Ich, Es war einmal in Amerika & ein Epos als Katerfilm

07.10.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Es war einmal in Amerika
Warner Home Video
Es war einmal in Amerika
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Im Gangster-Epos Es war einmal in Amerika erzählt Regielegende Sergio Leone eindrucksvoll und in epischer Breite vom Leben einiger Jugendfreunde, die gemeinsam dem organisierten Verbrechen nachgehen. Ein Meisterwerk in Erzählkunst und Inszenierung.

Sergio Leone kennt man vornehmlich von seinen Italo-Western. Er war unter anderem verantwortlich für Werke wie die Dollar-Trilogie und die Amerika-Trilogie, welche mit Spiel mir das Lied vom Tod begann und im Jahre 1984 mit Es war einmal in Amerika ihren krönenden Abschluss fand. Da der Regisseur, der mit seinen Filmen noch großen Einfluss auf nachfolgende Filmemacher wie Quentin Tarantino ausüben sollte, kurz nach der Fertigstellung des Filmes an einem Herzinfarkt verstarb, konnte er leider nie die von ihm gewünschte Schnittfassung seines Meisterwerks anfertigen. Der Film kam nur stark gekürzt und umgeschnitten in die US-Kinos und wurde sowohl von den Zuschauern als auch von der Kritik nicht gut angenommen. Erst einige Zeit nach Leones Tod stellte sich der kritische Erfolg ein. Heute gilt Es war einmal in Amerika als einer der größten Kultfilme der 1980er-Jahre und obwohl wir nie in den Genuss der eigentlichen Vision Leones gekommen sind, hat sich dieser Film für immer in mein Herz gespielt - noch vor den ebenfalls großartigen Western Spiel mir das Lied vom Tod und Zwei glorreiche Halunken.

Die Handlung von Es war einmal in Amerika umfasst drei Zeitebenen, zwischen denen ständig gewechselt wird. Im New York der 1920er wird die Kindheit und kriminelle Herkunft einer Jugendbande porträtiert. Diese bekommen wir in den Jahren 1932/33 als junge Erwachsene zu sehen, die sich ein kleines Imperium aufgebaut haben und es durch die Prohibition und politische Korruption zu Wohlstand gebracht haben. Die dritte Zeitebene fokussiert sich auf das Jahr 1968 und die eigentliche Hauptfigur der Geschichte, Noodles, gespielt von Robert De Niro. Dieser kehrt als alter Mann aus dem Exil nach New York zurück und versucht, die Rätsel seiner Jugend zu lösen. Es macht an dieser Stelle keinen Sinn, noch mehr auf die komplexe Handlung des Filmes einzugehen, da dieser immer wieder zwischen den Zeitsträngen wechselt und das Leben der Freunde an verschiedensten Punkten unter die Lupe nimmt. Man muss sie einfach selbst erlebt haben.

Warum ich Es war einmal in Amerika mein Herz schenke
Es war einmal in Amerika ist kein Film, der mir damals auf Anhieb gefallen hat. Das knapp vier Stunden lange, sperrige Werk war für mich als jungen Filminteressierten nicht durchweg interessant, vieles hätte man aus meiner damaligen Sicht gnadenlos streichen können und die lange Laufzeit war für mich alles andere als gerechtfertigt. So ließ mich dieser vermeintliche Klassiker zunächst einmal mit gemischten Gefühlen zurück. Und doch fühlte ich bereits damals schon diese seltsame, unerklärliche Faszination für das Epos und nicht allzu lange Zeit später dachte ich mir an einem verkaterten Sonntagnachmittag: "Ach komm, schauste nochmal rein...".

Und etwas Merkwürdiges geschah: Wie ich da so verkatert auf der Couch lag, wurde aus "nochmal reinschauen" ein gebanntes Eintauchen, das einer fast schon hypnotischen Reise gleichkam. Aus irgendeinem Grund entfaltete der Film ausgerechnet während der treibenden Müdigkeit und den dezent pochenden Kopfschmerzen des Katers seine vollen epischen Ausmaße und ehe ich mich versah, war ich zur Intermission gelangt und dann war der Film plötzlich auch schon vorbei. Ich verstand, warum die enorme Lauflänge nicht nur keine launische Folterei Leones am Zuschauer darstellte, sondern warum eine solche Länge für den Film absolut notwendig und wichtig war. Denn wenn wir nach gut vier Stunden das Ende von Es war einmal in Amerika erreicht haben, fühlen wir uns wirklich, als hätten wir an einem fremden Leben teilhaben dürfen, am Leben von Charakteren, die innerhalb ihres Kosmos' zu fast schon mythischen Figuren erhoben werden. Das ist etwas, was bei mir Biopics nur sehr selten mit solcher Wirkung erreichen, das Gefühl, ein fremdes Leben mit all seinen Höhen und Tiefen gelebt zu haben und die Erfahrung, an einem Film zu wachsen und sich emotional in einen Stoff einzuarbeiten. Es ist einfach ein Film, der es verlangt, mehrmals gesehen zu werden. Und wenn wir dazu bereit sind, erleben wir Wunder (auch ohne Alkohol am Vorabend).

Warum auch andere Es war einmal in Amerika lieben werden
Meiner Meinung nach funktioniert der Film am besten, wenn er am Stück geschaut wird. Doch auch mehrfach unterteilt hat er selbstverständlich immer noch eindeutige Qualitäten. Kurz gesagt: Wer das Genre des Gangsterfilms mag, der wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Es war einmal in Amerika etwas abgewinnen können. Robert De Niro, James Woods und der gesamte Rest des Ensembles spielen fantastisch und verzichten dabei auf Overacting-Orgien, spielen dafür subtil und gefühlvoll. Die wunderschönen Bilder New Yorks verlangen danach, auf Postergröße aufgezogen und an die heimische Wand gehängt zu werden und unterlegt wird das Ganze mit der wundervollen Musik Ennio Morricones, die wie immer untrennbar mit Leones Schaffen verbunden ist und dem Film einen wesentlichen Teil seiner Seele gibt. Es war einmal in Amerika ist einer der ganz großen seines Genres, meiner Meinung nach auf einer Stufe mit Der Pate.

Warum Es war einmal in Amerika die Jahrzehnte überdauern wird
Für mich ist Es war einmal in Amerika ein Relikt alter Tage, in denen Filme einfach noch etwas anders gemacht wurden als heutzutage. In denen noch mit filmischen Mitteln gespielt (Stichwort: Telefonklingeln), in denen sich Zeit gelassen und episches Storytelling zelebriert wurde, ganz ohne aufdringliche Computereffekte und einfach erkauftem Humor. Obwohl es sich im Prinzip um eine klassische Gangstergeschichte handelt und ihre Protagonisten grauenhafte Taten vollbringen, haben diese sehr wenig Distanz zum Zuschauer. Denn unter seiner rauen Fassade behandelt der Film ganz menschliche Themen wie Freundschaft, Liebe, Habgier und Verrat. Und wenn einer der Gangsterjungen das Sahnetörtchen, mit dem er eigentlich eine Prostituierte aus der Nachbarschaft für sexuelle Dienste bezahlen wollte, auf einer staubigen Treppe erst zaghaft, schließlich unverhohlen vernascht und damit wenigstens für einen kurzen Moment wieder ein ganz normales Kind sein darf, dann ist das eine Szene, die auch in 50 Jahren und weit darüber hinaus noch für Gänsehaut beim Zuschauer sorgen dürfte. Und auch der "Noodles, I... slipped"-Moment ist so fantastisch und gefühlvoll inszeniert, dass sich auch gestandene Männer nicht schämen müssen, ein Tränchen dabei zu verdrücken. Filmisches Gold, meine Damen und Herren.

Was haltet ihr von Es war einmal in Amerika?

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