Jessica Schwarz schwärmt von Buddenbrooks

24.12.2008 - 09:00 Uhr
Jessica Schwarz in Buddenbrooks
Warner Bros. Ent.
Jessica Schwarz in Buddenbrooks
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NEWS» Jessica Schwarz über ihre Arbeit bei den Buddenbrooks: Hier ging ein Mädchentraum in Erfüllung.

Wann sind Ihnen die Buddenbrooks und Thomas Mann zum ersten Mal begegnet?
Ich muss 13, vielleicht 14 Jahre alt gewesen sein, als ich die Buddenbrooks im Bücherschrank meiner Eltern entdeckte. Ich habe dann angefangen, das Buch zu lesen, aber schnell wieder aufgegeben. Ich war damals definitiv nicht im richtigen Alter für dieses Buch. Ich erinnere mich aber, dass ich dachte, irgendwann wird der richtige Zeitpunkt dafür kommen. Und so war es dann auch – in Vorbereitung auf den Dreh habe ich natürlich das Buch gelesen und mich sehr intensiv damit beschäftigt. Es war eine tolle Erfahrung, sich Literatur auf diese Art zu nähern.

Wo liegt für Sie die Aktualität, das Universelle des Romans, der vor mehr als hundert Jahren erschienen ist?
Ich denke, dass es ein grundlegendes Interesse an Geschichte gibt. Die Buddenbrooks erzählen auf sehr genaue Weise, wie das Leben in der damaligen Zeit war, welchen Zwängen und Pflichten die Menschen damals unterworfen waren, welchen Umgang sie miteinander pflegten, wie wichtig Etikette und Stil waren – wie sehr all dieses ihr Leben beeinflusste. Die Menschen damals erlebten eine Zeit des großen Umbruchs, in der Dampfschiffe und andere technische Neuerungen, wie z.B. der Morseapparat, schlagartig das Tempo der Industrie erhöhten. Eine ganze Ära ging zu Ende und viele Familien verloren alles. Da gibt es durchaus Parallelen zur heutigen Zeit. Unser elektronisches Zeitalter zwingt uns ebenfalls, uns mit den dadurch hervorgerufenen Neuerungen auseinanderzusetzen. Aber wenn ich mir anschaue, mit welchen Widrigkeiten die Menschen vor zwei, drei Generationen kämpfen mussten, dann werde ich bescheidener. Gerade wir, die jüngere Generation, verlieren das gerne mal aus den Augen.

Sie spielen Tony Buddenbrook. Wie sehen Sie die Figur?
Tony ist eine Frau, die Träume und Illusionen hat, die in dieser Zeit nicht angebracht waren und schnell unterbunden wurden. Sie erlebt einmal die große Liebe, leider mit dem falschen Mann. Letztlich unterwirft sie sich dem Zwang der Familie, dennoch hat sie eine gewisse Zuversicht, ein großes Herz und bekennt sich zu dieser Familie und dieser Chronik. Das ist das Wichtige an dieser Figur. Wir haben die Tony durchaus ein wenig moderner, weniger naiv gestaltet, als sie im eigentlichen Roman ist. Zu Anfang fiel es mir schwer, mich von dieser Tony zu verabschieden, aber dann habe ich bewusst den Roman beiseite gelegt und meinen eigenen Weg gesucht. Die von uns entwickelte Tony ist vielschichtiger, betrachtet die Dinge etwas übergeordneter. Wir zeigen sie als eine Person, die durchaus etwas von den Geschäften versteht, die mit ihrer zweiten Heirat der Familie wieder zu Ansehen verhelfen möchte. Nach dem Scheitern dieser Ehe unternimmt sie dann nochmals einen Versuch der ‘Wiedergutmachung’. Sie überredet den Bruder zum risikoreichen Kauf der erst noch heranwachsenden Ernte eines Guts bei Poppenrade, ein Geschäft, das dann abermals misslingt. Tony ist ja durchaus auch eine tragische Figur, aber auch in ihrem Scheitern bewahrt sie sich eine gewisse Selbstzufriedenheit, die sie antreibt, weiter zu machen, nicht stehen zu bleiben und mit dem eigenen Schicksal zu hadern. Dadurch ist sie vielleicht die Stabilste, Bodenständigste unter den drei Kindern.

Wie war es für Sie, mit so erfahrenen Kollegen wie Iris Berben oder Armin Mueller-Stahl zusammen zu arbeiten?
Es ist ein unglaubliches Ensemble, das für diesen Film zusammengekommen ist. Man lernt wahnsinnig viel, man muss nur die Augen offen halten, selbst stark sein und bei seiner Figur bleiben. Das ist es, was am Ende ein gutes Ensemble ausmacht. Für mich war die Zeit eine unglaubliche Bereicherung und ich bin sehr glücklich, diesen Dreh gemacht und diese Familie erlebt zu haben. Wir wussten, dass wir vier Monate Zeit haben würden, um zusammenzuwachsen, aber schon am ersten Drehtag haben wir uns gesagt: “Wir sind eine Familie!” Und so entstand ein phantas – tisches Miteinander.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Regisseur Heinrich Breloer empfunden?*
Die Arbeit mit Heinrich Breloer war eine wunderbare neue Erfahrung für mich. Er weiß unglaublich viel über die Zeit der Buddenbrooks und hat ein quasi unerschöpfliches Wissen. Durch ihn habe ich Dinge erfahren, die es mir leichter gemacht haben, die Figur der Tony darzustellen. Zu Anfang war ich in einigen Dingen unsicher, dadurch wollte ich noch genauer, noch präziser spielen. Das hat dann schon mal dazu geführt, dass Heinrich Bre loer und ich uns aneinander gerieben haben, aber der Rolle der Tony hat dies, glaube ich, sehr gut getan.

Wie haben Sie den Dreh in dem großartigen Buddenbrookhaus er lebt, das für den Film nachgebaut wurde?
Als ich das erste Mal durch dieses Haus gegangen bin, war ich unglaublich beeindruckt. Das war keine Kulisse, sondern es fühlte sich an wie ein richtiges Haus: Fest und standhaft gebaut wie diese Familie selbst. Man ging hinein, lebte darin, man spielte. Dieses Gefühl von Dimension machte es einem ungeheuer leicht, sich darin zu bewegen. Am Anfang war alles noch sauber, dann nach einer Woche, als sich so viele Menschen darin bewegten, flogen die ersten Staubpartikel durch die Luft. Man saß im Licht und es flirrte um einen herum, so dass man das Gefühl hatte, vor den Fenstern wäre ein heißer Jahrhundertsommer.

Nach zwei Wochen Dreh entdeckte ich eine Spinnwebe und dachte: “Sogar die Spinnen kommen hier in dieses Haus wie in jedes andere”. Das war wirklich alles sehr authentisch und real. Wenn unsere Köchinnen in der Küche standen, das Kontor mit Arbeitern gefüllt war, eine Taufe gefeiert wurde… dann hatte ich das Gefühl, ich lebe genau in dieser Zeit. Da war es manches Mal fast irritierend, sich nach Drehschluss in der eigenen, der realen Welt wieder zurecht zu finden.

Inwieweit haben die sehr aufwändigen Kostüme Ihre Rollengestaltung beeinflusst?
Es hat ein bisschen gedauert, bis ich in die Kostüme hinein – gewachsen bin. Am Ende fühlte sich jedes Kostüm wie reale Kleidung an. Die langen Dreharbeiten haben sicher geholfen. Irgendwann merkte man, dass man diese Kleider nicht mehr bespielt, sondern dass sie – wie die Frisuren – zu einem gehören. Zwar bin ich jetzt dankbar, keine Korsage mehr tragen zu müssen, aber ich fand jedes neue Kostüm toll. Ich habe mich jeden Tag gefreut, wenn Léa Bosco alias Gerda, Iris Berben oder die Jungs in neuen Kostümen kamen. Da geht schon ein Mädchentraum in Erfüllung.

Es dauert halt, bis man sich morgens fertig gemacht hat und dann in den Tag hinein geht. Auch die eigene Körperhaltung ändert sich. Ich habe während der Dreharbeiten nie mit übergeschlagenen Beinen gesessen. Es hätte viele Möglichkeiten gegeben, wo man es nicht gesehen hätte. Es ist halt die entspanntere, modernere Haltung der Frau. In diesem Fall habe ich es einfach nicht gemacht, ich wollte nicht. Ich hatte nicht einmal meine Hand an den Hüften, auch weil es sich für Tony nicht geziemt hätte. Man fühlte in diesen Kostümen, dass bestimmte Bewegungen und Gesten einfach nicht angebracht gewesen wären.

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