Im Zeichen des Bösen - Der pechschwarze Endpunkt des Film noir

26.06.2018 - 08:30 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Im Zeichen des BösenKoch Media
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Mit Im Zeichen des Bösen schuf Orson Welles einen deprimierend-dunklen Klassiker. Der Film ist nicht nur einer der Höhepunkte des Film noir, sondern markiert gleichzeitig dessen unübertrefflichen Endpunkt.

Gut 3,5 Minuten dauert es, bis in Im Zeichen des Bösen von Orson Welles der erste Schnitt erfolgt. 3,5 Minuten, in denen die Kamera über und zwischen den Ereignissen schwebt, die den virtuos inszenierten Auftakt dieses Film noir darstellen. Ein Auto will von der mexikanischen Kleinstadt Los Robles aus über die amerikanische Grenze fahren. In der Nähe des Autos befinden sich der mexikanische Drogenfahnder Miguel Vargas und seine frisch angetraute, aus Amerika stammende Ehefrau Susan auf dem Weg in ihre Heimat. Kurz darauf explodiert das Auto und ein Kriminalfall wird in Gang gesetzt, der die mexikanische Polizei ebenso betrifft wie die amerikanische. Was folgt, lässt sich ruhigen Gewissens als Klassiker der Filmgeschichte bezeichnen, der sich in die berühmte Welle der sogenannten Schwarzen Serie einfügt, nur um den Film noir mit bitterster Konsequenz zu einem Endpunkt zu führen.

Verschwimmende moralische Grenzen in Im Zeichen des Bösen

Zunächst erscheint der mexikanische Drogenfahnder Vargas, der von Charlton Heston mit braun geschminktem Gesicht gespielt wird, als sicherer Protagonist in Orson Welles' Film. Der Ermittler steht offensichtlich für die gute Seite der Moral und kämpft für ein Recht, mit dem das Böse auf dieser Welt in seine Schranken gewiesen werden soll. Mit der Kehrseite dieser Moral setzt sich der Regisseur im Kern seines Werks auseinander, sobald Vargas auf den alten amerikanischen Polizei-Captain Hank Quinlan trifft. Der übergewichtige Quinlan, der seinen vom Alkohol aufgedunsenen Körper träge von Szene zu Szene schleppt, erweist sich schließlich als bedeutende Schlüsselfigur in der Geschichte von Im Zeichen des Bösen.

Im Zeichen des Bösen

Um einen Täter dingfest zu machen, ist Quinlan jedes Mittel recht. Er manipuliert Tatorte, platziert gefälschtes Beweismaterial und schüchtert Verdächtige mit körperlicher Gewalt ein, um sie gezielt in eine Ecke zu drängen. Er selbst nennt es seine Intuition, die ihn angeblich nie im Stich lässt. Von seinen amerikanischen Kollegen wird Quinlan wie ein Idol verehrt, doch in diesem speziellen Fall ist er mit dem Mexikaner Vargas an den Falschen geraten. Der Drogenfahnder merkt schnell, dass der schwerfällige, finstere Captain zu korrupten Maßnahmen greift. Schließlich will Vargas nicht nur den eigentlichen Mordfall lösen, sondern zusätzlich Quinlan als Kriminellen überführen.

Im Zeichen des Bösen lässt aus Stereotypen graue Schattierungen werden

Im ursprünglichen Drehbuch war es tatsächlich so geplant, dass Vargas die klare Hauptfigur in Im Zeichen des Bösen sein sollte. Als das Studio auf Anraten von Hauptdarsteller Charlton Heston hin Orson Welles als Regisseur für den Film engagierte, bestand dieser jedoch darauf, das Drehbuch noch einmal überarbeiten zu dürfen. Welles, der die Rolle von Quinlan mit Prothesen und viel Make-up selbst spielt, rückte den lebensmüden Ermittler bewusst in den Mittelpunkt des Drehbuchs, um eine der moralisch ambivalentesten Figuren des Film noir zu kreieren. Furios spielt der Regisseur seine Figur als brodelndes, von Hass zerfressenes Monstrum, das nach und nach immer tragischere Schichten seiner Existenz offenlegt.

Im Zeichen des Bösen

Vor langer Zeit wurde seine Frau von einem Verbrecher ermordet, den er selbst nie zu fassen bekam. Zusammen mit all den anderen dunklen Abgründen, in die Quinlan im Laufe seiner polizeilichen Karriere blicken musste, ist dieser Mensch somit schlicht das Resultat seines Umfelds, einer Welt aus Gewalt, Korruption und Verbrechen. Wie ein jüngeres Spiegelbild von ihm wirkt Vargas, mit seinem idealistischen Moralkodex und der jungen, schönen Frau an seiner Seite, die augenscheinlich nur darauf wartet, zur Zielscheibe des Polizei-Captains zu werden, damit dieser den mexikanischen Drogenfahnder an seiner verwundbarsten Stelle trifft.

Zwei Jahre, bevor Janeth Leigh als Marion Crane in Alfred Hitchcocks Psycho einen gleichermaßen berüchtigten wie schockierenden Abstieg in das Motel von Norman Bates vollziehen sollte, gerät sie in Im Zeichen des Bösen in der Rolle von Susan bereits zum ersten Mal in ein Motel. Bereits hier nahm ihr Aufenthalt kein allzu gutes Ende. Beim Zusammentreffen zwischen Quinlan, einer unter Drogen gesetzten Susan und dem zwielichtigen Motel-Besitzer steigert sich Im Zeichen des Bösen für einen kurzen Moment endgültig zum alptraumhaften Delirium des Mordens und der tiefen Schatten, die sich in alles durchdringende Dunkelheit verwandeln. Stereotypen sind in Welles' Film unterdessen längst zu grauen Schattierungen geworden, die sich in kein passendes Muster mehr einfügen lassen.

Im Zeichen des Bösen

Das Finale von Im Zeichen des Bösen als finsterer Endpunkt des Film noir

Vollendet wird dieser unnachahmlich finstere Endpunkt des Film noir nur noch durch sein Finale, in dem Idole nach einer mitreißenden Abhöraktion durch die Hand ihrer eigenen Verehrer zu Staub zerfallen. Hier erhält zudem Leinwandlegende Marlene Dietrich noch einen unvergesslichen Auftritt. In ihrer nur wenige Minuten umfassenden Rolle als Wahrsagerin und alte Bekannte von Quinlan hat sie ihm zuvor im Film noch gesagt, dass sie in seine Zukunft nicht mehr blicken kann. Er hätte sie bereits aufgebraucht. In den letzten Minuten tritt die von Dietrich gespielte Tanya, welche die Schauspielerin später als ihre persönliche Lieblingsrolle bezeichnet hat, noch einmal auf. Mit ihren letzten Worten überlegt sie: "Was spielt es überhaupt für eine Rolle, was man über Menschen sagt?"

Was haltet ihr von Im Zeichen des Bösen?

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