Am Dienstag hatten wir einen Kommentar des Hauptdarsteller Leon Lucev, gestern kam mit Zrinka Cvitešić die weibliche Protagonistin zu Wort und heute liefern wir pünktlich zum Kinostart von Zwischen uns das Paradies noch ein paar Anmerkungen der Regisseurin Jasmila Zbanic nach.
Kommentare von Drehbuchautorin & Regisseurin Jasmila Zbanic
Unterwegs sein
Der Film beschreibt die Suche eines Menschen nach sich selbst, seine Bemühungen, bestimmte Lebensziele zu erreichen, und seinen Umgang mit den Herausforderungen, vor die er dabei gestellt wird. Als Ehepaar sind Amar und Luna auf ein- und demselben Weg eines Lebens in Liebe und Eintracht. Doch dann weichen ihre Wege voneinander ab, und sie müssen Entscheidungen treffen, als Paar und als Individuen.
Der Kinderwunsch
In Zwischen uns das Paradies wünscht sich Luna von dem Mann, den sie liebt, ein Kind, und tatsächlich hat sie die Wahl, ob sie das Kind bekommen will oder nicht. In meinem ersten Spielfilm, Esmas Geheimnis – Grbavica, hatte Esma diese Wahl nicht, da sie in einem Gefangenenlager vergewaltigt wurde. Die Vergangenheit ist zwar für beide Frauen ein wichtiger Aspekt, aber Luna muss ihre Entscheidungen doch eindeutig im Hier und Heute treffen. Ihre Liebe ist sich ihrer Verantwortung gegenüber ihrer Beziehung, aber auch gegenüber sich selbst und ihrer Zukunft bewusst. Luna wünscht sich leidenschaftlich, Mutter zu sein, aber sie macht sich auch Gedanken über die Bedingungen dieses Wunsches und seinen Preis. Dies ist eine Entscheidung, die sie ganz allein treffen muss, sobald sie ihre Welt wieder in Ordnung gebracht hat.
Eine von Religion bestimmte Welt
So zentral die Religion in Zwischen uns das Paradies auch sein mag, so war es doch nicht meine Absicht, einen Film über Religion zu drehen. Der Punkt ist vielmehr, inwieweit sich Amars religiöse Wandlung auf seine Beziehung zu Luna auswirkt. Obwohl Lunas Haltung oft sehr kritisch ist, ist damit nicht gemeint, dass ich in meinem Film den Islam an den Pranger stellen wollte. Ich hatte den Islam gewählt, weil er die organisierte Religion ist, mit der ich am engsten vertraut bin. Ich denke aber, Zwischen uns das Paradies hätte genausogut über ein Paar sein können, in dem ein Partner sich plötzlich dem ultraorthodoxen Judentum, einer fundamentalistischen christlichen Sekte, oder meinetwegen Hare Krischna zuwendet.
Amars Wandlung
So wie viele Männer in Bosnien-Herzegovina ist Amar ein Ex-Soldat, der den Boden unter den Füßen verloren hat. Er trinkt, um die emotionale Leere zu betäuben, die der Tod seines Bruders, der Krieg, und die Misslichkeiten des modernen Lebens in ihm hinterlassen haben. Er ist labil und versucht verzweifelt, in den neuen Umständen einen Sinn zu fnden. Er verspürt das Bedürfnis nach Brüderlichkeit, nach männlicher Kameradschaft, nach Schutz. All das fndet er in der Religion. Andererseits sind Lunas Liebe zu ihm und seine Liebe zu ihr für ihn genauso wichtig. Mein Ziel war es, Amar und seine Wandlung zu erforschen. Bei meinen Recherchen fand ich heraus, dass eine Wandlung gewöhnlich dann am raschesten vonstatten geht, wenn die vorangegangene emotionale Leere sehr groß war. Amar sehnt sich nach vielem: Trost, Sinn, Erklärungen, Identität. Bei der Wahabiten-Gemeinde fndet er den Frieden, den er gesucht hat, die Antworten, die er so verzweifelt braucht, und das Gefühl, ein akzeptiertes Mitglied einer Gruppe zu sein.
Mit Pressematerial von Mücke Filmpresse