Das Monster hinter den Monstern

19.10.2016 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Ein Monster hinter den Monstern
Panini Video/moviepilot
Ein Monster hinter den Monstern
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Dieser Artikel entstand im Rahmen der Aktion Lieblingsmonster.

„Von hoch oben, einem einst grünen Hügel aus, sehe ich sie kommen. Mechanisches surren, dunkle, schwere Rauchschwaden und der Geruch von glühendem Eisen kündigen sie an. Asche färbt den Himmel dunkel. Der Wind trägt rot leuchtende Funken mit sich. Ich breite die Arme aus, heiße sie willkommen, diese riesigen Kriegsschiffe, und weide mich an ihrer grausamen Eleganz. Dutzende, hunderte - immer mehr fluten das Land, überschütten es mit Feuer, verspotten den hilflosen Feind, jagen die Widerständischen über den Abgrund, schreiten unerbittert voran, unter meinem Befehl. Das düstere Land spiegelt sich in meinen Augen wider, bereit zur Veränderung, bereit, beherrscht zu werden.“

In dieser Geschichte wäre ich vermutlich nicht der Held. So manchen hat es den Verstand gekostet. Dieses ‚ES‘, dem wir alle einmal ausgeliefert sind.

„Du bist ein Monster...“ Diesen Satz kennen wir alle. Meist erklingt er mit schwerer Fassungslosigkeit in der Stimme, unter Tränen oder als Aufschrei tiefen Hasses.

Monster. Ein Biest, ein Verbrecher. Ein Alien, Riesenechsen, Könige, Chef-Redakteure, Trolle, Bankdirektoren - nur ein Teil der Liste. Jeder von ihnen und noch viele andere wurden als ‚Monster‘ betitelt.

Das Phänomen Monster hat mich in der Tat schon einige Jahre beschäftigt. Die Meisten sehen darin typische Schreckgestalten wie Vampire oder Werwölfe.

Für mich war ein ‚Monster‘ schon immer mehr als das.

Abseits von Werwölfen und Drachen existieren Monster ganz anderen Kalibers. Vor einigen Jahren stolperte ich zum ersten Mal über ein solches spezielles Monster: Johann aus dem Anime „Monster“.

So hübsch und intelligent Johann auch ist, seiner Abartigkeit steht dem in nichts nach. Gefühllos, kalt, umgeben von Dunkelheit, Blut und Tod. Als Kind ein scheinbar harmloser Junge, der Schlimmes durchmachen musste. Bei einem Überfall wird er schwer verletzt. Nur durch die Güte des Chirurgen Tenma überlebt er.

Tenma rettet diesen Jungen. Und er bereut es nicht.

Bis zu jenem Tag, als er Johann wiedertrifft.

Der weiße Anzug, das freundliche Lächeln, eine Pistole, die sich im Blut seines Opfers spiegelt.

Tenma hat einen Fehler begangen. Er hat ein Monster auf die Welt losgelassen.

Ein Monster ohne Krallen, Reißzähne oder Schuppen. Dieses Monster ist geformt durch Gefühlskälte, Mordlust und Genialität. Sein Verstand ist seine größte Waffe.

Intelligenz ist zweifelfrei gefährlich. Ohne seine Genialität hätte es ebenso Light Yagami aus der Serie „Death Note“ wohl nie zu einem der größten Massenmörder in der Geschichte des Anime geschafft. Von seinen Idealen her vollkommen gegensätzlich zu Johann, beginnt der Schüler Light mithilfe eines übersinnlichen Death Notes, Verbrecher zu töten. Skrupellos löscht er jeden Menschen aus, der sich ihm in den Weg stellt.

Untypische Monster.

Aber was genau ist ein Monster?

Für mich ist ein Monster stark, von natürlicher oder übernatürlicher Herkunft, gefährlich und tödlich. Ob es dabei instinktiv oder aus freiem Willen handelt, ist dabei irrelevant. Der Punkt ist: sie zerstören - Dinge, Lebewesen. Sie nehmen das, was anderen wichtig ist. Die Folgen sind ihnen egal. Sie hegen keine Empathie für ihre Opfer.

Das sind Monster.

Gerade dieses abnorme, grausige Verhalten hat mich bei Menschen immer besonders verstört. Ein Wesen, das von solch einer überlegenen Intelligenz gesegnet ist, verfällt dem widersinnlichen Drang, Schaden zu verursachen.

Diese menschlichen Monster... Ich habe mich immer gefragt, was Menschen wie Light und Johann zu Monstern werden lässt.

Es ist das Monster hinter den Monstern.

Waffen.

Stärke.

Magie.

Geburtsrecht.

Intelligenz.

Überlegenheit jeder Art.

Das alles verleiht Macht.

Macht verführt, verändert. Sie ist verlockend, sie zu missbrauchen ist leicht. Sie zu bändigen hingegen ist schwer. Manche können es nicht. Ich kann nicht sagen, ob ich es könnte. Wäre ich Superman oder Light Yagami? Könnte ich sie kontrollieren?

Ich bin mehr als glücklich, niemals vor solch einer wichtigen Frage zu stehen. Ein Hauch Macht im Alltag ist etwas, das jeder verkraften kann.

Aber wahre Macht ist wie eine Bestie. Sie will toben, anderen ihren Willen aufzwingen. Sie sagt dir, du kannst alles haben, was du willst. Du kannst wüten, zerstören, besitzen. Du kannst aber auch beschützen, heilen, helfen.

Macht formt Helden, aber auch ihr Pendant.

Monster werden durch Macht geboren.

Deshalb ist Macht für mich das wahre Monster. Es ist faszinierend zu sehen, was dieses Monster hervorbringen kann. Ohne Macht gäbe es keine Monster. Ein machtloser Werwolf wäre nicht gefährlich. Und ohne die Macht, sich Waffen anzueignen, gäbe es keine Schwerverbrecher. Selbst pure Überlegenheit, ein Mann mit einem Messer, kann seine Macht ausspielen.

Macht ist etwas, das die Menschen und Fantasywesen in Filmen und Serien auf eine Weise formen kann, die sie zu Monstern werden lässt. Sie ist der schmale Grad, auf dem sich die Seele dieser Wesen bewegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Instinkt das Handeln formt oder die freie Entscheidung Macht zur Unterdrückung missbraucht.

„Und während ich zusehe, wie der neue Grundstein meiner Welt auf die Asche des einst grünen Landes fällt, muss ich grinsen. Ohne diese Maschinen, die Männer unter meiner Leitung und meiner herausragenden Intelligenz, wäre es nicht möglich gewesen, meinen Schatten über die Menschheit zu werfen. Macht pocht in jeder meiner Adern, sie durchfließt meinen Körper. Ich kann spüren, wie sie nach mir schreit.“

Wer weiß, was ich mit genügend Macht anstellen würde?

Ich würde gerne behaupten, sie für Gutes einzusetzen. Aber dieser Begriff formt sich aus dem eigenen Empfinden heraus. Gut und Böse - die Definitionen sind unklar. Und gerade die Möglichkeit, alles zu erreichen, was man will, kann dem Menschen die Sensibilität rauben.

Macht ist das gefährlichste Monster überhaupt.

Und - zumindest was mich angeht - das faszinierendste von allen.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Sponsoren der Aktion Lieblingsmonster:

Aktion Lieblingsmonster


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