Girls - Die Stimme der Generation?

20.09.2013 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
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Kaum eine neue Serie in der TV Saison 2012 spaltete die Geschmäcker so sehr wie Girls. Und keine Serie testet die Grenzen des guten Geschmacks so sehr wie Girls und ist dabei so ehrlich und schamlos, dass ich aus purer Faszination hängen blieb.

Mein Herz für Serie geht diesmal an die preisgekrönte Serie Girls. Obwohl es bei mir etwas dauerte bis ich mit den nicht unbedingt sympathischen Charakteren warm wurde, hat mich die Serie Girls am Ende in ihren Bann gezogen – gerade weil die Figuren so polarisierend, vielschichtig und voller Abgründe sind.

Hannah (Lena Dunham) ist Mitte 20 und hat den Traum Schriftstellerin zu werden. Doch mehr als ein unbezahltes Praktikum findet sie in New York nicht. Als ihre Eltern ihr den Geldhahn abdrehen, landet sie auf dem harten Boden der Tatsachen. Ihre Mitbewohnerin und beste Freundin Marnie (Allison Williams) scheint dagegen das perfekte Leben zu führen. Sie ist in einer glücklichen Beziehung mit ihrem College-Freund Charlie (Christopher Abbott) und arbeitet in einer Kunstgalerie. Doch hinter der pefekten Hülle beginnt es im Laufe der Serie zu bröckeln, als Marnie beginnt ihr Leben in Frage zu stellen. Shoshanna (Zosia Mamet) ist zu beginn der Serie noch Jungfrau und erträumt sich ein Sex-And-The-City-Leben, bekommt aber wahrscheinlich von allen ihr Leben noch am ehesten in den Griff. Die vierte im Bunde ist Shoshannas Cousine Jessa (Jemima Kirke). Sie stammt aus schwierigen Familienverhältnissen, ist impulsiv und selbstzerstörerisch.

Ist Girls das schmutzigere Sex and the City?
Dem Vergleich mit Sex and the City musste sich Girls oft genug hingeben. Deswegen belasse ich es bei einem: Ja. Ja, beide Serien handeln von vier Freunden in New York auf der Suche nach Liebe und ihrem Platz im Leben. Bei dieser zugegeben recht groben Prämisse bleibt es in Sachen Gemeinsamkeiten dann aber auch. Wenn ich behaupten wollte, dass Sex and the City den Lifestyle von jungen Frauen mit einem Zuckerguss überzieht, müsste ich konsequenterweise sagen, dass Girls ein Fass Desillusion mit Spuren diverser Körperflüssigkeiten über dem unglamourösen Leben der vier Mittzwanzigerinnen ausschüttet. Ich sträube mich jedoch, die Abenteuer von Hannah, Marnie, Shoshanna und Jessa als realistisch zu bezeichnen. Wahrscheinlich aus Verleugnung der erschreckenden Erkenntnis, dass sich viele Begebenheiten unangenehm bekannt anfühlen oder aber – und das ist die angenehmere Sichtweise – weil Girls tatsächlich vieles überhöht und auf Schockwirkung setzt.

Viel lieber als mit SATC würde ich Girls mit Louie vergleichen wollen. Beiden Serien liegt eine gewisse Melancholie und Entzauberung zugrunde, die im Comedy-Genre viel zu selten zu sehen ist. Wir sind es gewöhnt eine idealisierte Welt gezeigt zu bekommen. Freunde bleiben Freunde, haben einen festen Treffpunkt in einem Café oder einer Bar und finden am Ende die große Liebe. Daran ist nichts falsch. Die Flucht in andere (einfachere) Welten, in der sich jedes Problem durch einen Witz lösen lässt, ist das Erfolgsgeheimnis von Sitcoms. Friends, How I Met Your Mother und New Girl zählen zu meinen liebsten Serien dieses Genres. Dennoch ist es unglaublich erfrischend und wichtig, dass Serien wie Louie und Girls den Spieß einmal umdrehen. Und das ohne den Humor aus den Augen zu verlieren.

Die ersten beiden Staffeln von Girls konnten mich Woche um Woche wegen ihrer Mischung aus peinlichen Fremdschäm-Momenten, verstörend plastischen Sex-Szenen (Stichwort: It’s not porn), pointierten und zitierbaren Dialogen und realistischen Beziehungsdynamiken, besonders zwischen den vier Freundinnen, bei der Stange halten. Dazu folgt Girls keiner festen Sitcom-Formel. Es gibt in sich geschlossene Episoden und Episoden, die die Geschehnisse vergangener Folgen fortsetzen und den übergeordneten Handlungsbogen der Staffel weitererzählen.

You love yourself so much, so why is it so crazy that someone else would, too?
Girls ist ganz und gar Lena Dunhams Geistesprodukt. Sie schreibt die Drehbücher, produziert (neben Judd Apatow), führt oft Regie und spielt die Rolle der Hannah ohne einen Hauch von Eitelkeit. Ihre Charaktere sind im Grunde alle Egoisten. Sie reden aneinander vorbei, fühlen sich in ihren Gefühlen verletzt und handeln ohne die Rücksicht auf die Gefühle anderer. Daraus entstehen die lustigsten, aber auch traurigsten und ehrlichsten Szenen.

Um die Frage im Titel zu beantworten, ich halte Girls dennoch nicht für die Stimme der Generation. Es ist ein Zitat aus der ersten Folge der Serie, mit dem Hannah gegen den zugedrehten Geldhahn ihrer Eltern protestiert. Aus Naivität, Hilflosigkeit und auf Opium ruft sie: “I think I might be the voice of my generation, or at least a voice, of a generation." Daraufhin musste sich Lena Dunham Vorwürfe gefallen lassen, sie selbst wolle die Stimme ihrer Generation sein. Es mag stimmen, dass Girls wie keine andere Serie ausspricht, was Viele im Alter von Hannah denken und fühlen – zumindest trifft das auf mich zu. Aber Girls ist vor allem komprimierte Realität, überhöhte Realität und weit weniger wichtig für diese Generation, als der Hype glauben machen will. Darum stimme ich eher mit dem zweiten Teil des Zitates überein. Girls ist eine Stimme meiner Generation.

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