Heartstopper ohne Happy-End: Der meistgehypte Film in Cannes bringt ganze Kinosäle zum Heulen

28.05.2022 - 12:08 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
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Kris Dewitte_Menuet
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Close erzählt die herzzerreißende Geschichte zwei bester Freunde. Und ist damit nicht nur interessant für Fans des Netflix-Hits Heartstopper, sondern auch einer der meisterwarteten Filme bei den Festspielen in Cannes.

Ich stehe vor einem großen Problem: Einerseits will ich über Close schreiben, das neueste junge-Menschen-erleben-traumatische-Dinge-Drama von Girl-Regisseur Lukas Dhont. Der Film feiert bei den Filmfestspielen in Cannes Premiere und galt für viele im Vorfeld als Favorit auf die Goldene Palme.

Um deutlich zu machen, warum die Guck-Erfahrung von Close einem filmischen Faustschlag ins Gesicht gleichkommt, müsste ich allerdings verraten, was nach gut der Hälfte passiert. Doch sobald ich das verrate, wird der Faustschlag nicht mehr so wehtun, weil ihr ihn bereits erwartet. Und manchmal müssen Filme wehtun.

Der Cannes-Geheimtipp Close erinnert auf den ersten Blick an den Netflix-Hit Heartstopper

In Close geht es um eine außergewöhnliche Jungenfreundschaft. Léo (Eden Dambrine) und Rémi (Gustav De Waele) sind beste Freunde, seitdem sie denken können. Sie teilen alles miteinander, verstehen sich gegenseitig so gut wie sonst niemand auf der Welt und wenn einer der Beiden mal nicht einschlafen kann, weil die Gedanken im Kopf zu sehr herumwirbeln, beruhigt ihn der andere – und sie schlafen eng umschlungen ein.

Einen ersten Einblick in Close bekommt ihr hier:

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Die beiden sind erst 13 Jahre alt, ob das zwischen ihnen rein freundschaftlich oder romantisch ist, bleibt unausgesprochen. Doch als Léo und Rémi auf eine neue Schule kommen, werden sie auf ihren intimen, zärtlichen Umgang miteinander angesprochen. Ob sie zusammen seien, will eine Mitschülerin wissen, schließlich würden männliche Freunde nicht so miteinander umgehen. Die Beiden verneinen, doch Léo geht der Kommentar nicht aus dem Kopf.

Er will von den anderen Jungs, die immer nur über Sport und niemals über Gefühle sprechen, ernstgenommen werden. Also schiebt er Rémi immer weiter von sich weg – bis er ihn schließlich komplett verliert.

Wem die Thematik der potenziell romantisch aufgeladenen Jungenfreundschaft bekannt vorkommt: Netflix hat mit Heartstopper kürzlich eine zauberhafte Serie veröffentlicht, die ähnliche Themen anspricht. Doch wo der Streaming-Titel einem die Möglichkeit auf eine bessere, weniger festgefahrene Welt suggeriert, zieht einem Close in einer Szene jedoch brutal den Boden unter den Füßen weg.

Der alles verändernde Schockmoment des Cannes-Films lässt ein ganzes Kino erstarren

Als der tragische Vorfall passiert, der dem Film eine komplett neue Richtung gibt, wird es bei der Pressevorführung totenstill im Kino. Ich wische hektisch Tränen aus meinem Gesicht und versuche, mich auf die hypnotisch schönen Bilder zu konzentrieren, die beeindruckenden schauspielerischen Leistungen, der Fokus auf die Fragen: Was, wenn ich von heute auf morgen die einzige Person verliere, die mich wirklich versteht? Und was, wenn ich glaube, dass ich schuld daran bin?

Das Seltsame an Close ist, dass der Film zu gleichen Teilen subtil und überdeutlich ist. Ein Bilder- und Emotionsrausch, der nicht alles richtig macht, aber etwas schafft, was andere, womöglich besser strukturierte und durcherzählte Filme nicht immer schaffen: das Publikum an den Rand eines emotionalen Zusammenbruchs bringen. Während der restlichen Laufzeit des Films höre ich immer wieder Schluchzen und verzweifeltes Räuspern. Kollektive Traumabewältigung im Dunkeln.

Am Ende ist es trotzdem nicht das tragische Ereignis am Ende des ersten Akts, das in Close am meisten nachhallt. Es ist die Gewissheit, was für ein leeres, trauriges Leben es sein muss, in dem man als heranwachsender Junge keine Intimität, keine echte Vertrautheit, keine körperliche Nähe abseits von Teamsportarten zu einem anderen Jungen haben kann, ohne dafür öffentlich herabgewürdigt zu werden.

Damit erzählt Close vielleicht nichts Neues, aber etwas schmerzhaft Wahres. Ob ihn das wirklich zum besten Film in Cannes 2022 macht, wie im Vorfeld spekuliert wurde, wird die Jury entscheiden müssen. Wenn sie ihre Tränen getrocknet hat.

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Wann habt ihr das letzte Mal im Kino geweint?

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