Traurig, aber wahr - Pride & der homophobe DVD-Verleih

10.01.2015 - 10:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Ben Schnetzer in PrideSenator
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Sowohl der Streifen Pride als auch dieser Aufreger basieren auf wahren Begebenheiten. Ein offensichtlich homophober US-Verleih hat von der DVD-Hülle des Films Pride alles wegretuschiert, das auf das Hauptthema des Films hinweisen könnte: Homosexualität.

Es könnte ein schlechter Scherz oder einfach nur Dummheit sein, aber ich befürchte, das Problem liegt viel tiefer verwurzelt. In unserer Geschichte, unseren Traditionen, unseren bornierten Köpfen und unserer Gesellschaft. Die (Achtung, Spoiler!) eine sehr homophobe ist, um das gleich vorweg zu nehmen. Das scheint die einzig plausible Erklärung für das zu sein, was sich ein US-Verleih kürzlich geleistet hat. Denn der Verleih hielt es offensichtlich aus Gründen für sinnvoll, vom Cover des Schwulen- und Lesben-Aktivisten-Films Pride alles verschwinden zu lassen, dass auf Homosexualität hinweisen könnte. Das fängt beim Text (der eigentlich offiziellen Synopsis ) auf der Rückseite an und hört beim Bild nicht auf.

PRIDE

Was sich dahinter letzten Endes wirklich verbirgt, wer sich das ausgedacht hat, und vor allem, warum - das bleibt wahrscheinlich das Geheimnis desjenigen, der sich mit Anlauf und Kopf voraus in dieses Fettnäpfchen (eher eine Fett-Badewanne) geworfen hat. Ich schreibe hier bewusst "desjenigen", weil ich fest davon überzeugt bin, dass diesen Riesen-Haufen - mit Verlaub - Scheiße ein Mann verzapft hat. Warum ich das glaube? Nennt es einfach männliche Intuition. Ich werde ihn im Folgenden jeweils immer als Mann voraussetzen. Wir können nur mutmaßen, was diesen hypothetischen Herrn dazu bewegt haben mag und genau das werde ich tun.

[Anknüpfend an das Konzept des situierten Wissens  (Haraway) weise ich an dieser Stelle auf meine Perspektive als heterosexueller, weißer, privilegierter Mann mit akademischer Bildung und ohne Migrationshintergrund hin.]

So oder so ähnlich

Folgendermaßen sieht es in meinem Kopf aus: Da erscheint ein kraftvoller Film, der Menschen mit einem eher geschlossenen Weltbild dazu anregen könnte, mehr Toleranz gegenüber Vielfalt zu zeigen und Andersartigkeit zu akzeptieren - oder zumindest keine Homosexuellen zu verprügeln und zu diskriminieren, was ja schon mal ein Anfang wäre. Dann gerät dieser Film namens Pride aber in die Hände eines höchstwahrscheinlich heterosexuellen Mannes, der beim besagtem US-Verleih etwas zu sagen hat.

Und warum auch immer das so ist, ihm passt der Film nicht. Ihm passt der Stolz im Titel und die Aussage nicht und am Liebsten hätte er ihn direkt in Shame umbenannt. Den Film gibt's aber leider schon. Naja, immerhin passt der Titel da auch ganz gut. Schließlich geht's da um Sexsucht, eine schlimme Sünde. Wenigstens steht es in der Macht (ganz wichtig!) dieses Mannes, zumindest das Cover der Pride-DVD nach seinen Vorstellungen abzuändern.

So können vielleicht noch ein paar verirrte Schäfchen davor bewahrt werden, vom rechten Weg ab zu kommen. Oder von der schiefen Bahn zurück zur Herde  geholt werden. Also zack, weg mit dem Pro Homo-Transparent und wo wir gerade dabei sind: die Inhaltsangabe schreiben wir auch eben noch schnell um. Wäre doch gelacht, wenn wir aus den Schwulen und Lesben nicht einfach "normale" Aktivist_innen [Ich verwende die Schreibweise mit einem Unterstrich, um auch Menschen, die sich zwischen oder außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit verorten, mit einzubeziehen und gleichzeitig auf den Konstruktcharakter von Geschlecht hinzuweisen. Wobei ein * evtl. die noch bessere Alternative darstellt.] machen können.

Toll! Eine zensierte Ausgabe von Pride, ohne all die verrohenden und nicht gottgewollten Dinge. Insbesondere Margaret Thatcher, hehe. Dann können wir zumindest die Hülle schon mal unseren Kindern zeigen. Aber - Gott bewahre! - jemand würde die DVD tatsächlich aus der aller Sünde bereinigten Hülle nehmen und gar in ein Abspielgerät einführen (hihi, er hat "einführen" gesagt!). Wobei das wahrscheinlich nie passieren wird: Der so entschlackte Text (geil, weniger lesen!) klingt derartig langweilig, dass diesen Film wohl kein Schwanz (Fuck, yeah!) sehen wollen würde.

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