Meret Becker steckt in der Ehekrise

24.08.2010 - 08:50 Uhr
Meret Becker in Das Leben ist zu lang
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Meret Becker in Das Leben ist zu lang
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Die Komödie Das Leben ist zu lang von Dani Levy dreht sich um den jüdischen Filmemacher Alfi, der eine tiefschürende Sinnkrise zu bewältigen hat. Als dessen Ehefrau Helena ist Meret Becker zu sehen, die uns im Interview Rede und Antwort steht.

In Das Leben ist zu lang von Dani Levy muss sich Meret Becker als vernachlässigte Ehefrau Helena mit der Midlife-Krise ihres Mannes Alfi (Markus Hering) auseinandersetzen. Ihre Ehe kriselt bereits seit längerem, monoton und resignierend geht Helena ihrem Alltag zwischen Familie und Beruf nach – bis sie eines Tages eine unangenehme Entscheidung treffen muss.

Meret Becker stand bereits mit neun Jahren vor der Kamera. Seitdem war die Adoptivtochter von Otto Sander und Schwester von Ben Becker in mehr als 70 Kino- und TV-Produktionen zu sehen, unter anderem in Rossini, oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief, München und Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler. Im Interview spricht die 41-jährige über ihre Rolle im Film und verrät, wieviel von Helena sie selbst in sich trägt.

Frau Becker, ist das Leben zu lang?
Meret Becker: Ich finde das Leben nicht zu lang. Wenn man es nicht nutzt, dann ist es zu lang, wenn man es verschwendet. Persönlich könnte ich mehr Zeit brauchen, man kann so viel machen, ausprobieren. Man kann schreiben, Filme machen, singen; man kann reisen, Kinder kriegen, den LKW-Führerschein machen… Es gibt so wahnsinnig viele Optionen, dass man aufpassen muss, sich nicht zu verrennen. Und wenn man sich verrennt, hat man plötzlich gar keine Zeit mehr. Das wäre dann auch wieder blöd. Man muss aussortieren, bei sich bleiben, definieren, was man eigentlich will und mag.

Und wenn man das nicht schafft?
Meret Becker: Dann stagniert man, kommt in eine Krise. Man fragt sich: Wenn es jetzt plötzlich aus ist, bin ich da, wo ich sein mag? Oder erfülle ich nur irgendwelche Anforderungen?

Wie kommt man aus so einer Krise raus?
Meret Becker: Ich glaube, das braucht Mut. Man muss an das glauben, was man eigentlich möchte, und man darf sich nicht einschüchtern lassen.

Was hat Sie bewogen, diesen Film zu machen?
Meret Becker: Das war sehr süß, Dani kam und wollte für die Familie im Film Leute haben, die auch real für ihn was Familiäres bedeuten. So ist er an mich rangetreten, und da wäre mir völlig egal gewesen, was er machen will. Im Prinzip habe ich zugesagt, ohne das Drehbuch gelesen zu haben.

Was fällt Ihnen ein zur männlichen Midlife-Krise?
Meret Becker: Mir fallen dabei kleine Jungs ein. Zu einem Mann in der Midlife-Krise fällt mir was Unerwachsenes ein. Ganz viele Männer in der Midlife-Krise fangen ja was mit jungen Frauen an. Die Beziehung startet bei Null und man kann alles noch mal machen und so tun, als wäre das etwas ganz Neues, aber da geht auch irgendwann die erste Verliebtheit vorbei, und dann hat man wieder dasselbe wie vorher. Es wäre ja viel interessanter zu erfahren, was passiert, wenn man gleich weitergeht. Und noch etwas: Komischerweise ist bei Männern die Angst davor, den Beruf zu wechseln, viel größer als davor, die Frau zu wechseln. Ich glaube, ich würde eher den Beruf wechseln.

Was ist Alfi für ein Mann, was für eine Beziehung haben Alfi und Helena?
Meret Becker: Alfi ist ein liebenswerter, verschrobener Hypochonder, aber auch völlig verhaspelt. Ich glaube, das ist eine klassische Beziehungsnummer mit den beiden: Er verhaspelt sich und sie steht die ganze Zeit gerade. Und dann gerät die Beziehung aus dem Gleichgewicht. Wenn sich das so entwickelt, dass einer das Fundament darstellt und der andere in der Gegend rumfliegt, dann ist eine Krise absehbar. In so einer Krise sind Alfi und Helena.

Haben Sie Helena so gesehen, dass sie die ganze Zeit gerade stehen musste?
Meret Becker: Ja, sie hat alles aufgegeben, wovon sie geträumt hat, und er träumt immer weiter, kommt aber trotzdem nicht so richtig in die Gänge. Und sie kriegt nichts von dem hin, was sie eigentlich mal gewollt hat, sie ist immer müde. Helena kann nicht mehr, sie ist einfach durch. Sie zieht die Kinder groß und geht ihrem Beruf nicht mehr nach, sondern versucht nur noch, Kohle ranzuschaffen für die Familie und macht dabei etwas, was sie nicht machen mag.

War „immer müde“ der Schlüssel für die Rolle?
Meret Becker: Das war eine Grundidee. Da gibt es natürlich auch Vorbilder, Frauen, die ich beobachte, bei denen das so ist. Denen kommt jede Art der Haltung abhanden, da ist kein frischer Gesichtszug mehr, alles fällt ab. Diese Frauen schmeißen den Laden, sind für die ganze Familie zuständig. Und irgendwann sind sie es leid, zu sagen „Kannst du auch mal?“. Das haben sie auch schon aufgegeben, und jetzt machen sie nur noch, ohne zu meckern oder zu klagen, und sind ganz stumpf irgendwann. Das heißt nicht, dass die Liebe komplett weggeht, aber sie schläft ein.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und Helena?
Meret Becker: Sie ist in der Krise, sie sagt ja irgendwann, dass sie vielleicht nicht mehr da sein wird, wenn Alfi weiterhin so mit ihr umgeht. Helena hat Sehnsucht nach einer Urgewalt, nach einer Leidenschaft, die sie nicht mehr hat in ihrem Leben. Eigentlich will sie ihren Kerl, aber die Leidenschaft hätte sie auch gern zurück. Im Grunde ist sie geerdet, auf die Basis runtergebracht. Ich selbst halte mich auch für geerdet und normal und habe Lust, wahrhaftig zu sein und nicht eine Projektionsfläche darzustellen.

Als Schauspielerin sind Sie das doch automatisch…
Meret Becker: In meinen Rollen versuche ich immer etwas zu finden, von dem ich das Gefühl habe, dass das jeder kennt und sich damit identifizieren kann. Sonst gibt es ja keinen Grund, überhaupt etwas zu erzählen. So ist das eben bei Kunst, dass sie Gefühle der Betrachter wieder herstellt oder neu auslöst. Dann wird es doch erst spannend.

Am Donnerstag startet Das Leben ist zu lang in den Kinos. Wo Ihr den Film sehen könnt, erfahrt Ihr in unserem Kinoprogramm.

Mit Material vom X-Verleih

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