Orphan Black - genetische Mysterien der besonderen Art

16.08.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Orphan Black
BBC America
Orphan Black
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Orphan Black ist für mich die Überraschung der Serien-Saison 2013. Darum gibt es in Erwartung der zweiten Staffen schon einmal Vorschusslorbeeren in Form meines Herzens für Serie.

Wir schreiben das Jahr neun nach Lost. In meiner Serien-Zeitrechnung stellt 2004 – das Jahr, in dem Lost Premiere feierte – den Punkt Null dar. Seitdem versuchten viele Sci-Fi-Serien an den Erfolg der Flugzeugabsturz-Serie anzuknüpfen; recycelten sogar Lost-Schauspieler um den Entzug erträglicher zu machen. Doch für mich stellte keine dieser Serien einen befriedigenden Ersatz dar. Kein FlashForward, V – Die Besucher, Heroes oder Fringe – Grenzfälle des FBI dieser Welt hatte für mich dieses gewisse Etwas. Orphan Black schafft es mit sauberem Storytelling, überragenden Schauspielern und einem faszinierendem Geheimnis, neuen Wind in das Sci-Fi Genre zu bringen. Eine zweite Staffel ist schon in Auftrag und soll im Frühjahr nächsten Jahres ausgestrahlt werden. Wegen einer grandiosen ersten Staffel geht mein Herz für Serie an Orphan Black.

Rätsel-Prämisse mit tiefer Mythologie
Eine junge Frau steigt aus einem Zug. Aus einem Münztelefon-Gespräch erfahren wir, dass ihr Name Sarah ist. Doch dann ereignet sich etwas Merkwürdiges. Eine weitere Frau läuft weinend immer weiter Richtung Bahnsteigkante. Kurz bevor sie sich vor den einfahrenden Zug wirft, dreht sie sich zu Sarah um und enthüllt, dass sie exakt wie Sarah aussieht. Geplagt von den eigenen Problemen, entschließ sich Sarah, die Identität der Toten anzunehmen. Ohne zu wissen, dass die Tote, die sich als Polizistin namens Beth Childs entpuppt, nur eine von vielen weiteren Klonen war, befindet sich Sarah schon knietief in einer rätselhaften Verschwörung (“We’re clones! We’re someone’s experiment and they’re killing us off!”)

Von Episode zu Episode tauchen wir tiefer in die Welt von Orphan Black ein und lernen die anderen Klone kennen. Diese sind genauso vielschichtig und facettenreich wie Sarah und nie so eindimensional, wie es ihre Tagline-Beschreibung befürchten lässt. Da wäre Alison, die selbstbeherrschte Soccer-Mum, die exzentrische Biologin Cosima und Helena, einer Psychopathin, die für das Töten der anderen Klone ausgebildet wurde. Neben den Klonen wimmelt es im Orphan Black-Universum von zwielichtigen Gestalten, deren Absichten nicht immer gleich klar sind. Sind die Neolutionisten (Neo+Evolution=Neolution) gefährlich oder sind es nur Spinner, die merkwürdige genetische Experimente durchführen? Wer tötet all die Klone? Wo kommen sie her und was macht dieser merkwürdige Code in der DNS aller Klone? Fragen werden aufgeworfen, beantwortet und um weitere doppelte Böden erweitert. Dabei hatte ich allerdings nie das Gefühl, dass das Drehbuch die Charaktere wie Strohpuppen durch die mysteriöse Story jagd. Die Motivationen waren aus Sicht der Charaktere immer glasklar; wenn auch schockierend, sodass mir nicht selten die Kinnlade offen stand.

Überragende Schauspieler und Charaktere
Bei einer Handlung, die mit Klonen und transplantierten Tier-Gliedmaßen hantiert (Neolutionisten), besteht die latente Gefahr, ins Lächerliche abzurutschen. Doch der gesamte Cast trägt das Klon-Konzept und ist in der Lage, es glaubhaft zu verkaufen. Im Kern steht und fällt Orphan Black mit der Performance von Tatiana Maslany. Und tatsächlich besteht nicht ein Mal Zweifel daran, dass alle Klone grund-verschiedene Personen sind. Das liegt nicht allein an den wechselnden Kostümen und dem guten Skript, sondern zu einem großen Teil an Tatiana Maslanys Fähigkeit, komplett hinter den unterschiedlichen Charakteren zu verschwinden. Sie versteht es, jedem Klon eine einzigartige Persönlichkeit und Stimme zu verleihen. Das Spektrum reicht dabei von breitem russischen Akzent bis hin zu Nuancen des englischen Dialekts. Selbst wenn Tatiana Maslany Szenen mit sich selbst austragen muss, hatte ich nie das Gefühl Opfer eines billigen Tricks zu werden. Doch richtig verrückt (und beeindruckend) wird es, wenn Tatiana Maslany zum Beispiel Alison verkörpert, während sie Sarah imitiert. Aber auch die Nebencharaktere, die nicht von Tatiana Maslany gespielt werden, können überzeigen. Felix, Sarahs schwuler Adoptivbruder, wird herrlich sarkastisch und mit dem tiefsten Cockney-Englisch von Jordan Gavaris gespielt. Es ist zwar oft für den comic relief zuständig, bringt aber auch seinen ganz eigenen Kosmos mit, der es Wert ist, erforscht zu werden. Damit ist dieser Abschnitt auch ein Plädoyer für die Originalversion, sollte es je eine deutsche Synchronfassung geben.

Orphan Blacks erste Staffel hat alles richtig gemacht und ein Cliffhanger-Finale präsentiert, das unbedingt Lust auf Mehr macht. Doch eine Serie mit einem so riesigen mythologischen Gerüst kann leicht fallen. Auch mein hochgelobtes Lost hat sich gegen Ende in seiner eigenen Geheimniskrämerei verfangen. Es sind noch viele Fragen offen, die ich nicht erst in fünf Jahren beantwortet sehen will. Doch wenn es Orphan Black schafft, dieses Niveau zu halten, könnte es mein neues Lost werden.

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