Polizeiruf 110 - Ein Fischerkrieg tobt in Rostock

20.01.2013 - 21:45 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau in Polizeiruf 110 - Fischerkrieg
NDR/ARD
Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau in Polizeiruf 110 - Fischerkrieg
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Wunderbar schnoddrige Dialoge, die dezent eingefädelte Hintergrundgeschichte einer Kommissarin und der wie immer überragende Charly Hübner lassen in Polizeiruf – Fischerkrieg die zuletzt schwachen Tatorte vergessen.

Eigentlich sollte es niemanden verwundern, aber das Folgende kann nicht oft genug wiederholt werden: Die Rostocker Polizeirufe mit Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau gehören zum Besten, was die ARD an Sonntagsabendkrimis zu bieten hat. Ich kann mich zwar nicht entscheiden, ob sie auch von Meuffels aus München übertreffen, aber für mich bilden Bukow und König qualitativ wie inhaltlich das Polizeiruf-Äquivalent zum derzeitigen Frankfurter Tatort-Team um Joachim Król und Nina Kunzendorf und die sind immerhin unangefochtene Tatort-Spitze. Wer Überzeugungsarbeit nötig hat, schaue sich doch einfach den aktuellen Fall Polizeiruf 110: Fischerkrieg an und genieße.

Lokalkolorit: Im Gegensatz zum Großteil der Krimikonkurrenz am Wochenausklang wurzeln die Rostocker Polizeirufe stets stark in ihrer Region. Selten wird dies jedoch so umfassend umgesetzt wie in Polizeiruf 110 – Fischerkrieg, bei dessen Ansicht Salzwasser und ranziges Bier gewissermaßen aus dem Fernseher tropfen. Der Kontrast von Bukow, dem Einheimischen, und König, der Fremden, sorgt stets für Anspannung in diesem Team. Diesmal umso mehr, als Bukow in jenen Kreisen ermitteln muss, in denen er einmal zu Hause war. Tief in das Milieu der von Fangquoten bedrohten Fischer klettert der Polizeiruf, angeführt von Hübner, der durch die urigen Tavernen und stinkenden Kutter im Hafen stapft, als hätte er sein ganzes Leben nichts anderes gemacht.

Plot: Thomsen, früherer Helfer für DDR-Flüchtlinge und von Beruf Fischer, liegt erschossen im Hafen. Ein Konflikt mit der polnischen Konkurrenz wird schnell als Motiv auserkoren, die Fangquoten umgehen und sich deswegen wenig Freunde unter den deutschen Seemännern machen. Als Bukows Vadder (Klaus Manchen) ins Visier der Ermittlungen gerät, wandelt der augenscheinlich einfache Fall rund um rivalisierende Fischer plötzlich auf dem schmalen Grat von Fluchthilfe und Menschenhandel, der mit der Vergangenheit von Kommissarin König mehr gemein hat, als ihr lieb ist.

Unterhaltung: Das liebevolle Gezänk zwischen dem bodenständig ruppigen Bukow und der ebenso förmlichen wie trockenen König bereichert die meisten Krimis aus Rostock. Polizeiruf 110 – Fischerkrieg, geschrieben von Florian Oeller (Lutter), kommt den Stärken seiner beiden Kommissare dialogtechnisch ganz entgegen. Der forsche Bukow prescht mit großer Selbstsicherheit und einem klitzekleinen bisschen verdienter Arroganz durch die Befragungen und es ist eine Wonne, Charly Hübner dabei zuzusehen, wie er es mit der ganzen Welt aufnimmt. Sarnaus Katrin König, obwohl von der andauernden Suche nach ihren Eltern belastet, steht ihm in Sachen Schlagfertigkeit in Nichts nach (“Alles in Ordnung, ich bin Journalistin.” – “Das ist ein Widerspruch in sich.”). Trotz der treffsicheren Dialoge untergräbt Polizeiruf 110 – Fischerkrieg nie den nötigen Ernst und entgeht so leichtfüßig dem Stigma des Problemkrimis. Das hätte bei der thematischen Mischung aus Fangquoten, DDR-Vergangenheit und Menschenhandel durchaus haften bleiben können.

Tiefgang: Bereits im letzten Fall der Rostocker war Katrin Königs Suche nach ihren Wurzeln zur Sprache gekommen. Diesmal ist die Geschichte ihrer Eltern, die seit der Flucht aus der DDR über die Ostsee verschollen sind, noch enger mit dem eigentlichen Krimi verwoben, drängelt sich allerdings nie in den Vordergrund. Flucht war für den ermordeten Thomsen längst zum Geschäft geworden. An Bukows Vater Veit exerziert der Krimi die Schuldfrage, die dem Menschenschmuggel innewohnt. Bukow und König werden ebenfalls nicht verschont, wenn sie Flüchtlinge aus dem Irak nach ihrem quälend langen Trip ins gelobte westliche Land unfreiwillig der Abschiebung preisgeben. Umso schlimmer nagt die Ungewissheit über ihre eigene Fluchtgeschichte, die auch am Ende dieses Rostocker Krimis auf Katrin König wartet.

Mord des Sonntags: Der gar nicht bösartige Täter gibt sich die Kugel.

Zitat des Sonntags: “Mein Name ist Bukow. Ich kriege alles raus.”

Ich war vom Rostocker Polizeiruf wieder einmal begeistert, aber hat er euch auch überzeugt?

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