Warum Physik im Actionfilm keine Rolle spielen muss

27.09.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Stirb langsam 4.0
20th Century Fox
Stirb langsam 4.0
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Die kleinsten Autos lösen die größten Explosionen aus. Die tiefsten Stürze hinterlassen keine Kratzer und in jedem Actionhelden steckt ein Teilchen Bruce Willis aus Unbreakable. Im Actionfilm sind physikalische Gesetze nicht erwünscht. Zurecht?

Guilty Pleasures hat jeder. Während die einen gerne Soap-Operas gucken, lieben die anderen handlungsarme Actionfilme von der stereotypen Sorte mit coolen One-Linern und physikalischen Gesetzen, die irgendeinem unbekannten Universum entspringen müssen. Doch eine Aufregung um Explosionen, Stunts und andere Zerstörungs-Orgien, die sich in der Realität sicherlich ganz anders zugetragen hätten, halte ich für unnötig. Der überspitzte Actionfilm darf in bester Genre-Manier dem unzerstörbaren Helden frönen, große Feuer legen und sich der eskapistischen Unterhaltung verschreiben.

Der Physik immer einen Schritt voraus
Ein gut gekleideter Mann rast auf seinem Motorrad auf den Abgrund zu und springt samt Maschine ungesichert und ohne Fallschirm über die Klippe. Sein Ziel ist ein Flugzeug, das ohne Pilot auf den Boden zusteuert. Ein jeder Filmfan kennt diese Szene, und zum Glück handelt es sich bei diesem stattlichen Herren um Pierce Brosnan in seiner Rolle als James Bond in James Bond 007 – GoldenEye. Der Dortmunder Experimentalphysiker Metin Tolan hat jedoch berechnet, dass Bond in dieser Szene gut 20 Mal stromlinienförmiger sein müsse, um diesen Stunt zumindest in der Theorie vollbringen zu können.

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Auch John McClane ist nicht der größte Freund physikalischer Gesetze. Nehmen wir beispielsweise einen der unterhaltsamsten Actionfilme aller Zeiten, nämlich Stirb langsam aus dem Jahr 1988. Bruce Willis kann sich nach einem 13-Meter-Fall im Liftschacht ohne unangenehme Begleiterscheinungen wieder am Rand festhalten. Laut dem Wiener Astrophysiker Heinz Oberhummer würde dies dem selben Kraftaufwand entsprechen, wie ein Passagierflugzeug mit einem Finger hochzuheben.

Was könnte klappen und was ist unmöglich?
Dies soll natürlich kein Aufruf sein zur völligen Missachtung der physikalischen Gesetze, denn irgendwo muss die Grenze zwischen dem Universum des Actionfilms und der Welt des Fantasy-Spektakels liegen. Filme mit utopischen Physik-Gesetzen, die sich selbst zu ernst nehmen, können auch schnell peinlichen werden. Doch anstatt sich über legendäre Fehlschläge auszulassen, tut es jedem gut, echte Experten zu Rate zu ziehen. Die zwei Herren der Video-Reihe Reel Physics haben bereits zahlreiche, epische Actionszenen untersucht, die abwechselnd entgegen jeder Erwartung (zumindest theoretisch nach etlicher Formelspielerei) plausibel sind oder dann doch eben komplette Fehlschläge unwissender Autoren. Leider kann der Laie, ich eingeschlossen, das eine meist nicht vom anderen unterscheiden. Es tut wohl jedem gut daran, hier noch einmal die Schulbank zu drücken und sich die Unmöglichkeiten des Um-die-Kurve-Schießens in Wanted, des Tunnels durch die Erde in Total Recall, bis hin zum völlig unnötigen Kühlschrank-Flug in Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels erklären zu lassen.

Doch hättet ihr den aberwitzigen Panzerflug in der neuen Das A-Team – Verfilmung von Liam Neeson & Co. für möglich gehalten? Und dachtet ihr auch, dass der Truck in The Dark Knight wohl kaum so beeindruckend und schnurgerade vorne überkippen könnte? Diese Stunts und CGI-Bombasten sind jedoch ebenso physikalisch erklärbar, wie der Auto-Helikopter-Crash in Stirb langsam 4.0, der auch tatsächlich als realer Stunt am Set ausgeführt wurde.

Physik spielt natürlich so wie in jedem Film auch in diesen Actionfilmen immer eine Rolle, da die physikalischen Gesetze unsere Welt formen, wie wir sie verstehen. Doch der Actionfilm muss, um einer zu sein, Action bieten können. In Zeiten von CGI-Exzessen wird diese gerne stets ein Stückchen weiter über die Grenzen des Möglichen hinausgeschoben, um das meist junge, männliche Publikum bei der Stange zu halten, etwas Neues bieten zu können und Wiedererkennungswert zu produzieren.

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