Quentin Tarantino - Wunderkind a la Orson Welles

27.03.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Orson Welles / Quentin Tarantino
Orson Welles / Quentin Tarantino
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Vergleiche hinken natürlich immer, irgendwie. Aber es gab wohl seit Orson Welles fulminanten Start auf der Leinwand kein derartiges Multitalent mehr wie Quentin Tarantino. Zum 50. Geburtstag gibt es von mir eine kleine, vergleichende Hommage.

Orson Welles wie Quentin Tarantino bewiesen mit ihren Erstlingswerken cineastische Wunderkind-Qualitäten. Mit Citizen Kane (1941) bzw. Reservoir Dogs (1992) schufen sie jeweils Werke, durch die sie einerseits unverkennbar ihr filmisches Multitalent als Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler dokumentierten und andererseits für ihre kommenden Arbeiten Maßstäbe setzten. Diese waren hoch, sehr hoch und ihre späteren Filme wurden von Kritikern wie Zuschauern an ihren Erstlingswerken gemessen. Eine schwere Bürde für junge Filmemacher, an denen sie auch zerbrechen können.

Mit 25 Jahren drehte Orson Welles sein außergewöhnliches Biopic-Drama Citizen Kane, 27 Jahre alt war Quentin Tarantino, als er mit dem Gangsterfilm Reservoir Dogs erstmals einen langen Spielfilm inszenierte. Keiner von beiden hat eine Filmschule besucht oder sich gar im Business von klein auf hochgearbeitet. Trotzdem atmen sie aus jeder Pore ihres Lebens Film, als hätten sie das Medium wie Muttermilch in sich aufgezogen. Was sie in gewisser Weise auch taten: Der eine, indem er als Platzanweiser in einem Pornokino jobbte und sich durch die B-Movie-Regale von Videotheken grub; der andere, indem er schon mit 12 auf der Theaterbühne stand, sich beim Radio provokant ausprobierte und dann mit einem Schlag die Filmsprache revolutionierte.

In Citizen Kane wie auch Reservoir Dogs sehen wir all jene Merkmale, die uns von einem Welles- oder einem Tarantino-Film sprechen lassen. Jeweils unterschiedliche Erkennungszeichen sind es, natürlich, aber beide Filmemacher haben bereits in ihren Debüts ihr eigenes Universum geschaffen, in dem sie sich fortan bewegen werden, an dem sie sich – mehr oder weniger erfolgreich – immer wieder abarbeiten, an dem sie gemessen werden. Orson Welles gelingt mit Citzen Kane ein fulminantes Charakter- und Gesellschaftsporträt, das den Mythos vom amerikanischen Traum auf den Prüfstand stellt. Formal brilliert er mit verschachtelten Erzähltechniken, elliptischen Montagen, raschen Perspektivwechsel, ungewöhnlichen Tiefenschärfen. Auch Quentin Tarantino bietet in Reservoir Dogs bereits alles, was er mit Django Unchained zur Meisterschaft treibt: authentisch-humoristische wie coole Dialoge, Lässigkeit bis in den Tod, Popverweise, einen Soundtrack, der überaus einprägsam ist und viel Kunstblut, in Vollendung präsentiert. Wer genau hinsieht, bemerkt, dass die beiden Erstlingswerke in ihrer enormen Unterschiedlichkeit sogar einen gemeinsamen Nenner haben: Sie erzählen ihre Debüt-Geschichte nicht-chronologisch, sondern aus Rückblenden heraus.

So mancher von euch moviepiloten mag den Kopf schütteln über den Vergleich von Orson Welles und Quentin Tarantino. Damit haben sie auch nicht ganz Unrecht, denn immerhin gibt es in Reservoir Dogs kein Zauberwort Rosebud und über Jahre, gar Jahrzehnte auf Platz 1 der Besten Filme aller Zeiten steht er auch nicht. Aber es geht hier nicht um eine konkrete Filmanalyse, sondern um einige äußerliche Faktenspielereien. Jede Generation hat ihre ganz eigenen Helden und verehrt sie kultisch. Auch das trifft auf beide Filmemacher zu, die von Cineasten wie Fans, auf Festivals oder am Stammtisch immer wieder neu analysiert und diskutiert werden. Sie sind im Gespräch, haben sich ihren Platz im Film-Zenit schon mit dem Erstling gesichert.

Über diesen kleinen Gemeinsamkeiten dürfen wir aber einen maßgeblichen Unterschied nicht vergessen: Orson Welles‘ fulminantem Aufstieg ins Filmgeschäft folgte ein trauriger, langsamer und unaufhaltsamer Fall. Quentin Tarantino dagegen scheint wie ein guter alter Wein immer besser zu werden. Natürlich hat er nicht mit den produktionstechnischen Hindernissen zu kämpfen, mit denen sich Orson Welles noch in Zeiten des hollywoodschen Studiosystems herumplagen müsste und die fast einem Berufsverbot gleichkamen. Beinahe scheint es, als hätte Orson Welles notgedrungen sehr früh sein Pulver verschossen. Als dieser gerade einmal 43 Jahre alt war, feierte sein letzter großer Film Im Zeichen des Bösen Premiere – wieder ein Werk, dass in die Filmgeschichte einging durch eine grandiose Eingangssequenz und seine klassische film noir-Geschichte, die er auch gleich ad absurdum führt.

Quentin Tarantino dagegen hat noch richtig viel parat und mit den Weinstein-Brüdern Produzenten an seiner Seite, die ihn hoffentlich auch weiterhin unterstützen. Sein letzter Film Django Unchained ist in meinen Augen der beste Tarantino überhaupt. Der Filmemacher feiert heute seinen 50. Geburtstag und wird uns wohl noch einige Filme schenken. Aus dem einstigen Wunderkind ist ein Meister geworden, der keinen Vergleich mit großen Namen scheuen muss.

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