 19-jährigen Tish obendrein in ein Spannungsfeld zwischen zwei Familien verstrickt sind.

Was die Filme des Regisseurs indes zu kleinen humanistischen Kinowundern macht, ist das Kernelement kontrollierter Hoffnung. Nicht einmal in ausweglosen Situationen gibt Barry Jenkins seine Charaktere auf - zu überzeugt ist er von ihrem Recht auf eine Zukunft im Einklang mit sich selbst und anderen, so deprimierend die Gegenwart auch sein mag.

Beale Street

Barry Jenkins' Filme können die Jahre überdauern

Bezeichnend dafür kann eine Szene aus Moonlight stehen, in der der aus schwierigen Verhältnissen stammende Afroamerikaner Chiron (Alex R. Hibbert) von Juan (Mahershala Ali) das Schwimmen lernt und sich dabei - gleichwohl nur für wenige Augenblicke - endlich einmal richtig frei und schwerelos fühlen darf.

Der Umstand, dass die folgenden Jahre insgesamt nicht unbedingt perfekt für den Protagonist verlaufen, raubt der Szene nachträglich in keiner Weise ihre Kraft. Im Gegenteil: Sie schindet durch kommende Entwicklungen nur noch mehr Eindruck.

Der als Kind schwächliche Chiron wächst schließlich zu einem Gangster mit autoritärer Ausstrahlung heran, über dessen Verletzlichkeit seine stattlichen Muskeln aber nicht nachhaltig hinwegtäuschen können. So reift Moonlight zu einer universellen Hymne über die Härte des Lebens, die uns alle auf die eine oder andere Weise trifft.

Die Perspektive eines schwarzen schwulen Jungen aus Miami ist damit unweigerlich der eines jeden Zuschauers. Ganz ähnlich funktioniert Beale Street, wo Fonny und Tish trotz allem zueinanderhalten: Liebe ist hier die beste Form des Widerstands.

Moonlight

Wesentlich für die Filme von Barry Jenkins sind Farbgebung und Gesichter, über die der Regisseur unnachahmlich Stimmungen zu transportieren weiß. Auf Pointen, bestimmte Botschaften oder auch einen klaren Abschluss seiner Geschichten legt er wenig Wert. Für die Oscars prädestiniert ihn dies nicht und doch treffen seine bedächtigen, einfühlsamen Leinwandkompositionen den Nerv der Academy-Mitglieder.

Das Thema Rassismus bahnte sich in den zurückliegenden Monaten über mehrere Filme seinen Weg in die Award-Saison, die in ihrer tonalen Ausrichtung aber allesamt denkbar unterschiedlich anmuten. Beale Street und Spike Lees vorpreschender Schelmenstreich BlacKkKlansman etwa könnten tonal kaum weiter auseinander liegen. Vergleichbar sind die Filme von Barry Jenkins mit einem guten Blues-Song, der sich garantiert nicht zu schnell vergessen lässt.

Wie steht ihr zu den Filmen von Barry Jenkins?

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