Wentworth ist die ideale Alternative für Orange Is the New Black-Fans

13.07.2017 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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Blau ist das neue Orange: Die australische Frauenknast-Serie Wentworth läuft bereits seit fünf Staffeln. Ein Grund, euch dieses bisher eher unbekannte Serien-Highlight ans Herz zu legen.

Das Jahr 2013 war das große Jahr für Fans von Frauenknast-Serien. Während der Streaming-Anbieter Netflix mit seiner Eigenproduktion Orange Is the New Black von Weeds-Schöpferin Jenji Kohan einen globalen Erfolg vorlegte, startete auf dem australischen TV-Sender SoHo ebenfalls eine Serie, die sich um eine Gruppe Frauen im Gefängnis dreht: Wentworth. Durch Zufall bin ich damals auf die diese kleine Serien-Perle vom anderen Ende der Welt gestoßen, als die 1. Staffel in Großbritannien auf DVD veröffentlicht wurde. Als Geheimtipp geltend, wollte ich mal schauen, ob diese Serie dem Top-Player Orange Is The New Black das Wasser reichen kann. Und ich muss sagen, im Laufe der mittlerweile fünf Staffeln ist Wentworth zu meiner absoluten Lieblings-Serie avanciert und sollte von keinem Fan der Netflix-Gang um Piper und Co. verpasst werden.

In diesem Knast sind nicht nur die Insassinnen die Gefangenen

Die Serie beginnt mit der Ankunft Bea Smiths (Danielle Cormack) in der Wentworth Justizvollzugsanstalt. Ihr wird vorgeworfen, ihren Ehemann bei einem Streit umgebracht zu haben. Und während sie auf ihren Prozess wartet, lernt sie sich in das Leben im Gefängnis einzufügen. Dabei muss sie hilflos mit ansehen, wie ihre Tochter außerhalb der Gefängnismauern psychisch zerfällt. In Wentworth lauert die Gefahr in allen Ecken. Hier wird der Alltag von Drogen, Verrat, Manipulation und Gewalt beherrscht und menschliche Nähe und Zuneigung sind ein wertvolles Gut. Mit der Ankunft der neuen Anstaltsleiterin Joan "The Freak" Ferguson (Pamela Rabe) tritt einer der intensivsten und gefährlichsten Serien-Bösewichte auf den Plan. Mit ihrer verqueren Weltanschauung manipuliert, bedroht und tötet sie, um die Rädchen des Knast-Gefüges zu ihren Gunsten am Laufen zu halten.

Die Hauptfiguren aus Block H

Besonders die starken Frauenfiguren sind es, die Wentworth zu einem Highlight machen. Trotz der schlimmen Dinge, die sie bereit sind zu tun, wachsen einem die Damen aus dem Zellenblock H schnell an Herz und ihre liebevollen Freundschaften zueinander sind ein wichtiger Kontrast zu den dramatischen Ereignissen. Von Drogensucht, Schmuggel, Machtkämpfen und Verrat hin zu Liebe, Freundschaft und Rückhalt wird das ganze Spektrum an Themen, mit denen Frauen in Gefängnissen zu kämpfen haben, an den Figuren aufgezeigt. Beispielsweise hat die Wärterin Vera Bennett mit den Folgen einer Hepatitis-C-Infizierung durch eine Spritzen-Attacke zu kämpfen, was zu einer fundamentalen Umstellung ihres Vertrauens in die inhaftierten Frauen führt.

Die Mutter aller Knast-Serien

In Australien ist Wentworth ein Hit und räumt dort regelmäßig renommierte Fernsehpreise ab. Die Geschehnisse im und um das Wentworth-Frauengefängnis in Melbourne sind jedoch keine Neuerfindung. Tatsächlich handelt es sich bei Wentworth um ein Reboot und eine Neuinterpretation der australischen Seifenopfer Prisoner: Cell Block H, die von 1979 bis 1986 ein großer Hit war und als Mutter aller Frauenknast-Serien gelten kann. Prisoner, selbst inspiriert von der britischen Serie Within These Wall (1974 bis 1978), erstreckte sich über 692 Episoden und diente als Vorlage der bekanntesten deutschen Gefängnisserie. Die australische Produktionsfirma Grundy verkaufte das Konzept 1997 nach Deutschland, wo die Handlung mit neuen Figuren in die Berliner Justizvollzugsanstalt Reutlitz verlegt wurde und unter dem Titel Hinter Gittern - Der Frauenknast zu einem großen Erfolg für den TV-Sender RTL wurde.

Franky Doyle

Wentworth ist jedoch kein Remake im klassischen Sinne. Die Handlung sowie viele Figuren aus dem Original werden in die heutige Zeit verfrachtet und in einen neuen Kontext gestellt. So erzählen die frühen Staffeln den Aufstieg der unschuldig inhaftierten Bea Smith, die versucht, sich von den brutalen Geschehnissen im Gefängnis zu distanzieren, hin zum erbarmungslosen Top Dog und zur Anführerin der Frauen. Wie schon die Original-Serie wurde auch Wentworth bereits in Deutschland (und auch Holland) adaptiert. Unter dem Titel Block B - Unter Arrest mit Katrin Sass als böse Anführerin wurde 2015 die Vorlage fast eins zu eins kopiert. Selbst die Episodentitel wurde übernommen. Für Wentworth-Fans bot die Serie somit leider nichts Neues, doch Neueinsteiger erwartete eine spannende und wendungsreiche Serie, die sich nicht nur optisch durch eine überstilisierte Inszenierung aus dem deutschen Serien-Einheitsbrei hervor tat. Leider wurde Block B nach nur einer Staffel abgesetzt.

Blue Is The New Orange

Die beiden Serien Wentworth und Orange Is The New Black abwechselnd zu schauen, kann teilweise zu echter Verwirrung führen. Denn viele der Hauptfiguren der beiden Knast-Ensembles weisen nicht nur äußerliche Ähnlichkeiten auf, sondern haben auch ähnliche Handlungsverläufe. So gibt es beispielsweise eine Insassin, die während der Inhaftierung schwanger wird, eine transsexuelle Insassin und natürlich die obligatorische bullige Butch-Lesbe, die lüstern auf Frischfleisch wartet. An der Oberfläche kann man die beiden Serien jedoch zumindest an der Farbe der Häftlingskleidung unterscheiden. Während die Frauen in Litchfield orange und braune Kleidung tragen, sind die Frauen in Wentworth komplett in Blau gekleidet. Hier hören die Gemeinsamkeiten eigentlich auch schon auf. Während in der Netflix-Serie eher die Comedy und die überzeichneten Figuren im Vordergrund stehen, regiert in Wentworth das Drama.

Freak wird zum Biest

Die Grundstimmung im australischen Gefängnis ist düster und realistisch hart. Hier ist das allzeit regierende Thema der tägliche Überlebenskampf nicht mit einem selbstgebauten Messer im Hals zu verenden. Das ist ein grundsätzlicher Unterschied zu Orange Is The New Black, wo das Thema Hoffnung eine große Rolle spielt. Die Litchfield-Frauen versuchen ihren Alltag zu gestalten, während sie auf ihre Entlassung hoffen. Doch Wentworth beraubt seine Insassinnen ziemlich schnell der Illusion der Hoffnung. Immer wieder wird dem Publikum vor Augen geführt, dass der einzige Weg aus dem Knast in einem schwarzen Sack endet. Ein weiterer Unterschied der beiden Serien ist die dramaturgische Ausrichtung. Wentworth wird viel stärker durch treibende und wendungsreiche Handlungsstränge voran getragen, während Orange Is The New Black durch das Figuren-Ensemble angetrieben wird.

Wie Wentworth mit den Sehgewohnheiten bricht

Achtung großer Spoiler zum Ende der 4. Staffel. Eine interessante Entwicklung, die Orange Is The New Black im Laufe der Serie aufzuweisen hat, ist die Abkehr vom Protagonisten. Während Piper Chapman in der 1. Staffel noch als Hauptfigur gemeinsam mit den Zuschauer die Welt des Gefängnisses kennenlernt, verschwindet sie in folgenden Staffeln immer mehr im Hintergrund und die Serie entwickelt sich zu einem vollständigen Ensemble-Stück. In Wentworth sind die Fronten einfacher geklärt. Wir verfolgen Bea Smiths Aufstieg zur Spitze der Hackordnung und ihren Machtkampf mit der intriganten Leiterin Ferguson. Doch dann kommt das Staffelfinale der 4. Staffel und stellt das Konzept der Serie fundamental auf den Kopf. In einem letzten verzweifelten Versuch ihre Erzfeindin Ferguson für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen, sieht Bea keinen anderen Ausweg als sich vor den Sicherheitskameras töten zu lassen. Das extrem dramatische Ereignis ließ bestimmt nicht nur meine Kinnlade nach unten fallen. Der Schock saß tief. Wo soll denn die Serie hin, ohne seine Protagonistin, ohne Top Dog? Wer zur neuen Leitfigur aufsteigt, stellt sich ziemlich früh in der 5. Staffel heraus. Ohne seine Heldin ist der Verlust in jeder Szene zu spüren und wird zur treibenden Kraft der folgenden Handlung. Wie es Ferguson, mittlerweile selbst als Insassin, schafft dem Zorn der trauernden und nach Rache durstenden Frauen zu entkommen, wird zu einem zentralen Thema der 5. Staffel. Von Folge zu Folge schafft es Wentworth mit schockierenderen Twists und einem ständigen Worst Case für die Figuren die Zuschauer vor den Bildschirmen zu fesseln.

Das Ende keiner Freundschaft

Die zwei Seiten einer Medaille

Warum möchte ich euch also Wentworth ans Herz legen? Als großer Fan von Wentworth und auch Orange Is The New Black finde ich, dass sich beide Serien zwar sehr stark ähneln, aber dennoch grundverschieden im Ton sind. Im selben Jahr gestartet und beide fünf Staffeln umfassend, bilden die zwei Serien die perfekte Symbiose. Fehlt mir bei OITNB manchmal ein wenig Dramatik, gleicht Wentworth dies mit Thriller-ähnlichen Plot-Twists und Härte wieder aus. Umgekehrt bietet die Netflix-Produktion eine leichtgängige Lebensfreude und Spaß, die den Figuren in Wentworth bei all der Dramatik manchmal fehlt. Packen wir diese beiden Serien zusammen, haben wir ein realistischeres Abbild des Gefängnislebens, als in jeder Serie für sich. Genau wie Orange Is The New Black bietet Wentworth eine Plattform für starke und beeindruckende Frauenrollen und sollte von keinem Serien-Fan verpasst werden.

Habt ihr Wentworth schon gesehen?

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