Wes Andersons Isle of Dogs ist ein Anti-Disney-Film für Katzenhasser

15.02.2018 - 21:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Isle of Dogs: Ataris Reise
20th Century Fox
Isle of Dogs: Ataris Reise
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Mit einem Voice-Cast um Bryan Cranston und Scarlett Johansson entführt Wes Anderson in Isle of Dogs - Ataris Reise in eine animierte Dystopie, in der beinahe-knuddelige Vierbeiner Pfote-in-Pfote mit der Massenvernichtung gehen.

Man muss es Wes Anderson lassen: Einfach macht er es sich nicht mit seinen tierischen Abenteuern. Andere Animationsschmieden können gar nicht umhin, ihre Helden möglichst knuddelig-knuffig zu gestalten. Ob Pixar oder selbst Aardman Animations, und von Disney gar nicht zu reden: Das Runde, das Anschmiegsame, ob in Knete oder Pixeln, dient vielfach als Grundvoraussetzung, um das in die Kinderzimmer zu schmuggeln, was wir für gewöhnlich "ernste Themen" nennen. Nicht so bei Der fantastische Mr. Fox und nun Wes Andersons neuem Film Isle of Dogs - Ataris Reise, der bei der Berlinale 2018 Weltpremiere feiert. Eine ganze japanische Insel wird hier von Hunden aller Couleur bevölkert mit eingängigen Namen wie Spots, Chief und Rex. Große Augen haben sie, zugegeben, und ihr Fell flattert wuschelig im Wind. Kratzig sehen ihre Haare aber auch aus, wie einzeln mit der Pinzette hineingesteckt in die künstliche Haut, die eine gewisse Härte aufweist. Stellt man sich vor, Spots hinter den Ohren zu kraulen, dann scheuert sich im Geiste die Haut auf. Was wohl ein treffendes Bild ist für Isle of Dogs.

Isle of Dogs ist ein Animationsfilm über eine faschistische Zukunft

Gleich am Anfang ist die Rede davon auf der Müllinsel eines Japans aus der Zukunft, einer der Hunde habe sich das Leben genommen. Aufgehangen an der eigenen Leine habe er sich. Aufgegeben. Wie auch nicht aufgeben im Schrott-Gefängnis, das von den Menschen vor langer Zeit verlassen wurde? Nun dient es den Deportierten (ein Begriff explizit aus dem Film, der seine Begrifflichkeiten mit Einblendungen in Englisch und Japanisch wahnsinnig ernst nimmt) auf vier Beinen als erzwungenes Heim, während der Bürgermeister Kobayashi (Kunichi Nomura) heimlich die vollständige Vernichtung der Hunde plant. Es ist eine Zukunftsvision mit klaren faschistoiden Zügen, inklusive Citizen Kane-Megalomanie bei Kobayashis Rede und Massen von Fanatikern im Publikum, deren Stirnbänder Anti-Hunde-Parolen tragen. Währenddessen überleben die Hunde auf der Insel durch madige Reste, vergessen von ihren verblendeten Herrchen. Ausgerechnet ein in seinem Käfig erbärmlich Verhungerter, der nur noch aus einem Gerippe mit Halsband besteht, wird im Verlauf des Films für größere Erleichterung bei unserem kleinen menschlichen Helden Atari (Koyu Rankin) sorgen. So ein Film ist Isle of Dogs nämlich.

Isle of Dogs - Ataris Reise

Atari ist fest entschlossen, und das sei nicht so dahingesagt. Ein ernster Junge und echter Wes Anderson-Held in seiner bis in die Aminosäuren reichenden Entschlossenheit, sucht er auf der Insel Spots (Liev Schreiber), seinen Bodyguard-Hund. Der wurde als erster Opfer der Hasskampagne Kobayashis. Unterwegs werden ihm Hunde behilflich sein, wird sich eine Freundschaft mit dem Streuner Chief (Bryan Cranston) entfalten, der noch nie ein Herrchen kannte, und Kannibalen und Killer-Drohnen werden ebenfalls eine Rolle spielen in Isle of Dogs. Wie ein Schneeball, der von der Spitze herabrollt, sammelt das Drehbuch von Wes Anderson im Verlauf der Spielzeit Figuren an, bis am Ende eine pelzige Lawine übrig bleibt, die sich jeder Übersicht verwehrt.

Je weniger Menschen in Isle of Dogs vorkommen, desto besser

Die Kläffer (ich bin hier nur noch auf der Suche nach Synonymen) ragen dabei heraus, und das nicht nur, weil sie verständliche Sprechrollen haben. Per Design sprechen die Hunde Englisch, die Japaner nur sporadisch übersetztes Japanisch; ein sinniges Konzept eigentlich, das Kobayashis Ausgrenzungsversuche für englischsprachige Zuschauer konterkariert. Das, was als fremd gezeichnet wird, um den Hass zu schüren, liegt durch das sprachliche Verständnis automatisch näher. Wie der Film bei Japanisch sprechenden Zuschauern aufgenommen wird, wäre hingegen eine Untersuchung wert. Jedenfalls ergibt diese Grundidee solange Sinn, bis eine amerikanische Rettergestalt mit Amnesty International-Maßen in die Handlung eingreift, die, von Greta Gerwig gesprochen, ihre japanischen Schulkameraden über die ungerechte Behandlung von Bello und Co. aufklärt. Schon jetzt eine der enervierendsten Figuren des Kinojahres, und es ist doch erst Februar!

Isle of Dogs - Ataris Reise

Die Hunde liegen einem automatisch näher am Herzen als die Zweibeiner, auch dank der wächsernen Haut der Stop-Motion-Menschen, die der Hauch der Leichenstarre umgibt. Dann doch lieber die Steiff-Tiere von 1880. Die einzigen Wesen, die in Isle of Dogs noch unhandlicher aussehen, sind natürlich die Katzen, Wappentiere des Hauses Kobayashis. Selbst die Ratten der Müllinsel kriegen mehr Großaufnahmen als die Katzen des Films, die immer missmutig dreinblicken und davonrasen, sobald irgendwas Interessantes passiert. So unrealistisch ist der neue Wes Anderson-Film also nicht. Der auf Kontroverse brennende Kritiker würde nun ergänzen, dass der Film sich selbst ein argumentatives Bein stellt, in dem er die Ausgrenzung der Hunde anprangert und gleichzeitig ganz ähnlich mit den Katzen verfährt.

Für tatsächliche Kontroversen könnte in Isle of Dogs dafür der Umgang mit der japanischen Kultur sorgen, die vom Sumo-Ringer bis zum filetierten rohen Fisch abgehakt wird und das in einem manischen Komplettierungswahn, vom oben erwähnten sprachlichen Konzept ganz zu schweigen. Und wer sich weit aus dem Fenster hängen mag, kann sein interpretatorisches Garn über die japanisch-amerikanischen Beziehung nach dem Weltkrieg spinnen und den aufbrandenden Nationalismus unter Shinzo Abe und Donald Trump. Thematisch bildet Isle of Dogs eine Weiterführung im Geiste von Grand Budapest Hotel. Diesem lag die Wehmut des Stefan Zweig zugrunde, der am Exil zerbrochen ist. In Isle of Dogs geht der Kampf für die Rückkehr weiter. Durchaus optimistisch, nur eben nicht verblendet in seiner Hoffnung auf ein Happy End. Vielleicht bin ich aber nur froh, mal wieder einen amerikanischen Animationsfilm zu sehen, der mich nicht mit einem Gummitierdesign für sich gewinnen will.

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