Wir schauen True Detective - Staffel 2, Folge 2

30.06.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
True DetectiveHBO
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Eine Expositions-geladene Folge von True Detective schickt alle Beteiligten aus verschiedenen Gründen auf die Suche nach Ben Casperes Mörder und endet mit dem Schicksal eines Hauptdarstellers am seidenen Faden.

Die Auftaktfolge von True Detective brauchte fast eine ganze Stunde, um alle Hauptfiguren erstmals an einem Ort zu versammeln. Wer sind die Personen, mit denen wir neun Episoden verbringen werden, fragte The Western Book of the Dead. Night Finds You setzt diese Frage mit einer expositionslastigen Folge fort; ruft uns die Details der letzten Woche ins Gedächtnis und verteilt gestelzte Oneliner auf alle Charaktere, um das Rust Cohle-förmige Loch zu schließen ("It's like everything's papier-maché"). Leider gibt es Spannenderes als alte, weiße Männer, die uns erklären, was wir längst wissen sollten, wären wir nicht über den hypnotischen Bildern der kalifornischen Highways und Betonwüsten weggedöst. Doch dann reißt uns die Folge am Ende aus dem Halbschlaf mit dem ersten WTF-Moment der Staffel.

"You’re in the unenviable position of being owed money by a dead man."

Frank (Vince Vaughn) kann nicht schlafen. Der Tod Casperes hat ein großes Loch in seinen Geldbeutel gerissen. Sein gesamtes Vermögen, das Caspere in das Stück Land stecken sollte, auf dem die Zugstrecke gebaut werden würde, ist nun genau so fort wie die Augen und die Geschlechtsteile des City Managers. Außerdem hat Frank einen Wasserschaden im Haus. Ein schlechter Tag für einen Mann, der zum ersten Mal in seinem Leben eine weiße Weste anziehen wollte. In den frühen Morgenstunden liegt er grübelnd im Bett und erinnert sich an ein traumatisches Erlebnis in seiner Kindheit. Sein alkoholkranker Vater schloss ihn oft im Keller ein, wenn er auf eine seiner Sauftouren ging. Einmal kam er tagelang nicht zurück. Frank verlor in diesen Tagen allein und hungrig ein Stück seiner Unschuld. Als die Ratten kamen und ihn annagten, zertrümmerte er sie, bis nichts mehr von ihnen übrig blieb. Und wie bei dieser Anekdote, wird er auch die metaphorischen Ratten überleben, die ihn im Moment anknabbern. Er wird sein Geld wiederbekommen, auch wenn er dafür auf jemanden so lange einschlagen muss, bis nur noch Matsch übrig bleibt. Um den Mörder von Caspere zu finden und sein Geld wiederzuholen, hat er ja immer noch Ray Velcoro (Colin Farrell) als wichtigstes Instrument. Und auch der dubiose Bürgermeister von Vinci, Austin Chessani (Ritchie Coster), hat ein großes Interesse daran, die Ermittlungen überschaubar zu halten. Immerhin möchte er nicht, dass die Staatsanwaltschaft zu tief in den Abgrund von Vincis Korruptionsdschungel schaut.

Auf der anderen Seite stehen Antigone (Rachel McAdams) und der stoische Paul (Taylor Kitsch), der immer noch sein Motorrad vermisst. Sie handeln im Auftrag der Staatsanwaltschaft, die den Tod des Stadtmanagers als Chance sieht, endlich die zwielichtigen Machenschaften in Vinci zu ermitteln. Dieser Interessenkonflikt zwischen der Staatsanwaltschaft und Vinci (und somit Frank/Ray und Ani/Paul) ist es, der die Ermittlungen sicher noch weiter herauszögern wird und die Folge am Laufen hält.

Rays Privatleben bekommt einen weiteren Dämpfer, als seine Ex-Frau Alicia (Abigail Spencer) erfährt, was Ray dem Vater des Schulhofschlägers angetan hat. Auch wenn Chad nicht Rays leiblicher Sohn sein sollte, ist er doch alles, was ihm in seinem kaputten Leben noch bleibt. Jetzt, wo er das Sorgerecht zu verlieren droht und einen Vaterschaftstest fürchtet, zerbröckelt sein Leben noch mehr. "I had a son" sagt er später zu Antigone, und zu Frank: "The reasons for all this, all that, might not exist for me anymore". Doch Frank hat ihn immer noch in der Hand, da er einst die Leiche des Vergewaltigers von Rays Frau entsorgte. Er schickt ihn zu Casperes Zweitwohnsitz in Hollywood, um für ihn zu ermitteln.

Ray findet ein merkwürdiges Haus vor; Schallschutzwände, ausgestopfte Tierköpfe an den Wänden, Blut auf dem Fußboden, laute Musik und eine Kamera, die das Blutbad wahrscheinlich aufgenommen hat. Doch bevor er sich irgendeinen Reim darauf machen kann, greift ihn ein Mann mit einer Vogelmaske (!) an und schießt ihm mit einer Schrotflinte zwei Mal in den Körper (nicht in den Kopf wohlgemerkt). Hier endet die Folge und lässt uns über Rays Schicksal im Ungewissen.

"My strong suspicion is that we get the world we deserve"

Die Welt, in der die true detectives leben, ist eine verrohte, dreckige Welt, in der niemand etwas zu lachen hat. Die Stadt Vinci mit ihren 95 Einwohnern und den Millionen Tonnen an Giftmüll, die sie produziert, ist das perfekte Sinnbild dafür; eine Art Gotham City mit organisiertem Verbrechen, aber ohne Superhelden. Die Verschwörung in den obersten Rängen, die in Staffel eins nur angedeutet wurde, ist in Staffel zwei das zentrale Rätsel, welches es zu entwirren gilt. Dieses Rätsel und vor allem die Hintergrundgeschichten der Charaktere werden aber mit einem dermaßen großen Holzhammer bearbeitet, dass die Folge oft unnatürlich konstruiert wirkt.

Wir haben einen Psychologen (Rick Springfield), der uns ganz einfach die psychischen Probleme des City Managers ausbuchstabieren kann - wie praktisch! Auch den Vater von Antigone scheint er zu kennen, was die Polizistin dazu veranlasst, ihm einen kurzen Schwank aus ihrer Zeit in der Kommune "The Good People" zu erzählen. Die letzte Staffel hatte den Vorteil, dass die Geschichte 17 Jahre umspannte und sich die "Backstory" sozusagen vor unseren Augen entfaltete. Da sich Nic Pizzolatto diesmal gegen Rückblenden entschieden hat, schrammen seine Dialoge oft am "As You Know"-Stilmittel  entlang. Er hat sich viel vorgenommen für diese Staffel, vielleicht zu viel.

An anderen Stellen funktioniert diese Verankerung in der Gegenwart allerdings hervorragend. Wir wussten, dass Marty und Rust überleben würden, weil wir ihre Zukunft oft schon kannten. Ray, erschossen vom Vogelmann, bedeutet daher mehr. Er wird nicht von der Zeit beschützt, in der sich die Szene abspielt. Niemand ist sicher, jeder kann jederzeit sterben. Eins kann man True Detective lassen: Vorhersehbar ist es nicht.

Beobachtungen am Rande:

  • Ray zu Antigones E-Zigaretten: "Maybe it’s just a little too close to sucking a robot’s dick”
  • Pauls innere Zerrissenheit und Sexualität sind das einzige, was noch niemand offen angesprochen hat, was den Charakter gleich viel interessanter macht.
  • Colin Farrell steht bei den nächsten Folgen auf der Darstellerliste. Er überlebt also.
  • Ich sollte mal wieder Brügge sehen... und sterben? gucken.

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