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Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist

19.10.2016 - 08:50 Uhr
Wandelnder Tod
Tony Moore/moviepilot
Wandelnder Tod
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Wenn man nach einem Lieblingsmonster schreit, sind die Zombies nicht weit

Dieser Artikel entstand im Rahmen der Aktion Lieblingsmonster.

Ich öffne meine Augen in einem Raum, der beinahe dunkel ist. Ein wenig Dämmerlicht schafft es durch die Bretterverschläge an den Fenstern. Ich liege auf dem Boden mit einem kleinen Rucksack als Kopfkissen. Man, waren das Zeiten, wo ich bequem in meinem Bett lag und The Walking Dead sah. Nun bin ich hier und kann es auch jede Sekunde des Tages hören und riechen. Den Gestank hatte damals niemand erwähnt... Manchmal träume ich sogar von diesem Gestank, oder glaube es zumindest. Vermutlich habe ich seit einer halben Ewigkeit nicht mehr richtig geschlafen. Wie soll man auch, wenn man ständig und überall das Stöhnen und Keifen und Schlurfen dieser untoten Fressmaschinen hört?
Ich habe Hunger. Tobi war noch nicht zurück. Hoffentlich haben sie ihn nicht erwischt. Ich will nicht schon wieder jemanden verlieren und ich will auch nicht alleine weiterziehen müssen. Damals hatten wir uns wirklich einen Plan zurechtgelegt, was wir tun würden im Falle einer Zombieapokalypse. Wie naiv wir doch waren. Wir mussten ja großschnäuzig die Zombies herbeisehnen und uns aufspielen, wenn wir sagten wir würden überleben, weil wir nicht die Fehler der Trottel aus den Filmen machen würden. Wie mir Filme fehlen... Aber vielleicht leben wir ja wirklich genau deswegen noch. Nicht wegen der Filme und Serien an sich, sondern weil sie uns den Drang gaben Überlebensstrategien auszutüfteln, den Willen Dinge zu lernen, die man damals einfach nicht brauchte, da alles bequem und technisch war.
Ich höre etwas und mache mich sofort bereit zuzuschlagen, falls es einer dieser untoten Stinker ist, oder Tobi... der vielleicht gebissen wurde. Ich schnappe mir meinen Rucksack und stelle mich in die dunkle Ecke neben der Tür. Leise quitschend wird sie geöffnet. Ein Untoter scheint es schon mal nicht zu sein und erleichtert senke ich mein Messer als ich Tobis Stimme höre, der mich flüsternd ruft. „Ich bin hier.“, sage ich leise und komme aus der Dunkelheit. Aus meinem Rucksack hole ich ein Feuerzeug und eine Kerze und zünde sie an. Ohne viele Worte setzen wir uns an den Tisch und begutachten seine Beute. 3 Äpfel und ein Schokoriegel. „Früher hätten wir das fotografiert und ins Internet gestellt.“, versuche ich die Stimmung aufzuheitern. „Ja, früher waren wir die Zombies.“, antwortet er leise lachend. Das stimmt, denke ich. Mag also sein, dass sogar etwas Gutes in dieser ganzen Scheiße zu finden ist. Ich beiße in meinen Apfel und kaue langsam vor mich hin, da ich den Saft genießen möchte. Man schätzt wieder, was man hat. Sei es dieser Apfel, ein Ziel vor Augen oder das Leben selbst. Tobi zieht die Karte aus seiner Tasche und breitet sie auf dem Tisch aus. „Es sind zwar noch eine Menge von diesen Idioten dort draußen unterwegs, aber wir müssen langsam mal weiter.“, brabbelt er, während er die Karte studiert. „Ich habe am Ende der Straße ein Auto gesehen, dass vielleicht noch funktionieren könnte.“ Ich höre ihm zu und überlege, wie wir dort hinkommen sollen. „Weißt du noch, wie wir damals zufällig über diesen Zombie Walk gestolpert sind?“ Er sieht mich an und nickt. „Nun, damals sind wir spontan in die Drogerie und haben uns schnell angemalt. Warum machen wir es nicht wieder so?“ „Du meinst wir sollen uns schminken?“, fragt er und zieht eine Augenbraue hoch. „Na ja, nein. Nicht schminken, aber wir könnten den Stinker von draußen nehmen, den wir erledigt haben und uns ein wenig mit dem präparieren...“ Tobi wirkt angewidert, aber nicht gänzlich abgeneigt. Was damals also Spaß machte, soll nun unser Überleben sichern. Damals... Das ist schon eine ganze Weile her. Damals wurden Zombies noch gemocht. Es gab Filme, Serien, Spiele, Bücher und Comics. Es gab Leute und Bands, die das Wort Zombie unbedingt in ihrem Namen haben wollten. Man konnte die geliebten Untoten auf sämtlichen Kleidungsstücken tragen, auch Babystrampler blieben davon nicht verschont. Bettwäsche und Kuscheltiere sorgten für super gute Träume. Selbst Michael Jackson, der sonst immer nur ein kleiner weißer Junge sein wollte, war auch mal ein Zombie! Und beinahe hätte ich sie vergessen – Gartenzwerge! Ja, sogar Zombiegartenzwerge gab es... Niemand, wirklich niemand will Zombies in seinem verdammten Garten! Ich zumindest nicht. Nicht mehr... Damals gab es schon überall Zombies, nur heute wollen sie wirklich dein Hirn und nicht nur darin rumspuken.
Tobi und ich zerlegen den toten Untoten, wer auch immer er mal gewesen sein mochte, und reiben uns mit seinen Überresten ein. Wenn das keine Wirkung zeigen sollte, dann ist es mir auch egal, denke ich. Mit der Pampe an mir dran, wäre ich sowieso am liebsten tot... Ich packe den letzten Apfel und den Schokoriegel in meine Tasche und stelle mich an Tobis Seite. „Bereit?“, fragt er mich. „Bereit.“, antworte ich. Wir verlassen das Gebäude und laufen offen auf der Straße. Eigentlich ist es ganz gut, dass es eine Zombieapokalypse ist. Denn glitzernde Vampire, vom Himmel stürzende Haie oder eine Welt voller Michael Jacksons könnte ich einfach nicht ertragen. Ich lächel vor mich hin und nehme Tobis Hand.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Sponsoren der Aktion Lieblingsmonster:

Aktion Lieblingsmonster


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