Ich, Worms Armageddon & die heilige Handgranate

14.04.2015 - 09:45 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Die Ruhe vor dem Wurm
Atari
Die Ruhe vor dem Wurm
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Während andere Kinder nach Würmern buddelten, um sie auf Angelhaken zu spießen, gab ich ihnen Maschinengewehre in die Hand und manövrierte Superschafe und Bananenbomben durch zerrüttete Ruinen einer Insel aus Torten. Danke, Worms Armageddon.

Da ich schon als Halbwüchsiger etwas für überholte Sitcom-Klischees übrig hatte, durchwühlte ich um die Jahrtausendwende herum das Schlafzimmer meiner Eltern, schließlich stand Weihnachten kurz bevor. Ich war mir fast sicher, dass ich endgültig klargemacht hatte: Dieser Haushalt braucht eine PlayStation, denn Videospiele sind jetzt 3D! OMG, Mama! Trotz dieser stringenten Argumentationsweise zögerten meine Eltern aber zu lange, als dass ich selbstsicher auf Heiligabend hätte warten können.

Glücklicherweise blieben mir zweifelhafte Funde erspart und das einzige Geheimnis, dass ich in einem Koffer unter einem Stapel alter Jacken zutage getragen hatte, war ein grauer Kasten, der laut Sony 500 Deutsche Mark wert war. Kaum war also ein stubenfreier Abend gefunden, buddelte ich mein Geschenk aus, schloss das Gerät an den einzigen Fernseher im Haus an und ließ meinen kleinen Bruder ob der Grafikpracht in stiller Ehrfurcht erstaunen.

Ein Wurm macht noch keinen Weltuntergang

Zum weihnachtlichen Vorabtest fehlte dann nur noch das Spiel, das ebenfalls auf dem Wunschzettel stand. Trotz meiner fachlich geschulten Hinweise auf die digitale Eroberung der räumlichen Tiefe und der dreidimensionalen Spielwirklichkeiten hatte ich es nämlich nur auf eines abgesehen: Worms Armageddon . Bisher durfte ich die wirbellosen Schlachten nur bei meinem Cousin spielen, der die Konsole schon seit einem halben Jahr sein Eigen nannte. Schon ein halbes Jahr! OMG, Mama!

Tatsächlich lag Worms der Konsole bei. Aber eben wirklich nur Worms , der erste Teil, der Vorgänger, der Wurmfortsatz, sprich: Das Spiel, das ich nicht wollte. Natürlich war das Debüt der kriechenden Krieger ebenfalls spaßig und die Entwickler von Team 17 legten schon hier den Grundstein für den absurden Stil der Reihe und dem Artillery-Gameplay, das Worms Armageddon nur noch verfeinerte. Trotzdem wollte ich doch das andere Wurmspiel haben! OMG, Mama!

? God Save the Queen ?

Also musste ich noch 3 weitere Monate warten, bis ich es mir wieder erlauben konnte, Wünsche zu äußern. Letztlich fand der würmische Weltuntergang dann doch noch seinen Weg zu mir und ich konnte mich in den taktischen Feinheiten des Spiels verlieren. Tatsächlich wird gerne vergessen, dass Worms Armageddon eben nicht nur witzig, bekloppt und ein wahrer Multiplayer-Segen war, sondern durch das Abschätzen von ballistischen Bahnen, der Möglichkeit Tunnel zu bohren und dem Zeitlimit enorme strategische Tiefe besaß.

Das ist taktisches Vorgehen! OMG, Mama!

Zugegeben, letzteres habe ich selbst erst nach vielen Monaten wirklich eingesehen, aber die darauf folgenden brüderlichen Auseinandersetzungen dürften selbst passionierten eSport-Fans den Schweiß auf die Stirn treiben. Ich buddelte mir ein wahres Tunnelsystem zurecht, versperrte ungeliebte Eingänge mit den länglichen Metallbalken und traf mit der heiligen Handgranate stets punktgenau, auch wenn der Feindeswurm am anderen Ende des Fernsehers stationiert war.

Auch in der Königsdiziplin, mit dem Ninja-Seil durch das Level hangeln, war ich ein wurmidabler Virtuose, der seinesgleichen sucht. Und so kam es dann, dass mein selbsterstelltes 4-köpfiges(?) Wurm-Team, bestehend aus "Ronald Reagan-Wurm", "Wurmkönig Hannes", "Made in China" (haha, versteht ihr?) und "Alfons" über weite Strecken ungeschlagen blieben. Bis ich dann mal gegen jemand anderes als meinen kleinen Bruder spielte, aber so spielt das Leben.

Ihr wisst, was zu tun ist, Marvel

Leider hat die Reihe nach Worms Armageddon schleichend an Qualität verloren und neue Impulse konnten kaum noch gesetzt werden. Daher bin ich bis heute der Meinung, dass der zweite große Worms-Ableger aus dem Jahr 1999 den Höhepunkt der Reihe darstellt. Ob ich damit allein bin, ist mir eigentlich schnurzpiepegal, es ist ja nur eine dumme Meinung. Außerdem: Was wisst ihr denn schon und ich finde euch sowieso doof (stimmt nicht wirklich). Fest steht: Worms Armageddon ist grafisch sowie spielerisch wunderbar gealtert und könnte auf dem heiß umkämpfen Indie-Markt noch immer mithalten (stimmt wirklich).

Lokaler Multiplayer ist heutzutage wieder schwer gefragt und auch der Humor von Worms Armageddon hat mittlerweile allenfalls einen charmanten 3-Tage-Bart. Lasst also alles stehen und liegen, wühlt in den Schlafzimmern jedweder Autoritätsperson, ruft mit aufgeregter Stimme, dass ihr Würmer sucht und hofft auf den einen Fund, der euch den kommenden Sommer versüßt. Und wenn ihr dann mit eurem letzten Wurm aus einem Seitentunnel springt, mit dem Ninja-Seil an eine weit entfernte Klippe segelt (die seltsamerweise an die Nase einer alten Frau erinnert) und dort den Erzfeind mit der demütigen Aktion "Schubsen" in den Abgrund befördert, dann wisst ihr, dass sich alles gelohnt hat.

Over and Aua.

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