Über die fragwürdige Altersfreigabe in den USA wird seit Jahrren diskutiert. In schöner Regelmäßigkeit werden da sexuell freizügige Filme weitaus härter bewertet als vor Blut triefende Slasher. Wenn es um Schimpfwörter geht, ist die MPAA (Motion Picture Association of America) ganz besonders zimperlich. Was in Europa gern belächelt wird, könnte nun dafür sorgen, dass ein Oscar-Kandidat verstümmelt wird.
Da The King’s Speech – Die Rede des Königs in den USA für die Nutzung von Schimpfwörtern ein R-Rating bekommen hat, will Produzent Harvey Weinstein die entsprechenden Szenen rausschneiden lassen. Ein R-Rating bedeutet für die MPAA, dass der Film von Jugendlichen unter 17 nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten gesehen werden darf. Ein R-Rating bedeutet für Harvey Weinstein wiederum, dass der Film von einem Großteil der potenziellen Zielgruppe nicht gesehen werden kann. Da The King’s Speech – Die Rede des Königs gestern ganze 12 Oscar-Nominierungen einheimsen konnte, will der Produzent nun das kommerzielle Maximum aus dem kleinen britischen Film herausholen. Das bedeutet im Klartext, dass die Historendramödie nach den Oscars in 3000 Kinos in Nordamerika gezeigt werden soll, die Werbekampagne familienfreundlich umgestaltet und ein massentaugliches PG-13-Rating angepeilt wird.
Im Falle von The King’s Speech – Die Rede des Königs würden herausgeschnittene Schimpfwörter jedoch an eine Verstümmelung grenzen. Wenn der von unterdrückten Gefühlen geplagte und extrem britische Prinz Albert (Colin Firth) im Rahmen seiner Sprachtherapie plötzlich anfängt, mit fucks, shits und buggers um sich zu werfen, ist das ein köstliches Highlight des Films. Mit anderen Worten: Die Schimpfwörter haben in der stiff upper lip-Welt von The King’s Speech – Die Rede des Königs eine dramaturgische Funktion und stehen auch ein wenig für die Befreiung Alberts von den psychologischen Fesseln seiner Herkunft.
In seinem Heimatland Großbritannien ist The King’s Speech – Die Rede des Königs zur Zeit ein Renner an den Kinokassen. Dort läuft der Film (ungeschnitten) mit einer Altersfreigabe ab 12. Einen Erfolg bei den Zuschauern und den ein oder anderen Oscar hat der Film absolut verdient und die Frustration über die teilweise lächerlichen Entscheidungen der MPAA ist gut nachvollziehbar. Trotzdem sollte irgendjemand Harvey Weinstein dringend vom Schneidetisch fernhalten. Ob das gelingt, ist zu bezweifeln. Schon in der Vergangenheit hat sich der von vielen als Egomane beschriebene Produzent mit seinen “Schnittfassungen” asiatischer Hits einen schlechten Ruf erarbeitet.