Zum Weltdufttag - Die Geschichte des Geruchskinos

27.06.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Was sie wohl riecht? Szene aus Scent of MysteryRedwind Productions
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Heute ist Weltdufttag, weswegen wir uns mit der ebenso kurzen wie faszinierenden Geschichte des Geruchskinos befassen: Von AromaRama über Smell-O-Vision, Odorama und Aroma-Scope bis hin zu 4DX entgeht nichts unserer Witterung.

Der heutige Weltdufttag ist zwar weder besonders traditionsreich (es gibt ihn erst seit 2009) noch aus reiner Menschenliebe entstanden (ins Leben gerufen wurde er von einem Online-Parfümerie-Betreiber), trotzdem wollen wir ihn als Anregung nehmen, uns der Geschichte des Geruchskinos zu widmen. Im Gegensatz zum Anfang der 50er erstmals aufkommenden 3D-Boom hat es mit The Scent of Mystery von 1960 zwar eigentlich nur einen einzigen Film hervorgebracht, seine Ursprünge reichen jedoch weitaus länger zurück.

Ein laues Lüftchen

Zunächst versuchten lediglich vereinzelte Kinobetreiber hin und wieder, ihren Zuschauern mit einem einzigen Geruch eine zusätzliche Erlebnis-Dimension zu bieten, wie die L.A. Times  zusammenfasst: Eine Wochenschau über das Rose Bowl-Footballspiel wurde 1916 von Rosenduft begleitet, der einem in Rosenöl getränkten Wattebausch entströmte und von einem Ventilator ins Publikum gepustet wurde; Fliederöl in der Klimaanlage sollte beim Liebesfilm Zeit des Flieders 1929 für Begeisterung sorgen; bei der Premiere des Musicals Broadway Melody wurde im gleichen Jahr Parfüm von der Decke gesprenkelt; Vorstellungen von Der Herr der sieben Meere warteten 1940 wiederum nicht nur mit Teer-, sondern auch mit weiteren Gerüchen auf, die mittels Druckluft in die Klimaanlage geschossen wurden; in Der Draufgänger erhielt jeder Hauptcharakter ein olfaktorisches Leitmotiv.

All dieses Duften geschah jedoch auf Initiative einzelner Kinobetreiber, war also nicht von den Studios als integraler Bestandteil ihrer Filme vorgesehen, sondern diesen nur aufgepfroft. Auch erwies es sich als schwierig, die einmal verströmten Düfte rasch wieder zu beseitigen, was zu einem Geruchs-Mischmasch in den Nasen der Zuriecher führte. Diese Hürde sollte erst vom Schweizer Erfinder Hans Laube überwunden werden. Laube führte 1940 auf der Weltausstellung in New York den Kurzfilm Mein Traum in Scentovision vor, dessen 32 begleitende Düfte mittels Schläuchen an den Kinosesseln zu den Nasen der Zuschauer geschickt wurden und auch rasch wieder entfernt werden konnten.

AromaRama

Kurz vor dem Langfilmdebüt von Hans Laubes System kam Anfang Dezember 1959 jedoch ein konkurrierender Geruchsfilm in die Kinos: Die China-Reise-Dokumentation Behind the Great Wall. Sie war zwar nicht als Duftfilm gedreht worden, wurde aber trotzdem von zwei bis drei Dutzend Gerüchen im AromaRama-Verfahren von Charles Weiss begleitet, die allerdings nur aus der Klimaanlage strömten. Die Reaktion großer Publikationen wie der New York Times  und Variety  auf diese Düfte war wenig begeistert, auch Stimmen , die der Duft-Dimension eine ähnliche Funktion wie der Musikbegleitung eines Films zubilligten, kritisierten die wenig subtilen Gerüche und ihre stetige Wiederholung. Als Film an sich kam Behind the Great Wall jedoch wesentlich besser an. Ein zweites Werk in AromaRama, die Adaption des Sci-Fi-Horror-Krimis A Scent of New Mown Hay (welch passender Titel für eine Geruchsfilmvorlage!), wurde allerdings nicht verwirklicht . Bei ihm wären die Düfte Teil der Handlung gewesen.

Smell-O-Vision

Diese Feder konnte sich wenige Wochen nach der Premiere von Behind the Great Wall die Krimikomödie Scent of Mystery des Produzenten Michael Todd Jr. an den Hut stecken, in der das inzwischen zu Smell-O-Vision umgetaufte und verbesserte System von Hans Laube zum Einsatz kam. In Scent of Mystery kommt ein Krimiautor beim Spanienurlaub einem Plan auf die Spur, eine amerikanische Millionenerbin zu ermorden. Angepriesen wurde der Film mit "Erst bewegten sie sich (1895)! Dann sprachen sie (1927)! Jetzt riechen sie!", und so war dann auch das Drehbuch mit der Duftbeteiligung im Hinterkopf verfasst worden: Es gab Szenen in Rosengärten, zerschellende Weinfässer, frisch gebackene Brote, die in die Kamera gehalten wurden oder sich ausgiebig (mit dem Scent of Mystery) parfümierende Damen, stets begleitet von dem dazugehörigen Geruch, dreißig an der Zahl. Damit nicht genug, gab Pfeifenrauch-Aroma den Zuschauern auch den entscheidenden Hinweis auf den Mörder, Smell-O-Vision lieferte also auch einen echten "Mehrwert" und duftete nicht nur illustrativ.

Hinter all diesen Effekten stand das "Riech-Gehirn" von Hans Laube: Auf einem Drehteller waren zahlreiche Parfümbehälter befestigt, angeordnet in der Reihenfolge, in der sie ihren Duft verströmen sollten. Markierungen auf dem Film sorgten dafür, dass der jeweils benötigte Behälter in Position rotierte, wo er dann von einer Nadel durchstochen wurde, die seinen Inhalt zu einem Ventilator transportierte, der den Duft mit Luft vermischte, die wiederum unter jeden Sitz gepumpt wurde und ebenso schnell entfernt werden konnte.

Allerdings funktionierte Smell-O-Vision bei der Premierenvorstellung einem zeitgenössischen Bericht in Variety zufolge  nicht ganz wie gewünscht, nicht alle Zuschauer rochen die Düfte rechtzeitig (oder überhaupt), manche beschwerten sich über deutliche Zischgeräusche bei der Freisetzung. Zwar konnten die meisten Probleme schnell behoben werden, der Eindruck eines nicht-funktionierenden Systems ließ sich aber nicht mehr beseitigen. Zudem hatte Behind the Great Wall den Enthusiasmus für Geruchsfilme schon zuvor gedämpft. Auch als Film an sich stieß Scent of Mystery auf gemischte Reaktionen: Während einige wie Variety ihn als spaßige Unterhaltung lobten, fanden andere wie die New York Times  ihn albern. Somit verpuffte die Geruchsfilmbegeisterung so schnell, wie sie entstanden war, und Scent of Mystery war nicht nur der erste Film seiner Art, sondern auch der letzte. Unter dem Titel Holiday in Spain wurde er später geruchlos wiederveröffentlicht.

Odorama, Aroma-Scope, 4DX

Seitdem ist es still geworden um Filme, die ihren Zuschauern automatisch Gerüche in die Nase steigen lassen. John Waters griff die Idee 1981 mit Odorama in der Satire Polyester auf, hier mussten die Zuschauer aber selbst Hand anlegen und auf einer Rubbelkarte einen von 10 Düften freireiben, wenn die entsprechende Zahl auf der Leinwand zu sehen war. Ähnliches gab es in großem Rahmen beim Zeichentrickfilm Die Rugrats auf Achse 2003 sowie 2011 beim Agentenabenteuer Spy Kids 4D - Alle Zeit der Welt, der mit Rubbelkarten namens Aroma-Scope aufwartete.

Eine Wiederauferstehung in anderer Form feiert der Geruchsfilm hingegen seit einigen Jahren als Teil von 4DX-Kinos: Diese motzen aktuelle Blockbuster auf, indem sie die Zuschauer in sich in tausenderlei Hinsicht bewegende Sitzen stecken, sie mit zahlreichen Witterungseffekten von Luftstößen über Nebel und Regen bis hin zu Blitzen und Schnee berieseln sowie Gerüchen aussetzen, allerdings nur einigen wenigen . Integraler Bestandteil der Filme sind all diese Effekte aber nicht.

Welchen Film würdet ihr gerne in einer Geruchsversion sehen?

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