Lieblingsfilm. Lieblingsserie. Lieblingsqualderwahl

03.09.2012 - 08:00 Uhr
Bob Morane
moviepilot / Cactus Animation
Bob Morane
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Wieder kramt ein moviepilot-User in seiner Vergangenheit. Zum Vorschein kommt eine Serie, die ihresgleichen sucht, aber es nur auf eine Staffel gebracht hat. Sehenswert ist sie allemal. Lest selbst!

Erst Lieblingsfilm, dann Lieblingsserie. Meine Güte, was Moviepilot nicht immer alles fordert. Und jetzt ist auch noch Guild Wars 2 draussen – wie soll ich denn bitte die Zeit dafür haben? Zumal ein Lieblingsfilm ja schon hart zu bestimmen ist, aber gleich eine Serie? Generell ist es extrem schwer eine Lieblingsserie zu haben, denn anders als ein Lieblingsfilm zieht sich eine Serie ja bekanntermaßen über viele Episoden und Staffeln hinweg. Sie unterliegt einem ständigen Wandel, Charaktere kommen und gehen, Plot und Story verändern sich. Manchmal mag man diese Änderungen und manchmal nicht, weshalb eine Serie, die man eventuell in‘s Herz geschlossen hat, plötzlich nicht mehr funktioniert und einem mit Anlauf einen Tritt in die Kronjuwelen verpasst – wie im Falle von Heroes, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Wie konnte man nur die letzten Staffel so versauen? Naja … wo waren wir gleich? Achja! Natürlich gab und gibt es viele großartige Serien: The Walking Dead, Game of Thrones oder auch die jetzt bald auch in Deutschland startende Person of Interest (Geheimtip!). Doch diese Serien sind nicht beendet; sie können immer noch abdriften und, ähnlich wie Heroes, in der Belanglosigkeit verlaufen.

Hach … Nostalgie.
Also buddle ich lieber in der Vergangenheit. Doch wo sucht man da am Besten? In der Jugend? Bei den Klassikern? Oder gar in der Kindheit? Ja, das wird es wohl sein. Aber spielt da nicht Nostalgie eine Rolle? Hebt Nostalgie Schwächen einer Serie auf? Oben genannte Serien sind nämlich alle handwerklich absolut perfekt; wie kann ich mich also erdreisten, eine Zeichentrickserie aus Frankreich aus dem Jahr 1999 auf so ein hohes Podest zu heben, das alle Serien überragt – zumal die sowieso fast keine Sau kennt? Gute Frage, ich weiß es nicht. Eher gesagt, ich weiss es nicht genau. Vielleicht Nostalgie? Vielleicht liegt es daran, dass ich es mit 12 Jahren noch nicht gewohnt war eine so „erwachsene“ Serie zu schauen, die ihrer Zeit weit voraus war? Der markante Zeichenstil war eine gekonnte Gegenbewegung zu den sonst extrem rund gezeichneten Figuren, die im üblichen Programm zu sehen waren. Die Charaktere waren das erste Mal keine überzeichneten Trickfiguren, sondern wirkten „real“. Sie waren verletzlich, angreifbar, menschlich. Sie machten Scherze, kämpften um ihr Überleben und konnten sterben. Das war neu. Das war anders. Das war aufregend. Aber fangen wir doch von vorne an:

Es war einmal ein kleiner Junge …
Es ist irgendwann 1999, kurz vor 20.15 Uhr. Ein 12 jähriger Bub sitzt gespannt vor dem Röhrenfernseher und starrt auf den Sender seiner abendlichen Unerhaltung: Super RTL. Gleich geht es los. Die Zähne sind bereits geputzt, der Pyjama an – denn wenn die Folge um 20.45 vorbei ist, ist Schlafenszeit angesagt. Hier schon das Novum: eine Zeichentrickserie, die um 20:15 Uhr beginnt – Woah! Dann geht es los. Ein Blitz hellt eine Silhouette in kurzes Licht. Das kantige, markante Gesicht eines Mann schaut in die Kamera. Ein erneuter Blitz. Der Kopf dreht sich und wird wieder schwarz. Danach ein Kameraschwenk über Augen, die mich skeptisch betrachten. Dann sieht man ihn im Seitenprofil, wie er ein einem großen, schwarzen „B“ vorbei läuft und seine Jacke auszieht. Eine dunkle Gestalt mit grünem Monokel stiert mich plötzlich an. Sie hat unseren Helden im Visier.

Die orchestrale Musik verstärkt sich just in dem Moment, als sich unser Held in Pose wirft und das Bild gefahrvoll rot wird. Dann – ein Mann in schwarzem Anzug und mit gelber Haut blickt finster über das Geschehen. Ein Amulett kreist, bis unser Held durch das schwarze Bild bricht und fallenden Sägeblättern ausweicht, sich eine Liane schnappt und einer Explosion entkommt. Es taucht ein gigantischer Roboter auf, gefolgt von einem Dinosaurier im Regen. Der Held und das mächtige Tier stehen sich argwöhnisch gegenüber, eher auf einem Schwert im Mondlicht ordentlich Tritte ausgeteilt werden. Er springt herunter, Bösewichte tauchen auf. Unser Held fällt, während Freund und Feind eingeblendet werden. Dann landen seine Füße effektvoll im Wasser, während der Score sich ein letztes Mal aufbäumt. Ein „Bob“ zuckt unter Blitzen auf den Bildschirm, danach ein „Morane“, ebenfalls unter Blitzen. Bob Morane strahlt mir entgegen. Puh! Ich bin geflasht. Das war gerade mal das Intro! Das Intro zu meiner absoluten Lieblingsserie inklusive dickem Nostalgiebonus.

Von ungeahnter Tiefen und greifbaren Charakteren
Denn auch jetzt, da ich hier sitze, treibt mir die Introsequenz die Gänsehaut auf den Rücken. Ich bin wieder 12, sitze in meinem Kinderbett und fiebere mit dem „Commander“ mit, der gegen gefährliche Widersacher antreten muss. Keine 08/15 Kriminelle, wie man sie sonst aus den damaligen Serien kennt. Ming, der gelbe Schatten, ist einer der Antagonisten. Ein hochintelligenter Soziopath, ein würdiger Gegenspieler durch und durch, der die Welt in‘s Chaos stürzen will – und doch ist er nicht so einfach zu verstehen. Denn dieser Bösewicht hat Schwächen. Er ist verletzlich. Er hat eine Nichte, die er über alles liebt. Er verdankt unserem Helden sein Leben und kann ihn daher nicht ohne Weiteres aus dem Weg räumen. Hoppla – was ist das? Der erste Kontakt mit Figuren, die nicht nur schwarz-weiß gezeichnet sind? Korrekt. Auch sonst widerspricht diese Serie den damaligen Konventionen üblichen Kinderfernsehens. Zum Beispiel bei der Gewalt: Ming verliert im Laufe der Serie seine Hand, die ihm abgetrennt wird – unblutig zwar, aber man sieht dennoch fast alles. Dazu wird geballert, gekämpft und in die Luft gejagt, dass die Expandables nur mit den Ohren schlackern können. Natürlich alles mehr oder minder kinderfreundlich verpackt, aber trotzdem für die Zeit unfassbar detailliert. Auch die Geschichten verlaufen nicht nach bekannten Mustern. Da geht es um Atom-Terror, Strahlen-Angriffe (Dr. Xathan!), Manipulation durch Medien, Halluzinogene, Paralleluniversen oder gar ein Zeit-Paradoxon, das dazu führt, dass eine Episode
fast durchgängig in abstraktem Schwarz/Weiss gehalten ist, bis nicht nur die Figuren, sondern auch ich den Überblick über Fiktion und Realität verliere. Durch die Figur der mysteriösen Ylang Ylang kommt sogar so etwas wie eine Prise Erotik in‘s Spiel, indem sie Bob mit ihrer leicht verführerischen Ausstrahlung mehr als nur einmal den Kopf verdreht.

Da man die Serie dank gewisser Videoportale komplett anschauen kann, merk ich jetzt viele Jahre später natürlich, dass hier und da Themen nur angeschnitten werden und Potential nicht immer genutzt wird. Aber damals waren Serien eben in diesem Format auf 20 Minuten beschränkt, da konnte nicht so sehr in die Tiefe gegangen werden, wie man das vielleicht hätte machen können und müssen, wie es heute der Fall ist. Es ändert aber dennoch nichts daran, dass Bob Morane meine erste, große Serienliebe war, die mich auch heute noch begeistert. Schade, dass nach 1 Staffel bzw. 26 Folgen Schluss war. Dennoch wertschätze ich sie immens. Sie hat mir gezeigt, dass das Böse nicht immer eindimensional, dass Gewalt nicht immer blutig und dass Geschichten nicht immer linear sei müssen. Bob Morane hat Maßstäbe gesetzt. Maßstäbe, die aus heutiger Sicht vielleicht nur noch ein müdes Lächeln wert sind, die aber Anno 1999 dafür gesorgt haben, dass ein kleiner Junge für einen Moment in einer Welt gefangen war, in der ein Mann mit seinen Freunden gegen Mächte antreten musste, die damalige Serienkonventionen weit hinter sich gelassen haben und gezeigt hat, dass Zeichentrickserien verdammt explosiv, spannend, vielschichtig und faszinierend zugleich sein können. So lernte der kleine Jung auch das erste Mal, tiefer in dieses Medium einzudringen. Ich werde jetzt mal wieder in meine Kindheit abtauchen … Commander, los geht‘s! Der gelbe Schatten wartet auf uns …


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