Zwischen Genie und Wahnsinn im Test zu Need for Speed

10.11.2015 - 16:15 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Need or Speed
Electronic Arts
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Need for Speed wartet mit einer tollen Open World, umwerfender Optik und allerlei schnittigen Karren auf. Warum ich mit dem Spiel trotzdem nicht warm geworden bin und bei den Zwischensequenzen am liebsten im Boden versunken wäre, erfahrt ihr in meinem Review.

Meine temporäre Affinität zu Rennspielen begann irgendwann um die Jahrtausendwende mit Need for Speed III: Hot Pursuit, in dem ich unzählige Male meinem Vater unterlag. Nachdem ich viel Zeit mit Need for Speed: Most Wanted auf meinem Nintendo DS verbrachte und abgesehen davon auch mehr Konsolen-Erfahrung sammelte, kann ich mittlerweile voller Stolz über ihn triumphieren . Kurzum — ich kenne das Need for Speed-Franchise nicht in und auswendig, gleichzeitig ist mir die Reihe aber auch nicht vollkommen fremd.

Im Test zum aktuellen Need for Speed habe ich in Ventura Bay gewaltig die Motoren aufheulen lassen, um herauszufinden, ob der Titel auch für Neulinge oder eben Fortgeschrittene geeignet ist. Dabei habe ich gemischte Gefühle hinter meinem Steuer gehabt.

Die nächtliche Atmosphäre hat mir besonders gefallen.

Die Stadt, die niemals erwacht

Was mir an Need for Speed am meisten gefällt, ist die Open World namens Ventura Bay, in der fast durchgängig Nacht herrscht. Durch diese fiktive Stadt — bestehend aus sechs Bezirken — könnt ihr nach Lust und Laune mit dem fahrbaren Untersatz eurer Wahl kurven. Für alle, die gerne das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken, eignet sich Franklin Terrace am besten, wo die Autobahn zu hohen Geschwindigkeiten einlädt. Wer eher auf scharfe Serpentinen steht, dürfte sich in El Rey wohlfühlen und dann gibt es da noch Burnwood, wo sich nicht nur reichlich Bürogebäude, sondern mit der Garage auch euer sicherer Hafen befinden.

Ihr habt also reichlich Platz für diverse Rennen, Verfolgungsjagden mit der Polizei, Spontan-Events, das Finden von Gratis-Teilen oder entspannte Ausflüge auf vier Rädern. Zwei Sammelobjekte, die über ganz Ventura Bay verstreut sind, möchte ich an dieser Stelle gesondert herausgreifen. Dazu gehören zumeist ziemlich hässliche Aussichtspunkte, die mit einem kleinen Kamera-Symbol versehen sind: Hier wird euer Gefährt für einen Schnappschuss in Szene gesetzt. Was mir hingegen sehr zugesagt hat, sind die sogenannten Donut-Stellen: Dort fordert euch Need for Speed dazu auf, ein paar Kreise mit eurem Auto zu drehen und dabei gewaltig die Reifen qualmen zu lassen. Benannt werden diese Bereiche beispielsweise mit Zimtkringel oder Honigleckerei. Süß.

Einige eurer merkwürdig sprechenden Zeitgenossen.

Hashtags und Fistbumps

Die Charaktere, die in den Zwischensequenzen vorkommen und euch außerdem gefühlt alle fünf Minuten auf eurem Handy anrufen, haben mir den Spielspaß an Need for Speed allerdings am meisten vermiest. Versteht mich nicht falsch — meiner Meinung nach sehen die Cutscenes fantastisch aus, weil es den Entwicklern wirklich gelungen ist, virtuelle Umgebungen und reale Schauspieler miteinander verschmelzen zu lassen. Aber mit der Art, wie sich die Charaktere verhalten und sprechen kann ich absolut nichts anfangen.

Nachdem der dreißigste Fistbump über den Bildschirm flimmerte und zum hundersten Mal das Wort Bro fiel, graute es mir vor jeder weiteren Zwischensequenz, weil ich mich schlichtweg in Grund und Boden schämen wollte. Doch auch in den zahlreichen Telefongesprächen, den kurzen Einschüben vor den Rennen und den Ladebildschirmen bekleckert sich Need for Speed nicht gerade mit sprachlichem Ruhm. Hier wird mit schrecklichen Hashtags, unsäglichen Anglizismen und nervigen Kurznachrichten im Twitter-Stil nur so um sich geworfen.

Trotz dieser Kritik kann ich aber auch einige gute Haare an euren Mitfahrern in Need For Speed lassen. Denn zu eurer Truppe gehören mit Amy und Robyn zwei Frauen, die weder übersexualisiert sind noch anders behandelt werden als ihre männlichen Kameraden. Darüber hinaus schneiden die Figuren in einem der unzähligen Telefongespräche nebenbei mit Frauenfeindlichkeit ein wie ich finde sehr wichtiges Thema an.

Verfolgungsjagden gehören zum Spiel-Stil Outlaw.

Die fantastischen Fünf

Ich halte Need for Speed ebenfalls die schier unendlichen Möglichkeiten zur Individualisierung von 51 Vehikeln zugute, die ihr nicht nur in Bezug auf Leistung, sondern auch hinsichtlich ihrer Optik ganz nach euren eigenen Vorstellungen gestalten könnt. Und damit nicht genug, in Ventura Bay könnt ihr euch außerdem mit fünf verschiedenen Fahrstilen einen Namen machen. Dazu zählen Style, Speed, Crew, Outlaw sowie Schrauber. Eure fünf Freunde Amy, Manu, Robyn, Spike und Travis wollen die fünf korrespondierenden Ikonen dieser verschiedenen Bereiche auf sich aufmerksam machen. Zu diesem Zweck nehmen sie kontinuierlich an Events teil, denen auch ihr beiwohnen könnt.

In jeder dieser Kategorien ist es euer Ziel, eine möglichst gute Performance abzuliefern — egal, ob das bedeutet als erstes im Ziel zu sein oder aber bei Drift-Contests die höchste Punktzahl zu erzielen. Ganz unabhängig von eurer Platzierung erhaltet ihr zum einen Reputation (kurz: REP), durch die Tuning-Teile freigeschaltet werden und euer Level ansteigt, sowie Ingame-Währung zum Kaufen der diversen Aufwertungen. Das hielt meinen Frust-Faktor über einen langen Zeitraum in Grenzen.

Doch auch wenn ihr einfach nur in der Open World Ventura Bay unterwegs seid, könnt ihr REP-Punkte durch die verschiedensten Tätigkeiten sammeln. Wann immer ihr driftet, eure Umgebung in Trümmerteile zerlegt, im Gegenverkehr oder aber mit hoher Geschwindigkeit unterwegs seid, treibt das euren Punktestand und somit euren Level in die Höhe.

Hübsch anzusehen ist Need for Speed auch 2015 definitiv.

Es liegt nicht an dir...

Trotz dieser positiven Aspekte bin ich mit Need for Speed auch nach rund neun Spielstunden einfach nicht warm geworden. Der Grund dafür liegt nicht ausschließlich beim Spiel, obwohl mir der überaus peinliche Sprachgebrauch der Ingame-Charaktere gewaltig auf die Nerven fiel.

Viel eher bin ich immer wieder aufs Neue davon überrascht, wie sehr mich Renn-Spiele begeistern können, sich dieser brennende Ehrgeiz allerdings nie lange halten kann, weil mich dieses Genre sehr schnell unheimlich aggressiv macht. Spiele dieser Art geben mir keine Sekunde Zeit, mich zu entspannen und Luft zu holen.

Ich verspüre bei Titeln wie Need for Speed großen Druck auf mir lasten, weil ich genau weiß, dass ich eine Kurve mit einem sauberen Drift meistere und mein Auto in der nächsten trotzdem frontal vor einen Container setzen könnte. Deshalb schwand meine Motivation auch zusehends, je mehr Zeit ich mit Need for Speed in diesem stetigen Wechsel zwischen Genie und Wahnsinn verbrachte.

Fazit

Ist das Spiel also empfehlenswert für diejenigen unter euch, die sich nicht permanent mit Renn-Spielen befassen? Ja, denn Need for Speed ist relativ einsteigerfreundlich gestaltet und zieht den Schwierigkeitsgrad der Herausforderungen in der Open World Ventura Bay schrittweise an. Wenn ihr nicht so ungeduldig seid und euch von diesem Genre nicht so schnell reizen lasst wie ich, solltet ihr Need for Speed eine Chance geben.

Allerdings müsst ihr euch auch dessen bewusst sein, dass ihr über eine hohe Toleranz für Fremdscham verfügen müsst, wenn ihr euch mit Need for Speed einlasst. Denn der Umgang der Figuren untereinander wirkt so, als bemühe sich das Spiel zu sehr "cool" zu sein und mit der Zeit zu gehen. Das Ergebnis sind peinliche Hashtags, Anglizismen und Fistbumps. Ich bin raus, Bro!

Need for Speed wurde uns in Form eines PS4-Musters vom Publisher zur Verfügung gestellt.

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