Tatort - Mit der Knarre gärtnert's sich am schönsten

14.09.2014 - 20:15 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Tatort - Der Wüstensohn
BR/ARD
Tatort - Der Wüstensohn
6
0
Mit einem waffenvernarrtem Partyprinzen bekommen es Leitmayr und Batic in ihrem neuen Tatort zu tun, der zwar einige pralle Dialoge zu bieten hat, aber leider nicht viel mehr.

Der Abwesenheit serieller Erzählmuster ist es zu verdanken, dass Leitmayr (Udo Wachtveitl) im neuen Tatort aus München putzmunter Ohrfeigen verteilt. Viele mögen sich wundern, dass das dramatische Ende von Tatort: Am Ende des Flurs keinerlei Nachwirkungen hat, aber sei's drum. Die Münchner stürzen sich in Tatort: Der Wüstensohn bereits in ihren nächsten Fall, der dem Vorgänger leider nicht das Wasser reichen kann. Mit zu vielen Stereotypen wird im Krimi hantiert, aber davon abgesehen ringen die Figuren einem auch sonst kaum Interesse ab. Immerhin wissen wir jetzt zwei Dinge: Falls es in München nicht klappt, kann sich der "Falke" Batic (Miroslav Nemec) auch als Polizist im Dienste eines arabischen Diktators verdingen und Panzer sind die neuen Wellness-Präsentkörbe. Wenn das kein Geheimtipp ist...

Tatort - Der Wüstensohn

Plot: Nasir (Yasin El Harrouk) ist der fünfte Sohn des Emirs von Kumar und erinnert in Sachen Lebensstil und Vita nicht zufällig an den gar nicht fiktiven Saif al-Arab al-Gaddafi, zweitjüngster Sohn des früheren libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi. Wie sein reales Vorbild macht Nasir durch Party-Ausschweifungen in München Schlagzeilen, während er sich offiziell als Student in der Stadt aufhält. Rechtlich belangen kann ihn die Polizei für seine Fehltritte nicht. Als er eines Tages mit seinem Sportwagen durch die Straßen rast, findet sich die Leiche seines Freundes Karim auf dem Beifahrersitz. Die Ermittlungen werden durch Nasirs Diplomatenstatus erschwert und auch der Konsul von Kumar (Samir Fuchs) legt Leitmayr und Batic Steine in den Weg. Was zunächst aussieht wie eine Eifersuchtsgeschichte, erhält durch Waffengeschäfte der Deutschen politische Brisanz.

Lokalkolorit: Als Prinzensohn lebt es sich wohl gar nicht schlecht, zumindest, wenn man nichts gegen hermetisch abgeriegelte Villen in der Münchner Vorstadt und Schutz/Kontrolle durch Bodyguards hat. Wenn dem Drehbuch dieses Tatorts etwas gelingt, dann die Anziehungskraft dieses Lebensstils darzustellen, wenn auch die im Honig kleben gebliebenen Fliegen (u.a. Wilson Gonzalez Ochsenknecht und Tatort: Der Wüstensohn) keine vergleichbare Aufmerksamkeit erhalten. Yasin El Harrouk spielt seinen Nasir meist in groben Zügen, wobei sich manches Mal die Frage stellt, ob das Teil der Macho-Attitüde seiner Figur oder schlicht zu dick aufgetragen ist. Verführerisch wirkt er allemal mit seinen Versprechungen und üppigen Geschenken.

Unterhaltung: An Facetten fehlt es dem Wüstensohn also nicht, trotzdem überwiegt der Eindruck einer Aufreihung von Stereotypen, der es am Thrill fehlt, um als reiner Genre-Spaß durchzugehen. Dafür entschädigen zuweilen die Dialoge, wenn Leitmayr und Batic am Zug sind ("Jetzt ist mir schlecht von dem ganzen Süßkram." - "Weil du immer so maßlos bist, wenn's umsonst ist." - " Aus Ermittlungsgründen."). Die übrigen Figuren aber bleiben entweder plumpe Schablonen, werden zu schnell aus dem Weg geschafft (Ginger-Ali) oder entwickeln über ihre Funktion im Plot hinaus kein Eigenleben. Entsprechend bildet die Ohrfeige eines Kommissars den aufregendsten Moment in einem Tatort, der seinen Fall als Kuriositätenkabinett vorstellt (Ein Maschinengewehr im Vorgarten! Kamele zum Besamen in Wien!) und trotzdem mit aufrichtiger Wut belohnt werden will.

Tiefgang: Vertreter des fiktiven Staates Kumar werden mit arabischen Gesängen auf der Tonspur eingeführt, um sie ethnisch zu markieren, Entindividualisierung und Fremdheit zu unterstreichen. Zwar nehmen die Macher das musikalische Motiv mehrmals auf, einmal in Nasirs verträumten Tanz zu Elektromusik in einem Club, dann in seinem eigenen emotionalen Klagegesang. Doch wird mit diesem künstlichen Dualismus von (arabisch konnotierter) Tradition und (westlicher) Moderne nur hervorgekehrt, wie es sich dieser Tatort (und viele andere vor ihm) in Vereinfachungen gemütlich macht, um sich einer echten Auseinandersetzung zu entziehen. Aussagekräftige Bilder für Nasirs goldenes Gefängnis findet der Krimi in vereinzelten Momenten, wenn etwa ein kleiner Junge erst mit dem Hubschrauber, dann dem Panzer spielt oder eine Horde Bediensteter hinter dem Prinzen her dackelt. Der "politisch-inkorrekte", enthüllende Gestus dieses Krimis gerinnt zum schwachen Fingerzeig Richtung Saudi-Arabien, während wie bei ungehörigen Knirpsen über "Kameltreiber" und "Teppichhändler" gekichert wird.

Mord des Sonntags: Der Blogger bezahlt mit seinem Leben. 

Zitat des Sonntags: "Sie gefallen mir. Sie greifen an wie ein Falke."

Das können die Münchner besser oder was meint ihr?

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externe Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung


Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News