Und in welchen Film habt ihr euch zuerst verliebt?

15.06.2013 - 08:52 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Love hit me like an elephant and I was thrown into a jungle of dreams.
moviepilot/Warner Bros.
Love hit me like an elephant and I was thrown into a jungle of dreams.
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Irgendwann sieht man ihn, den wundervollsten Film überhaupt. Den Film, der die Liebe fürs Kino erst richtig entfacht. Für die Autorin des Kommentars der Woche ist dies Arizona Dream. Emir Kusturicas einziger amerikanischer Film voller Schildkröten, Fische, Johnny Depp und dem letzten großen Auftritt von Jerry Lewis.

Im Kommentar der Woche möchten wir jede Woche eure Kommentare auf der Bühne moviepilots feiern. Die Voraussetzungen dafür können beinahe alle Kommentare erfüllen, ob frecher Einzeiler, ausführliche Analyse oder eine ergreifende Liebeserklärung wie diese Woche: Wenn euch ein Kommentar besonders gut gefallen hat, schreibt mir einfach eine Nachricht.

Der Kommentar der Woche
Heute machen wir einen tiefen Knicks vor ihrer Majestät, der QueenOfEverything und ihrer Liebeserklärung an ihre erste große Filmliebe Arizona Dream, die immer etwas ganz Besonderes sein wird:

Arizona Dream – meine erste Liebe
»Warnung: Weder objektiv, noch cineastisch wertvoll oder frei von Informationen, die eigentlich niemand haben wollte.«

Manche Filme sind Meilensteine. Vielleicht nicht für die Geschichte des Films – aber für die Filmgeschichte deines Lebens. Für mich ist Arizona Dream so ein Meilenstein.

Jeder, der Filme ein bisschen mehr liebt und für den Filme ein bisschen mehr sind als pure Unterhaltung, hat sich irgendwann mal von den altbekannten, ausgetrampelten Pfaden der Massenware gewagt. Oder er ist nur mal kurz stehen geblieben, hat sich die Gegend angeguckt, den Anschluss an die Gruppe verloren und ist dann aus Versehen alleine auf dem etwas holprigeren Pfad gelandet. Letzteres ist mir passiert.

Irgendwann Mitte der Neunziger entdeckte ich in der Fernsehzeitung einen Film namens Arizona Dream und beschloss, den unbedingt sehen zu müssen. Keine Ahnung worum es geht, aber Johnny Depp spielt mit. Ich war damals ungefähr 14 und hatte eine ausgewachsene, inzwischen wieder raus gewachsene, Voll-Süß-Zuneigung zu Herrn Depp. Da der Film, wie bei solchen Filmen meist üblich, irgendwann wochentags mitten in der Nacht auf irgendeinem Öffentlich-Rechtlichem lief, wurde also der Videorekorder programmiert und ab ins Bett. Am nächsten Tag nach der Schule (aber vor den Hausaufgaben, muhaha…) saß ich dann in freudiger Erwartung vor dem großen Röhrenfernseher und freute mich auf „21 Jump Street – Der Film“.

Was ich bekam: Johnny Depp, der zwar immer noch voll süß war, aber plötzlich Fische zählte und Hühnergeräusche machte. Einen kauzigen, alten, Grimassen schneidenden Mann, der Cadillacs bis zum Mond stapelt. Eine eigenartige Frau, die mit einem Handtuch auf dem Kopf Akkordeon für ihre Schildkröten spielt. Einen Typen, der mir aus einer Calvin Klein-Werbung irgendwie bekannt vorkam, der sich auf eine Bühne stellt, sich dann auf den Boden wirft und behauptet, das sei große Kunst.

Niemals zuvor hatte ich etwas dermaßen augenscheinlich Beklopptes gesehen. Und verstehen mochte das auch wer will. Aber irgendwie war Arizona Dream so viel betörender als alles andere, was ich damals so unter Film verstand. Während es sonst nur immer darum ging, dass entweder ein mutiger Held die ganze Welt vor dem sicheren Untergang rettet oder ein Loser ein schönes Mädchen kriegen wollte, ging es hier um… naja, worum es genau ging, wusste ich nicht, aber bestimmt war es wahnsinnig tiefsinnig. Es ging ums Träumen. Und um Fische. Und Schildkröten. Und dass Fische und Schildkröten nicht dasselbe träumen. Oder so. Ich glaube, ich muss den Film damals für die nächsten Wochen fast täglich geguckt haben – jedenfalls deutet die Bildqualität der heute noch vorhandenen VHS darauf hin. Und jedes Mal wuchs mir Arizona Dream mehr an mein 14 Jahre junges Herz – und zwar bis in die Tiefen meines Herzens, in die jemand wie der voll süße Johnny Depp nie hingekommen wäre. Meine erste Liebe war absurd, skurril, verspult, lustig, traurig, assoziativ, poetisch, einfach wunderschön. Begleitet von einer Filmmusik, die mir heute noch direkt unter die Haut geht.

Ich möchte hier gar nicht so sehr auf den Inhalt des Films eingehen und zu einem objektiven, analytischen Kommentar wäre ich wegen Befangenheit gar nicht fähig. Und vielleicht würde ich, wenn ich ihn heute zum ersten Mal sehen würde, mit Arizona Dream weniger unkritisch ins Gericht gehen. Doch ich werde diesen Film immer lieben, weil er mich Herzblut hat lecken lassen. Er hat mir die Tür zu Filmen abseits des Gradlinigen geöffnet, mir den Spaß am erstmal nicht verstehen sondern nur fasziniert sein näher gebracht. Plötzlich wollte ich wissen, was es außerhalb des McDonalds-Filmheftchens noch so gab. Filme, deren Hauptdarsteller noch nie in der Bravo waren, hatten auf einmal eine Chance. Ich sage nicht, dass mich das zu einem Arthouse-Junkie gemacht hätte, oder dass ich ab da keinem Hollywood-Millionen-Blockbuster mehr was abgewinnen konnte. Und bestimmt bin ich nicht mal ansatzweise eine große Filmkennerin, noch eine Fachfrau für den anspruchsvollen kaukasischen Kunstfilm oder Vergleichbares. Ich behaupte auch nicht, Arizona Dream sei der künstlerisch wertvollste, großartigste Film aller Zeiten. Doch er hat mich geprägt und ohne ihn würde ich heute vielleicht nur für 3D-Filme von James Cameron oder für RomComs mit Jennifer Aniston ins Kino gehen – wer weiß?

Für alle, die sich tapfer durch meine Jugenderinnerungen bis hier hin gelesen haben: Ich bin mir der Unsachlichkeit und sentimentalen Überwürzung dieses kleinen Berichts absolut bewusst. Und vielleicht findet ihr, dass Arizona Dream kein Film ist, dem man eine Liebeserklärung schreiben muss. Aber ich bin sicher, dass jeder von Euch irgendwann mal einen Film gesehen hat, nach dem ihr jeden darauf folgenden Film mit anderen Augen gesehen habt, der irgendeinen Schalter bei Euch umgelegt hat. Und bei mir war es eben dieser. Vielen Dank, Emir Kusturica, die erste Liebe vergeht nie.

Den Kommentar findet ihr übrigens hier.

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