Bibi & Moritz gegen den Rest der Welt

25.03.2012 - 21:45 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Tatort - Falsch verpackt
RBB
Tatort - Falsch verpackt
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Im Wiener Tatort wurde wieder einmal ordentlich gemordet. Im Intrigennetz des Fleisch- und Menschenhandels fanden sich Bibi und Moritz wieder und bewiesen einmal mehr, dass sie eines der besten Teams bilden, das der Tatort zu Zeit zu bieten hat.

Irgendwann widme ich der Bibi und dem Moritz eine ausführliche Huldigung, doch jetzt geht’s erst einmal um die (Geflügel)Wurst. Der neue Tatort aus Wien reicht zwar nicht ganz an die Body Count des letzten Falles heran, kann aber durchaus als thematische Fortsetzung gesehen werden. Diesmal spielen Menschenhandel, Parallelgesellschaften und Lebensmittelmauscheleien eine Hauptrolle, während in den Nebenrollen Moritz (Harald Krassnitzer) mit einer Diät gegen das Altern angeht und Bibi (Adele Neuhauser) ihre Alkoholsucht mit einem Glas Bier bekämpft.

Lokalkolorit: Verkommen andere Städte im Tatort mehr und mehr zu austauschbaren Kulissen, zeichnen die Wiener in ihren Fällen das düstere Bild eines Schmelztiegels der Kulturen, in dem das einzelne Menschenleben hinter wirtschaftlichen und politischen Interessen zu verschwinden droht. Moritz Eisner und Bibi Fellner können da oft nur tatenlos zusehen. Tatort: Falsch verpackt bildet keine Ausnahme. Selbst wenn sie, wie hier oder in Tatort: Kein Entkommen, den Mördern auf die Schliche kommen, dann ist ihre erfolgreiche Ermittlung nur der Tropfen auf den heißen Stein, das folgenlose Tagwerk eines Sisyphos. So wie die Donau-Metropole wurden Moritz und Bibi von der Moderne überrumpelt und vielmehr als die Scherben aufzukehren, bleibt den beiden nicht. Das machen sie allerdings sehr gut

Plot: Drei tote Chinesen tauchen in einem Container voller Hühnerfüße auf, der dem gewieften Geflügelhändler Müller (der wunderbar schmierige Martin Brambach) gehört. Nicht nur dem Handel mit H5N1-verseuchtem Hühnerfleisch kommen Moritz und Bibi im Verlauf der Ermittlungen auf die Spur. Auch die kühle Restaurantbesitzerin Frau Gú Bao, Ex-Frau des Fremdenpolizisten Dr. Oskar Welt, steckt drin im Menschen- und Fleischhandel, der im Wiener Untergrund seine Kreise zieht. An heruntergekommenen Wohnungen chinesischer Einwanderer verdienen österreichische Offizielle wie Dr. Welt satt mit, doch das ist angesichts der schrecklichen Verhältnisse bei der Überfahrt in die Neue (europäische) Welt noch das kleinste Übel. Am Ende wartet eine grausame Wahrheit: Die drei Chinesen sterben an den Folgen der Chemie, mit der das Fleisch entkeimt werden sollte. Der junge Tsao Kang verlangt daraufhin Antworten und wird in diversen Müllcontainern entsorgt.

Unterhaltung: Trotz der ernsten Themen und der in alle Winde verstreuten Körperteile so manchen Opfers ist der neue Wiener Tatort keine todernste Angelegenheit. Der morbide Wiener Sinn für Humor wird durch Moritz’ Diätwahn unterstrichen. Immerhin ekelt sich der gesundheitsbewusste Kommissar vor einem Kalbsbutterschnitzel, aber ein abgehackter Kopf im Tiefkühlfach ist kein Problem (“Papa, da ist ein Kopf in unserem Kühlschrank.” “Ja, sorry, ist meiner.”). Auch schön, wie Moritz nach anstrengender Verfolgung von Inkasso-Heinz eine Kopfnuss verpasst bekommt und diesem dann als Revanche in Bibis Wohnung kommentarlos die Nase bricht. Da verwundert es gar nicht, dass der ganze Krimi von einem seltsam an die 70er Jahre erinnernden Hammond-Orgel und Elektromischmasch unterlegt wird, das eine Problemfilm-Attitüde von vornherein untersagt und Tatort: Falsch verpackt einen charmant-pulpigen Beigeschmack verleiht.

Tiefgang: Die Wiener nehmen sich nie zu ernst und gerade deswegen ist auch ihr neuer Fall so eindringlich. Zwar kommt der neue Tatort nicht so erbarmungslos pessimistisch daher wie sein Vorgänger. Doch wie hier die Mechanismen der Lebensmittelindustrie mit dem alltäglichen Menschenhandel parallelisiert werden, dürfte niemanden kalt lassen. Der Mensch ist im Wiener Tatort längst zur Ware geworden, die nicht viel mehr wert ist, als ein paar Hühnerfüße. Wenn nötig wird sie dementsprechend herzlos entsorgt.

Mord des Sonntags: Das Hackebeil in der Brust von Dr. Welt? Der eingefrorene Müller in Bittstellung im Kühlraum? Nein, die in Wiener Hinterhöfen verteilten Überreste von Tsao Kang sind an diesem Sonntag unerreicht.

Zitat des Sonntags: “Ich will endlich das machen, was ich machen kann: eine gute Polizistin sein.”

Mich haben die Wiener Kommissare wieder einmal um den Finger gewickelt, aber wie hat Tatort: Falsch verpackt euch gefallen?

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