Was mich an der modernen Spielkultur nervt

15.05.2015 - 11:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Grand Theft Auto V
Rockstar Games
Grand Theft Auto V
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Unsere Spielkultur verändert sich ständig: Neue Technologien, neue Entwicklerstudios und neue Meilensteine verändern fast jährlich, was wir spielen und wie wir spielen. Doch mit der Veränderung sind auch neue Probleme entstanden, die höllisch nerven.

Jedes Mal, wenn wir den Controller in die Hand nehmen oder unsere Finger über den magischen Tasten W, A, S und D schweben lassen, erklären wir uns dazu bereit, Zeit zu investieren. Zeit ist das kostbarste Gut, über das wir verfügen: Mit einer ausreichenden Menge davon können wir alle Sprachen der Welt lernen, die Kampftechniken eines Bruce Lee verinnerlichen, dringend benötigte Dinge erfinden oder einfach nur leckeres Essen in uns schaufeln. Aber nein: Die meisten, die diesen Text lesen, haben Videospiele als eines ihrer wichtigsten Hobbies erwählt und ziehen aus anderen Bereichen ihres Lebens Zeit ab, um sie dafür in die virtuellen Welten zu investieren.

Und wie verdammt nervig es ist, wenn sich diese Zeit anschließend nicht gelohnt hat.

Videospiele sind ein wunderbarer Zeitvertreib und gleichzeitig noch viel mehr als das und nichts macht uns am anderen Ende des Monitors wütender, wenn wir auf kleine Problemchen verschiedener Natur stoßen, die uns von dem ultimativen Spaß-Orgasmus abhalten. Nostalgische Verklärung verlangt von mir zu behaupten, dass es heute weitaus mehr dieser Probleme gibt als früher, doch wahrscheinlicher ist es, dass die moderne Spielkultur an ähnlich vielen, nur eben anderen Krankheiten leidet als früher. So oder so, wie der Franzose sagen würde, bleibt am Ende des Tages die Zornesfalte meterdick in unserer Stirn zurück und folgende Phänomene tragen meist die Schuld daran.

Vorbesteller-Boni

Den Anfang macht ein trauriger Höhepunkt: Vorbesteller-Boni sind das Urgestein des "Ich bin der bessere Hardcore-Fan als du"-Gedanken und lassen euch viel zu oft zähneknirschend die Kampfarena betreten, wenn euer Gegenüber schon vor acht Monaten Mortal Kombat X  vorbestellt hat und euch mit Goro den Kiefer achtfach ausrenkt. Ihr kennt das Move-Set des Ungeheuers nicht? Nicht das Problem der Entwickler, Balancing ist schließlich nicht Bestandteil der Vorbesteller-Boni.

Exklusives Backenfutter

Diese ungleich ausgerichtete Waage kann übrigens auch in das andere Spielspaß-Extrem ausschlagen: Ich erinnere mich zurück an Dragon Age: Origins , als ich in der Spielpackung einen Code entdeckte, der mir ein exklusives Rüstungsset zur Verfügung stellte. Wenige Minuten später stellte sich mein Held brav nach Storyline als "arm, mittellos und fremd in einer eigenartigen Welt" vor, während sein Körper von einer zehnfach verchromten Edelstahlrüstung inklusiver niedlicher Drachenbilder auf der Brust bedeckt war. Hach, ja.

Downloadable Contents (DLCs)

Eines möchte ich betonen: Kopf- und sinnloses DLC-Bashing ist falsch und unfair. Immer wieder schmeißen uns Entwickler kostenpflichtige Erweiterungen entgegen, die sehr viel Spaß machen und das Hauptspiel sinnvoll erweitern (ja, ich schaue euch an, Assassin's Creed: Liberation  und The Last of Us: Left Behind ). Andere Entwickler hingegen scheinen allzu schamlosen Gebrauch von der entgeltlichen Spielerweiterung zu machen. Mein liebstes Vorzeigebeispiel für den fast wöchentlichen DLC-Zuschlag ist Total War: Rome II . Fast unmittelbar nach Release des (zu diesem Zeitpunkt fast unspielbaren) Hauptspiels schlugen bereits die ersten freischaltbaren Zusatzvölker und Extra-Einheiten im Steam Shop auf. Das gleiche Phänomen wiederholte sich auch beim Nachfolger Total War: Attila . Der spielbare Völkerumfang ist von Beginn an mager, während vorhersehbare Community-Lieblinge wie die Pikten oder Spartaner nur gegen einen Aufpreis ins Inventar hüpfen.

Wahnsinn? DAS IST ROME!

Ja, ich weiß: Niemand zwingt mich, diese DLCs zu kaufen. Gleichzeitig ist es unglaublich unbefriedigend, zwei Dutzend dieser Erweiterungen bei jedem Spielstart ins Gesicht gedrückt zu bekommen und dabei immer stärker das Gefühl zu haben, irgendetwas zu verpassen!

Social Media

Als Kind war die Welt noch einfach: "Lass uns gemeinsam spielen!" bedeutete, dass ich Pokemon Stadium  in den Rucksack packte, zu meinem Kumpel radelte und mit ihm gemeinsam den Nachmittag vor dem Nintendo 64 verbrachte. Heute sieht das alles ein wenig anders aus. "Lass uns gemeinsam spielen!" ruft man sich zu, doch statt sich zu treffen, verziehen wir uns in den meisten Fällen jeweils vor unsere eigenen Konsolen, sprechen im Party-Chat miteinander und spielen im Squad, statt gemeinsam auf einer Couch. Couch-Koop ist altmodisch geworden.

Doch auch wenn ich mich nicht mit jemandem verabredet habe, spähen mich hartnäckige Bekannte online aus: Dank Freundeslisten und Live-Feed sieht mein digitaler Freundeskreis, welches Spiel ich wann, wie lange und wie gut gespielt habe. Schon prasseln die Einladungen auf mich ein. Ignorieren macht keinen Sinn und wenn ich dann doch umständlich via Gamepad eine Absage tippe, lasse ich gesenkte Köpfe und geknickte Gefühle zurück. Das, liebe Industrie, ist alles andere als "social"!

Rants, Hass und Hate-Kultur

Doch all diese Dinge, die nur eine kleine, subjektive Auswahl aus einem riesigen Pool voller nerviger Störfaktoren darstellen, werden in meinen Augen nur von einer Eigenheit übertrumpft, die vor allem innerhalb der modernen Spielkultur einen fruchtbaren Nährboden gefunden hat: Rants, ausformulierter Hass und eine etablierte Hate-Kultur, die sich regelmäßig in Form aufgeregter Blogposts, Kommentare oder Kolumnen über Spiele, Spieler und Entwickler lustig machen. Auch dieser Artikel gehört dazu.


Videospiele sind ein wunderbares Hobby, ich selbst kann mir kaum eine bessere Möglichkeit vorstellen, meine Freizeit zu verbringen: Sie schenken uns Magic Moments, unvergessliche Abenteuer und verlangen von uns nur ein bisschen unserer Zeit. Statt unsere Energie und Kreativität in das leidenschaftliche Verurteilen zu stecken, sollten wir uns häufiger an die schönen Seiten unseres gemeinsamen, liebsten Zeitvertreibs erinnern:

"Ich will das nicht mehr, ich will doch nicht viel, alles was ich will, ist wieder Spaß am Spiel."

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