Ich, Alejandro Jodorowsky und Montana Sacra

18.08.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Montana Sacra - Der heilige BergCriterion Collection
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Alejandro Jodorowsky dürfte vielen durch seinen Western El Topo bekannt sein. Neben diesem hat er allerdings auch einen schweren Brocken von Film geschaffen, der da heißt Montana Sacra. Warum ich an jenes Ungetüm mein Herz verlor, möchte ich nun berichten.

Was macht ihr, wenn ein Film zu Ende ist und ihr mit offenem Mund glaubt, nichts verstanden zu haben? Genau! Ihr holt sich einen Freund und zwingt ihn, den entsprechenden Film mit einem selbst noch einmal anzusehen. Was macht ihr aber, wenn ihr danach immer noch mit offenem Mund dasitzt, vielleicht ein bisschen schlauer, aber doch noch immer tief verstört? Es gibt zwei Möglichkeiten: den Film verstoßen oder lieben. Im Falle von Alejandro Jodorowskys Montana Sacra - Der heilige Berg habe ich mich für letzteres entschieden. Aber warum eigentlich?

Warum ich Montana Sacra - Der heilige Berg mein Herz schenke

Montana Sacra - Der heilige Berg

Ich hatte einen kurzen Absatz in der (sehr empfehlenswerten) Dokumentation The Story of Film über Jodorowskys Werk gesehen und war sofort fasziniert. Die Bilder und die Farben, in denen er eben jene auf den Bildschirm brachte, waren beeindruckend. Jeden Moment hätte ich die Stop-Taste drücken können und ein interessantes Bild wäre vor meinen Augen zum Stehen gekommen, das ich gerne in Ruhe länger betrachtet hätte. Jeder Frame hatte etwas Künstlerisches und schien mit Bedacht erschaffen. Der Film musste her, sofort und auf der Stelle.

Warum auch andere Montana Sacra - Der heilige Berg lieben werden

Montana Sacra - Der heilige Berg


Nach der ersten Sichtung war ich komplett überrumpelt. Was war das gerade? Wie kommt ein Filmemacher auf solche Ideen? Und dieses Ende... Ich war überfordert. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Die schiere Bildgewalt hatte mich erschlagen. Aber aus alldem ergab sich kein negatives Gefühl, das Überforderung gerne einmal mit sich bringt. Ich erzählte einem Freund, was ich gesehen hatte, und zusammen wurde der Film erneut geguckt. Wir saßen am Ende beide sprachlos vor dem Fernseher und waren zutiefst beeindruckt.

Montana Sacra schafft mit seinen wilden Bildern und abstrusen Fantasien ein Spektakel, das nur im Rahmen des künstlerischen Mediums Film möglich ist. Er nutzt es, um Dinge zu zeigen, die eher (Alb-)Träumen entstiegen zu sein scheinen. Illusionen aus Schönheit und Ekel geben sich die Klinke in die Hand und lassen uns immer tiefer in die Gehirnwindungen des Regisseurs und seiner Vision hinabsteigen, ohne je zu wissen, was sich hinter der nächsten Biegung versteckt hält. Wir können nie sicher sein, was uns erwartet und welche fantastischen Bilder und Eindrücke Jodorowsky im nächsten Moment auf uns loslässt.

Warum Montana Sacra - Der heilige Berg einzigartig ist

Montana Sacra - Der heilige Berg


Im Kern geht es in dem Film um die Reise eines Diebes (Horácio Salinas), der nach Erleuchtung sucht und sie mit der Hilfe eines Alchemisten (Alejandro Jodorowsky) zu finden hofft. Eine Gruppe von Menschen versammelt sich um den Alchemisten, um Erleuchtung zu erlangen. Dabei ist ihre Reise und die Vorgeschichte des Diebes gespickt mit zahlreichen Symbolen und Metaphern auf geschichtliche, religiöse und kulturelle Ereignisse und Entwicklungen. Nicht immer ist das, was dem Zuschauer vor Augen geführt wird, eindeutig und manches wirkt einfach nur absurd, doch konnte ich mich dem faszinierenden und surrealen Sog der Bilder kaum entziehen. Wenn Kröten und Echsen in Verkleidungen auf Mayapyramiden aus Pappmaschee herumhüpfen und die ganze Sache am Ende in die Luft gejagt wird, fragt sich der Zuschauer ganz gerne mal, warum eigentlich. Aber warum auch nicht? Ist es wichtig zu verstehen? Oder ist es nicht auch interessant, wie dies auf den Betrachter wirkt?

Dabei ist der Film eindeutig auch ein Produkt seiner Zeit. 1973 entstanden, einer Zeit, angefüllt mit Drogen und den letzten Ausläufern der langsam sterbenden Hippie-Kultur und ihren spirituellen Vorstellungen. Regisseur Alejandro Jodorowsky selbst ist von spirituellen Erfahrungen, Meditation und Tarotkarten begeistert und ließ diese in den Film einfließen. Zu seinen Unterstützern zählten seinerzeit unter anderem John Lennon und George Harrison von den The Beatles. Harrison sollte ursprünglich sogar die Rolle des Diebes übernehmen, lehnte im letzten Moment jedoch ab, da er die zahlreichen Nacktszenen nicht drehen wollte, auf die Jodorowsky jedoch bestand.

Warum Montana Sacra - Der heilige Berg die Jahrzehnte überdauern wird

Montana Sacra - Der heilige Berg


Es gibt nicht viele Filme wie Montana Sacra. Diese Art von Film ist wahrscheinlich nicht nach jedermanns Geschmack. Ich kann schlechte Bewertungen bei dem Film nachvollziehen, aber muss ihn trotzdem dringend weiterempfehlen. Der Film spielt mit dem Medium und ist sich seiner Irrealität bewusst, was vor allem das Ende deutlich macht, mit dem Jodorowsky wahrscheinlich auch den letzten Zuschauer überrascht.

Vielleicht gefällt Montana Sacra nicht, aber eine Sichtung ist der Film definitiv wert. Und sei es nur, dass ihr am Ende euren Freunden erzählen könnt, was für einen abgefahrenen Stoff ihr gerade gesehen habt. Aber vielleicht lasst ihr die Sache auch einfach auf euch wirken, lehnt euch entspannt zurück und genießt den Trip. Denn ein Trip ist dieser Film definitiv, auch ohne den Konsum von Substanzen der anderen Art.

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