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The Farewell und die geheime Magie des Kinos

01.01.2020 - 22:51 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Wohin führen uns Filme?
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Wohin führen uns Filme?
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Wenn Menschen von der Magie des Kinos sprechen, beziehen sie sich meistens auf die Möglichkeit, uns in phantastische Welten zu entführen und uns Dinge zu zeigen, die es in unserer Welt nicht gibt. Und das ist toll! Aber es gibt noch eine andere Magie des Kinos.

Dieser Artikel hat als Kritik zu The Farewell begonnen und ist dann zu dem hier eskaliert. Enjoy.

Machen wir es wie das Blockbusterkino und reden erst mal über mich: Ich bin weiß, cis, männlich, hetero und gehöre auch sonst keiner Minderheit an. Meine Lebenserfahrung würde man weithin als "normal" bezeichnen und in gefühlt 90% aller Blockbuster geht es im Endeffekt um mich. Filme über straight white males - mal sehen, ob sich schon jemand getriggert fühlt - sind auch grundsätzlich nichts schlechtes, doch führt diese Überrepräsentation dazu, dass man die eigene Erfahrung als universell ansieht. Wenn wir andere Menschen durch das Prisma unserer Realität betrachten, neigen wir zu Äußerungen wie "Dann müssen sich Frauen eben mehr anstrengen", "Wenn Schwarze nicht von der Polizei erschossen werden wollen, sollen sich einfach keine Verbrechen begehen" oder "Entweder man gehört zu dem einen Land oder dem anderen, man muss sich nur mal entscheiden!". Sowas ist mit weißen bzw. männlichen Privilegien gemeint.
Man redet über Dinge, die man nicht wirklich versteht, weil man sie nur von außen, von der eigenen Position aus betrachtet. Doch was soll man dagegen tun?

And for me, the movies are like a machine that generates empathy.

Roger Ebert hat Filme als Maschinen beschrieben, die Empathie produzieren. Klar, die Nachrichten können uns mit Informationen versorgen und das ist auch gut und wichtig.
Aber wir Menschen handeln nicht auf Grundlage von Fakten - zumindest deutlich seltener, als wir zugeben wollen - sondern auf Basis von Emotionen. Wenn wir andere Menschen verstehen wollen, müssen wir wissen, wie sie sich fühlen.

Und da kommen Filme ins Spiel. In den letzten Jahren habe ich verstärkt meine eigene Erfahrung hinterfragt und mich zunehmend mit fremden Lebenserfahrungen befasst.
Gleichzeitig haben wir eine ganze Welle an Filmen von nicht-weiße, weiblichen oder nicht-heterosexuellen Regisseur*innen gesehen, die ihre eigenen Erfahrungen verarbeiten.
Get Out befasst sich mit dem unabsichtlichen Rassismus liberaler Weißer in einem vermeintlich post-rassistischen Amerika. Moonlight dreht sich darum, wie inersektionale Diskriminierung einem Menschen jegliche Chancen nimmt. Systemsprenger enthüllt die Schwächen eines Systems, in dem niemand Schuld ist, aber manchmal alle verlieren. Porträt einer jungen Frau in Flammen erforscht, wie sich Frauen in einer Position der Ohnmacht ihrer selbst ermächtigen. Lady Bird taucht tief ein in die Komplexität von Mutter-Tochter-Beziehungen und zeigt, wie wir einander Liebe zeigen und was uns manchmal davon abhält. Und The Farewell portraitiert - ähnlich wie Brooklyn oder Cold War - Der Breitengrad der Liebe und doch auf seine ganz eigene Weise - die Zerissenheit zwischen alter und neuer Heimat und was es bedeutet, wenn die Heimat zu einem fremden Ort wird.

Diese Filme reißen uns aus unserem Alltag heraus, versetzen uns in eine andere Realität, senden uns auf eine emotionale Reise und schicken uns dann mit dieser neuen Erfahrung wieder zurück in unsere Welt. Beim Abspann sind wir dann nicht mehr die selbe Person, wie beim Vorspann. Wir sind reicher. Wir sind weiser. und das ist die geheime Magie des Kinos.

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