Ich, Ludwig II. & die Farbenpracht Helmut Käutners

14.06.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
O.W. Fischer als Märchenkönig
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O.W. Fischer als Märchenkönig
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Bayernkönig Ludwig II. hat einige Filmemacher inspiriert, darunter auch Helmut Käutner. Im 1955 erschienenen Ludwig II. – Glanz und Ende eines Königs lässt er seinen tragischen Helden Stück für Stück in einem Meer aus Samt und Gold ersticken.

Seit ein paar Jahren erfährt der 1980 verstorbene deutsche Regisseur Helmut Käutner eine kleine Wiederentdeckung. Anlässlich des 100. Geburtstag 2008 häuften sich die Begutachtungen seines Werks in den Feuilletons. Doch zumeist beschränkt sich die öffentlich zur Schau gestellte Käutner-Liebe auf seine kanonisierten Meisterwerke wie Große Freiheit Nr. 7 und Unter den Brücken. Deren Größe soll hier gar nicht in Abrede gestellt werden. Speziell im oft als bieder abgewatschten bundesdeutschen Nachkriegskino der Wirtschaftswunderjahre verstecken sich allerdings einige von Käutners besten Werken, darunter Ludwig II. aus dem Jahr 1955. Wenn das kein Grund ist, dem traurigen Märchenkönig aus dem Hause Käutner heute Mein Herz für Klassiker zu schenken!

Warum ich Ludwig II. mein Herz schenke
Zugegeben, der Bayernkönig Ludwig II., der Millionen Touristen dank des Baus von Schloss Neuschwanstein zum Deutschlandbesuch angeregt hat, lag nie im Bereich meiner Interessen. Sowohl im Geschichtsunterricht als auch im -studium beschränkte sich sein Auftritt meist auf einen gemurmelten Nebensatz, aber vielleicht schweiften meine Gedanken beim Stichwort “Märchen…” auch fluchtartig ab. Für Biopics bietet sich der 1886 unter mysteriösen Umständen verstorbene Ludwig umso mehr an, war sein Leben doch nicht nur von der trockenen Politik beherrscht, sondern voller illustrer Gestalten, unerfüllter Leidenschaften und einem Größenwahn, der die Fantasien von Filmemachern deutlich mehr anregt als die Papierkriege der Diplomatie. In seiner Verarbeitung des Mythos von Ludwig II. klammert Helmut Käutner die Realpolitik der damaligen Zeit nicht aus. Mit Hilfe der Tour de Force-Darstellung von Hauptdarsteller O.W. Fischer überhöht er den Märchenkönig trotzdem zur tragischen Gestalt, deren Melancholie und Idealismus in einer pragmatisch bis gewissenlosen Welt zur Vereinsamung führen muss. Ludwig, der Getriebene ohne Sinn und Zeit für Kriege, beginnt den in einem einzigen Flashback erzählten Film als Träumer und naiver Freund der schönen Künste. Ähnlich wie bei Luchino Visconti (Ludwig II., 1972) sitzt dem Wittelsbacher hier von Beginn an das Schicksal im Nacken, sodass sein titelgebendes Ende schon in seiner Natur angelegt ist. Helmut Käutners Versuch, die seelischen Qualen des Königs auf die Leinwand zu bringen, braucht sich vor dem albträumerischen Stillleben des Italieners nicht verstecken.

Warum auch andere Ludwig II. lieben werden
Bevor wir den Glanz zu Gesicht bekommen, werden wir zunächst einmal Zeuge des Endes. Sissi, gespielt von Ruth Leuwerik, erhält die Nachricht vom Tode ihres Seelenverwandten Ludwig. Vor seinem Sarg zückt sie eine Rose, deren vibrierendes Rot die Brücke zurück in frühere Tage schlägt. Die Pflanze wird den ganzen Film als Motiv für das ersehnte, in unerreichbarer Ferne liegende Paradies ihrer Zweisamkeit durchziehen. Ihre Farbe aber, ein wahrhaft unglaubliches Rot, wird im Laufe der 114 Minuten von vielen weiteren satten Tönen ergänzt. Käutners Ludwig II. war einer der ersten deutschen Technicolor-Filme und wie in Große Freiheit Nr. 1 kostet der Regisseur die Vorzüge des Farbfilms mit großer Freude aus. Gedreht wurde an Originalschauplätzen, was den Wittelsbacher Erben nur abzuringen war, indem diesen das Drehbuch zum Abnicken vorgelegt wurde. Wohl auch deswegen finden sich hier kaum Andeutungen der Homosexualität des Regenten. Dafür taucht die Kamera von Douglas Slocombe (The Italian Job – Charlie staubt Millionen ab, Jäger des verlorenen Schatzes) ein in die prunkvoll geschmückten königlichen Residenzen und kann sich an den Verzierungen kaum satt sehen. Aufs reine Lechzen nach Schauwerten zielt Käutner allerdings nicht ab.

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