The Amazing Spider-Man - Onkel Bens moralische Bürde

19.04.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Peter Parker
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Es gibt diesen Satz, ohne den keine Spider-Man-Interpretation auskommt. Martin Sheen sagt ihn, Cliff Robertson sagt ihn zehn Jahre früher. Er ist eine Weisheit, wie sie eigentlich auch auf einem Tageskalender stehen könnte.

Achtung: Spoiler im Text

Der erste The Amazing Spider-Man aus dem Jahr 2012 mit Andrew Garfield als Peter Parker folgt ebenso wie die Sam Raimi -Version dem klassischen Grundplot, dem narrativen Schema der ersten Spider-Man-Comics. Darin lernt Peter Parker die Lektion seines moralischen Grundsatzes auf die denkbar härteste Weise. Kurz nachdem der Teenager Peter seine Kräfte empfängt und zu kontrollieren lernt, entscheidet er sich für das Naheliegenste: den Schul-Rowdy zurechtweisen und finanziell absahnen. Er meldet sich bei einem Wrestlingkampf, siegt, erhält jedoch von dem versprochenen Preisgeld lediglich einen Bruchteil. Unmittelbar darauf wird der Veranstalter des Kampfes ausgeraubt. Der Täter flüchtet, obwohl Peter die Position, Option, Konstitution und Kraft besitzt, den Räuber aufzuhalten, lässt er es und den Täter laufen.

Er entscheidet sich für eine Geste der Genugtuung. Der Mann, der später den Tod seines Onkels herbeiführen soll, entkommt. Getrieben von Wut und Schuldgefühlen verwendet Peter fortan Zeit und Mühe, ausschließlich Kleinkriminelle zu verfolgen und dingfest zu machen, die optische Parallelen zu dem Mörder seines Onkels aufweisen. Er verfolgt egoistische Motive und wendet sich damit gegen den Satz, dessen Urheber er zu rächen ersehnt. Er verleumdet das Vermächtnis seines Onkels, das zwei Richtlinien vorsieht. Erstens: Die verliehene Macht nicht zu missbrauchen. Zweitens: Die verliehene Macht nicht zu verschwenden.

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Nach der Rache
Aus großer Macht folgt große Verantwortung. Der Satz ist der moralische Fixpunkt des Charakters Peter Parker, eine Wenn-Dann-Hilfestellung für schwere Zeiten und schnelle Entscheidungen. Und gleichermaßen ist er eine penetrante Bürde. Das Vermächtnis von Onkel Ben, das Tante May in dieser Woche in Deutschland anlaufenden The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro zur Entlastung in einen Schuhkarton legen und verstecken kann: Peter Parker macht es zum Kodex seines Heldentums.

Dass mit der moralischen Verantwortung lässt sich auch anders auslegen, als Peter Parker es tut. Der ist stets darauf bedacht, mit seinen Rettungsaktionen keinen größeren Schaden anzurichten, während andere Helden wie die Avengers eine Stadt in Schutt und Asche legen, um dem Feind auf möglichst spektakuläre Weise den Garaus zu machen. Spider-Man ist ein dezenter Held. Ihm geht es um subtile und effiziente Rettung und Schlichtung. Die Show entsteht nur für den Zuschauer. Die One-Liner sind Kompensation, etwas Spaß auf der Arbeit, die Unterhaltung mit Kollegen, das geteilte Katzenbild.

Verzicht auf Liebe und Leben
The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro beginnt mit einer Parallel-Montage – Peter im Spider-Man-Suit auf den Straßen Manhattans beim Verbrechen bekämpfen. Gwen Stacy (Emma Stone) auf ihn wartend bei der Abschlussfeier der gemeinsamen High-School. Peter wird die Rede später verpassen, die seine Freundin vor der versammelten Schule hält. Was sich im ersten The Amazing Spider-Man bereits andeutet, ist in der Fortsetzung Normalität. Peter opfert sich und sein Leben ganz dem Helden-Dasein auf. Ähnlich wie die Peter-Parker-Version der alten Trilogie ist er sogar versucht, sich den Verzicht auf die Nähe zu seiner Freundin aufzubürden – da auch die Schurken Manhattans wissen, dass die Liebe des guten Helden dessen größte Schwäche ist.

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Die große Verantwortung zwingt Peter dazu, sich seiner Liebsten zu entledigen. Mit der ihm aufgelasteten Macht geht er die ungewollte Verpflichtung ein, diese zu nutzen. Eine Wahl zwischen Leben, Liebe und Heldentum hat er nicht. Die Macht und die Kraft birgt die Verpflichtung, ein Held zu sein und dem Schlechten Einhalt zu gebieten. Sowas wie ein allgemeingültiges Gesetz für alle anderen moralischen Superhelden, was Onkel Bens Worte zur komprimierten Magna Charta des Heldentums befördern würde. Held sein ist gleich die totale Aufopferung.

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