Kreative Flüche und Krieg in Full Metal Jacket

14.11.2011 - 15:00 Uhr
Vincent D'Onofrio als Private Paula in Full Metal Jacket
Warner Bros. Entertainment
Vincent D'Onofrio als Private Paula in Full Metal Jacket
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Wer Stanley Kubrick sagt, sagt Klassiker. Die meisten Filme des 1999 gestorbenen Kultregisseurs schafften es in den Olymp des Mediums. So auch Full Metal Jacket, der heute Abend im TV laufen wird.

Die Filme von Stanley Kubrick gehen immer in verschiedene Richtungen. Da haben wir 2001: Odyssee im Weltraum oder Uhrwerk Orange, die sich beide durch ihre extrem formalisierte Bildsprache auszeichnen, Historienfilme wie Barry Lyndon oder Horrorfilme wie Shining. Dann sind da noch scharfe, manchmal satirische Gesellschaftskritiken wie Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben und … Full Metal Jacket. Nüchterne Kriegsfilme wie Jarhead – Willkommen im Dreck mit Jake Gyllenhaal können noch heute von diesem Film zehren. Show-Don’t-Tell lautet das Prinzip in Full Metal Jacket. Was hat der Krieg für eine gesellschaftliche Bedeutung? Stanley Kubrick kann es uns vermutlich auch nicht sagen, aber er kann eine Lupe über das Geschehen halten.

In eindrucksvollen, nebelkalten Bildern, zeigt Stanley Kubrick den Alltag der Rekruten im Ausbildungslager auf Parris Island. Der ständig fluchende Gunnery Sergeant Hartman (R. Lee Ermey) prügelt die Rekruten durch Parkoure, zwingt sie zur Liebesbeziehung mit ihrem Gewehr. Alle bekommen neue Namen, denn das alte Leben ist vorbei. Und auch freier Haarwuchs gehört der Vergangenheit an, wie uns gleich die erste Szene zeigt. Der eigentlich herzensgute, dicke Leonard Lawrence wird zu Private Paula (Vincent D’Onofrio). Der anfangs noch kampfeifrige James T. Davis wird zu Joker (Matthew Modine, weil er alles kommentieren muss.

Private Paula ist nicht für die Armee gemacht, aber in diesen Zeiten müssen die Männer für die Armee gemacht sein. Er wird zum Lieblingsopfer von Hartman und weil er einfach nichts auf die Reihe kriegt, müssen die anderen bald für ihn büßen. Einmal nimmt er verbotenerweise einen Donut aus der Kantine mit in den Schlafraum. Alle müssen auf Befehl von Hartman Liegestütze machen, bis Private Paula alles aufgegessen hat. Also keine Freunde für Private Paula. Joker wird zu seinem widerwilligen Vertrauten, aber wegen der Dynamik in der Kaserne muss er aufpassen, dass er nicht mit Paula zusammen unter die Räder kommt.

“Schieben Sie Ihren fetten Arsch da rauf, Paula! Was zum Teufel ist eigentlich los mit Ihnen?! Ich wette, wenn da oben ’ne Möse angenagelt wäre, dann hätten Sie uns schon längst gezeigt wie schnell Sie da raufkommen!”

Gunnery Sergeant Hartman züchtet sich seine eigenen, kleinen Killer. Was dies wirklich bedeutet, macht der Film eindrucksvoll mit seinem ersten Höhepunkt klar. Erster Höhepunkt? Stanley Kubrick bringt in Full Metal Jacket zwei Filme unter, die an sich abgeschlossen sein könnten. Der erste Teil behandelt die Ausbildung von Private Paula, Joker und Konsorten, der zweite Teil den Kriegsalltag in Vietnam. Heiße, trockene Bilder einer Reise in den Limbo. Nach dem ersten Teil wirkt der Krieg wie ein lustloses Einerlei des Tötens und des Vögelns. “Ich sucky sucky! Ich euch lieben so viel. 15 Dollar.”

"Das ist mein Gewehr! Es gibt viele Gewehre, aber das gehört mir! Mein Gewehr ist mein bester Freund! Es ist mein Leben!”

Keiner weiß wirklich, warum er dort ist. Keiner weiß, wann es enden wird, denn einen richtigen Anfangspunkt gibt es auch nicht. Alle versuchen, auf ihre eigene Weise mit der Sinnlosigkeit klarzukommen. Erschreckende Szenen von G.I.s, die aus Langeweile mit dem Hubschrauber-MG auf Reisbauern schießen. Alles potentielle Vietcongs. Joker nimmt die Verzweiflung im zu Ungunsten der Amerikaner gewandten Krieg als Reporter auf und versucht es so gut es geht zu ironisieren. Sein Helm, mit einem Peacezeichen und der Aufschrift Born to Kill versehen, zeugt von diesem Versuch. Das Finale mit dem vietnamesischen Scharfschützen zeigt aber, dass das einfach nicht geht. Er steht nicht abseits, er ist mittendrin. Der Krieg ist zu groß und zu urkräftig, um ihn mit einem intellektuellen Augenzwinkern abzutun. Am Ende hilft nur noch Micky Mouse, um die letzte Konsequenz dieser Erkenntnis zu verkraften.

Jeder, der einen Anti-Kriegsfilm im Gewand eines Kriegsfilms sehen möchte, sollte sich heute Abend Full Metal Jacket ansehen. Selbst, wenn er Stanley Kubrick sonst nichts abgewinnen kann.

Heute im TV: Full Metal Jacket
Wo: Arte
Wann: 21.00 Uhr

Was läuft bei euch heute im Fernsehen?

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