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SpongeBozz - Started From the Bottom / Krabbenkoke Tape (REVIEW eines Fanboys)

15.06.2017 - 01:46 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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Bikini Bottom Mafia, Soulfood
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Mein Best Buddy Trouble hat die Tage bereits eine Review zu diesem Album veröffentlicht. Nun ist das gute Teil auch bei mir angekommen, und auch, wenn ich ja eigentlich wieder auf Filmreviews umsteigen wollte... bin ich viel zu hyped, um das nicht hier zu teilen.

Na, da habe ich mich ja schön angeschmiert. Ich war ja einer der letzten Vertreter der Theorie, dass sich hinter SpongeBozz NICHT Sun Diego verbirgt. Ich meine, Sun Diego rappt lässig, SpongeBozz energisch, Sun Diego hat eine tiefe Stimme, SpongeBozz eine eher hohe, Sun Diegos Hooks sind zum Abgewöhnen, SpongeBozz's ein wahrgewordener feuchter Hip-Hop-Traum,... und dann hat Julien ja in einem Video so ähnlich gelacht wie SpongeBozz und außerdem redet er seit SpongeBozz's Auftauchen auffallend tief und basslastig - will er etwas an seiner Stimme verbergen? Naja, jeder kann sich mal irren. Ich bin's nur nicht gewohnt, dass es mir passiert.

Naja, wie dem auch sei. Nach dem 2015er Erfolg "Planktonweed Tape" wurde es ja beunruhigend still um den rappenden Schwamm. Selbst seine Social Media-Kanäle waren gespenstisch leer. Nicht nur hat es sich in Sponge's Unterkategorie des Hip-Hop eingebürgert, jährlich ein Album rauszuhauen, seine völlige Abwesenheit aus sämtlichen Medien ließen kaum einen Hoffnungsschimmer, dass da jemals wieder etwas nachkommt. Naja, trotz der Indizierung war "Planktonweed" erfolgreich genug, um damit für einige Zeit über die Runden zu kommen, bezieht man mit ein, dass er kein Label Signing hat. Die radikale 1-Jahres-Pause ist in der heutigen schnelllebigen Welt jedenfalls höchst riskant. Dann ging es aber urplötzlich und ohne Vorwarnung los: Am 31. Dezember 2016 wurde für das kommende Jahr ein neues Album angekündigt. Nein, sogar zwei: ein Doppelalbum. Es folgte eine Supratendenz an hochwertigen Musikvideos zu ebenso hochwertig gemachter Musik, die einer Exekutive seiner schlimmsten Feinde gleichkam. Vom Ticker-Schwamm war da weniger zu hören als von Dimitri Chpakov, so Sun Diegos wahrer Name. Das Ganze freilich durch den morbiden Cartoon-Fleischwolf gedreht, aber da blitzt persönliche Kränkung nicht einfach durch, sie fällt einen an und attackiert einen mit dem aufgeklappten Butterfly-Messer. Dabei darf natürlich Spongey's Lieblingsfeind nicht fehlen: Superstar Kollegah, der King of Rap der 2010er Jahre. Auch als Kollegah-Fanboy muss ich mir wohl eingestehen, dass er Sunny wahrscheinlich mit zunehmendem Status einfach fallen gelassen hat - wohl nicht ahnend, dass er es selbst mal zu einem gewissen Status bringen würde.

Aber wer genau ist SpongeBozz jetzt? Die nüchterne Antwort würde lauten: Sun Diego in einem Schwammkostüm. Nicht gerade die beste Voraussetzung, um im Rapgeschäft ernst genommen zu werden. Und ja, es gibt euch heute, 4 Jahre nach seinem ersten Auftreten, noch böse Augen machen. Vorwiegend sind das Realness-Verfechter, Hörer von Pop-Rap, alteingesessene Genrefans, oder jene, die mit Deutschrap an sich nicht viel anfangen können. Deutschrap ist nicht Amirap. Er entstand auf ganz andere Weise, hat eine andere Entwicklung gemacht und andere Schwerpunkte. Sie aufgrund ihrer gleichen stilistischen Merkmale in direkten Vergleich zu setzen, ist angesichts der überschwinglichen Unterschiede jedoch völlig unnötig. Tatsache ist, in seiner Sparte des Hip-Hop hat SpongeBozz nicht nur eine Daseinsberechtigung, er spielt in der obersten Liga. Er verkörpert seine Rolle mit absoluter Perfektion und kann dabei mit einer lyrischen und technischen Gewandtheit auftrumpfen, die ihresgleichen sucht. Wenn euch das nicht wichtig ist, dann ist er eben nichts für euch. Dann würde ich euch eher Marteria, Kool Savas oder vor Allem Eko Fresh empfehlen. Letzterer spielt auch in der lyrisch obersten Liga, ist dabei aber noch weit näher am Urgedanken des amerikanischen Hip-Hop. Für alle anderen, die sich mit dem Blockbuster-Deutschrap, wie ich diese Sparte jetzt kurzerhand mal taufe (Spielen einer Rolle bei gleichzeitig effektvoller Inszenierung), anfreunden können, denen sei gesagt, dass das Doppelalbum "Started From the Bottom / Krabbenkoke Tape" ein einziger Gänsehautmoment ist.

Disc 1 trägt den Titel "Started From the Bottom" (erinnert weder stilistisch noch inhaltlich an den Drake-Hit) und wie die linke Hälfte des Covers bereits nahelegt, dominiert hier deutlich die Sun Diego-Seite seiner Selbst. Ihr solltet wissen, dass auf beiden Discs keinesfalls eine strikte Trennung der Kunstfigur SpongeBozz und des Künstlers Sun Diego stattfindet. Viel mehr schlummern beide Aspekte im Interpreten und treten unterschiedlich deutlich in Erscheinung. Über Sun Diego ist generell zu wenig bekannt, um einschätzen zu können, inwiefern er einen düsteren Lebensstils führt, es ist jedoch völlig irrelevant. Durch die Überinszenierung und Fiktionalisierung drückt Sunny auf "Started From the Bottom" nichtsdestrotrotz echte Gefühle aus. Verrat von ehemaligen Freunden - da sind nicht nur bekannte Rapper dabei, die man noch als Promogag abstempeln könnte, sondern auch absolute No-Names, mit denen Sunny in der Vergangenheit arbeitete oder gar eine Freundschaft pflegte, und die ihm dann das Messer in den Rücken rammten - ist ein zentrales und wiederkehrendes Thema auf dem Album. Dabei hilft es ihm wunderbar, dass er wohl Deutschlands bester Battlerapper ist. Die Attacken, die er hier vollführt, gehen jedoch über übliche Rap-Disses hinaus. Sunny offenbart musikalisch, wer sich ihm persönlich oder musikalisch in den Weg stellte. Payback for Sun Diego. Dabei wechselt er zwar häufiger die Identität, letztlich ist es aber Sunny, der in verzerrter Form seine beautiful dark twisted fantasy ausschüttet. Davon zeugt euch die vielfach eingestreute jüdische Ästhetik und der Anspruch darauf, dafür gehuldigt zu werden, bereits zu Beginn des neuen Jahrzehnts das gebracht zu haben, was mittlerweile Mainstream ist - was auch der Wahrheit entspricht; zumindest in Deutschland sind Autotune und Rap seine Söhne (obwohl er den Trap maximal haarscharf anschneidet). All das ist eine deutliche Entwicklung zum rein unterhaltenden Vorgänger.

Dagegen stellt Disc 2, "Krabbenkoke Tape", eine direkte Fortsetzung zu seinem Debüt dar. Sunny's Cartoon-Alter Ego übernimmt die Kontrolle. Man gibt sich deutlich überzeichneter, abgedrehter und verliert an Bedeutungsschwere. Es wird nicht mehr versucht, zu erklären, warum sich Sun Diego verraten fühlt - es wird getötet im Actionfilmstil. Sun Diego hat sich schon über das Warum geäußert, und mehr als nur durchblitzen lassen, dass er sich tief verletzt sieht. Nun ist SpongeBozz da, um das Alles in filmreifer Manier zu beenden. Dabei bekommt man nicht nur in den 2 Sequel-Tracks des Albums immer wieder Referenzen und Zitate aus "Planktonweed" aufgetischt.

Das mag manch einer als albern erachten, aber es ist so verdammt gut umgesetzt - ein wenig persönlich, ein wenig chaotisch und schizophren, vor Allem aber lyrisch mit maximalem Effekt. In Sachen Reimen macht Sunny niemand, nicht einmal Kollegah, etwas vor. So präsentiert er auf dem Titeltrack mindestens 20 verschiedene, stabile und einwandfreie deutsche Reime auf "Started From the Bottom", ohne dabei auch nur einmal vom Thema abzukommen. Ja, Kollegah passiert das Phänomen Zweckreim ab und an schonmal. Da muss auch der Fanboy ehrlich sein. Dafür kann Kolle mit intelligenten Wortspielen und Homophonen aufwarten, welche SpongeBozz nahezu gänzlich fehlen. Ist aber auch kein Muss. Dafür kann Sunny deutlich eingängigere Hooks einsingen, ohne dabei die Stimmung zu stören. Wer letztendlich der bessere Rapper ist, liegt dann ganz subjektiv an persönlichen Präferenzen.

Aber die ca. 115 Minuten lange Doppel-CD wäre nur eine halb so packende Erfahrung ohne die musikalische Untermalung von Digital Drama, frei nach dem Motto "Mehr ist mehr". Hier werden Orchester-Kampfhymnen a la Hans Zimmer kombiniert mit wild rasselnden Snares und tiefen Bassdrums - besonders beeindruckend auf den ersten beiden Songs der SFTB-Disc, welche zusammen bereits fast eine halbe Stunde dauern, ohne dabei jemals an Impakt zu verlieren. Digital Drama - wer auch immer sich hinter dem ominösen Pseudonym verbirgt - geht dabei deutlich experimenteller vor als beim Vorgängeralbum. Die soundtrackhaften Elemente werden bis zum Maximum ausgespielt, auf anderen Songs gibt es E-Gitarren zu hören, dann ertönt ein Trap-Beat, Eurodance-Synthesizer spielen, dann gibt es einen Abstecher in Drum and Bass-Land, nur um Ende wieder vor Epik überzuschäumen. Digital Drama produziert mit dem Krawumm eines Michael Bay - und es passt wie die Faust aufs Matschauge.

Das Doppelalbum wird eingefleischte Hater nicht umstimmen können. Auch, wenn sich einige vielleicht daran erfreuen, dass Sunny mehr Persönliches durchblicken lässt, ist die Fiktionalität doch noch zu groß, um von einer vollkommenen Transformatiok zu sprechen. Aber gerade das ist das Tolle daran: die so hochgepriesene Realness ist eine falsche. Sie schränkt ein. Kunst, und da gehört Musik dazu, kann uns soll alles möglich machen. Da darf man sein, wer man will - vom Anime-Dingo zum rappenden Killerschwamm.

Schaut bitte auch bei der Review von Trouble vorbei:

https://www.moviepilot.de/news/startet-from-the-bottom-bis-hin-zum-krabbenkoke-190979

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