Mama, Papa, Monster – das Ende des Gruselfilms?

17.04.2013 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Mama
Universal Pictures
Mama
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Ist das aktuelle Horrorkino arm an wirklich unheimlichen Schrecken? Viel zu selten zumindest kommt das Grauen auf leisen Sohlen, viel zu oft ersetzen lautstarke Schocks wohligen Grusel. Mama, produziert von Guillermo del Toro, ist da keine Ausnahme.

Eine kleine verkommene Waldhütte, wie sie seit Tanz der Teufel aus dem Horrorfilm nicht mehr wegzudenken ist, leitet in Mama den Schrecken ein. Dort haust eine übernatürliche Gestalt, die sich den Papa zweier kleiner Mädchen regelrecht einverleibt. Jene Kinder, fünf Jahre später sichtbar verwahrlost und fast animalisch in ihrem Verhalten, hüten das schaurige Geheimnis unter Obhut ihrer Gasteltern, die den Schwestern nach deren Auffinden ein behütetes Heim nachreichen wollen. Das Geheimnis indes ist für den Zuschauer keines mehr: Den ruhelosen Geist der unheimlichen Mama präsentiert der Film ganz sichtbar noch vor Beginn seiner Titelsequenz, noch bevor er das attraktive Spiel um rätselhaften Grusel, erzählerische Zuverlässigkeit und die alles entscheidende Erwartungshaltung zu spielen beginnt. Wie kann ein Horrorfilm, der vordergründig um die gespenstische Aura eines immateriellen Monsters kreist, noch wirklich das Fürchten lehren, wenn er ebenjenes schon nach wenigen Minuten in aller Deutlichkeit preisgibt?

Unter den bisherigen Produktionen des spürbar um den Erhalt eines lebendigen, auch tatsächlich fantasievollen phantastischen Kinos bemühten Genrevirtuosen Guillermo del Toro ist Mama gewiss nicht die schlechteste. Nicht so unmöglich daneben wie Don’t Be Afraid of the Dark – Fürchte dich nicht im Dunkeln, etwa so okay wie Julia’s Eyes, aber auch nicht annähernd so geistreich und schauderhaft wie die Haunted-House-Paraphrase Das Waisenhaus. Dennoch vereint der Film nahezu alle abgehangenen Erscheinungen des gegenwärtigen Horrorkinos, bleibt deutlich hinter seinen Möglichkeiten und demonstriert auch einmal mehr, dass tatsächlich erzeugtes Gruseln, wahres Unbehagen zu den schwersten Disziplinen des Genres zählt.

Nun mag gewiss jeder einen anderen Wert dafür bestimmen, was er als gruselig empfindet, mag es eben sehr subjektiv sein, wo das Unheimliche zu schwitzigen Händen und erhöhtem Ruhepuls führt. Aber: Die Offensichtlichkeit der Strategien und Taktiken des Großteils heutiger Horrorfilme scheint für nachhaltige Schauer denkbar ungeeignet.

Schön an Mama ist, dass er effektiv mit Alltagsbildern arbeitet, die er genüsslich ins Bizarre verdreht, und dass er sehr stimmungsvoll die durchaus auch gefühlige Geschichte in ihre eigenen Abgründe führt. Weniger schön hingegen ist, wie er das Unwohle des Schauermärchens weitgehend mit den grobschlächtigen, lautstarken audiovisuellen Mitteln des Buh-Horrors beeinträchtigt – statt hervorhebt. So wird mittels geläufiger Jump- bzw. aus gutem Grund auch so genannter Cheap-Scares dauerhaft Spannung aufgebaut und rasch wieder entladen, statt das Unbehagen sanftmütig, schrittweise und eben kontinuierlich an jene Schmerzgrenze zu führen, an der echter Horror erst beginnt. An der das Gruseln zum nicht mehr erträglichen Lustspiel gerinnt, wegen dessen kathartischer Wirkung es im besten Fall wohlverdient einem puren Filmerleben gleicht. Das Horrorkino aber glaubt diesen Effekt nunmehr nicht selten allein via großzügiger Schocks und Scares herstellen zu können, statt ihn wirkungsvoll und vor allem sorgfältig zu strukturieren.

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