Generation Beziehungsunfähig macht den gleichen Fehler wie die Buchvorlage: Der Film versteht Singles nicht

31.07.2021 - 09:00 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Tim (Frederick Lau) lernt seine Hassliebe "Ghost" (Luise Heyer) an einer Kölner Tankstelle kennenWarner Bros./Tom Trambow
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Frederik Lau spielt in Generation Beziehungsunfähig die Rolle, die er am besten kann: Frauenheld, der zuviel trinkt. Leider gibt es in der deutschen Komödie einiges, das nicht ganz so gut funktioniert.

Mann trifft Frau. Frau und Mann finden sich richtig scheiße. Dann passiert so einiges. Und am Schluss sind Mann und Frau glücklich zusammen. Es ist kein großer Spoiler zu sagen, dass Helena Hufnagels neue Komödie Generation Beziehungsunfähig die gleiche Geschichte erzählt wie viele andere Rom-Coms vor ihr. Nur dass die Protagonist:innen hier eben Tim (Frederick Lau) und Ghost (Luise Heyer) heißen.

Generation Beziehungsunfähig will allerdings nicht nur eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, sondern auch humorige Gesellschaftskritik sein. Leider hat der Film aber weder Singles, noch die angeblich so beziehungsunfähigen Millennials richtig verstanden.

Schon der Titel von Generation Beziehungsunfähig ist eine Lüge

Der Film folgt Tim, einem halbgescheiterten Schriftsteller auf der Suche nach der nächsten guten Buchidee oder zumindest dem nächsten aufregenden Tinder-Date. Tim soll ein klassischer Millennial sein, unentschlossen, egozentrisch und mit toten Augen durch Dating-Apps swipend, als würde er gerade ein Kilo Hack an der Fleischtheke aussuchen.

Dann lernt er allerdings Ghost kennen, die ähnlich neurotisch und freiheitsliebend ist wie er. Und plötzlich keimt selbst im überzeugten Dauer-Single der Wunsch nach etwas Festem. Okaye Story. Würde der Film nicht un-be-dingt für die komplette Generation Y sprechen wollen.

Auch in Das perfekte Geheimnis spielte Frederick Lau einen trinkfreudigen Chaoten

Das Perfekte Geheimnis - Trailer (Deutsch) HD
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Statt das widersprüchliche Bild einer Person aufzumachen, die angeblich beziehungsunfähig ist, gleichzeitig aber eben doch beziehungsfähig sein muss, weil es sonst kein Happy End geben kann, hätte der Film zumindest streifen können, woher Zukunftsängste und die Flucht vor Verbindlichkeiten kommen könnten: Klimawandel, Überbevölkerung, schwindende Ressourcen, steigende Scheidungsraten, Gig-Economy, lachhafte Rentenaussichten ... Die Liste möglicher Gründe ist lang.

Es gibt keine "Generation Beziehungsunfähig"

Menschen reagieren unterschiedlich auf diese veränderten Perspektiven. Manche eifern trotzdem den Lebensmodellen der Eltern nach. Einige werden bewusst spießig und kompensieren den Wunsch nach Sicherheit mit Eiche rustikal Schrankwänden. Andere sehen sich als berufliche wie zwischenmenschliche Einzelkämpfer:in und swipen jede Chance auf langfristige Bindung panisch nach links. Es gibt keine "Generation Beziehungsunfähig", nur Menschen, die individuell mit der Welt umgehen, in die sie hineingeboren werden.

Eigentlich weiß der Film das auch. Schließlich heiratet Tims Ex-Freundin (Verena Altenberger) ganz unneurotisch ihre große Liebe, während sein Mitbewohner (Tedros Teclebrhan) einfach nur nach der richtigen Person sucht, um endlich alle Dating-Apps deinstallieren zu können. Warum also wird hier ständig ein "Wir" suggeriert, dass es eigentlich gar nicht gibt?

Das größte Problem von Generation Beziehungsunfähig ist seine Bestseller-Buchvorlage

Der Grund dafür ist recht einfach: Der Film basiert auf der gleichnamigen Buchvorlage * von Michael Nast, die wiederum auf einem Artikel des gleichen Autors beruht. Die (sehr vereinfachte) These: "Wir" lieben nur uns selbst und werden deswegen einsam sterben, außer wir legen die Dating-Apps beiseite und stecken alle Ansprüche und Selbstverwirklichungswünsche zurück.

Es gibt auch in Generation Beziehungsunfähig mehrere Menschen, die beziehungsfähig sind.

Weil der Artikel viral gegangen ist und das Buch ein Bestseller wurde, kann die Filmadaption gar nichts groß anders machen. Die soll schließlich auch ein Erfolg werden. Und genau das bricht Generation Beziehungsunfähig das Genick.

Generation Beziehungsunfähig hätte eine tolle Komödie werden können

Eigentlich hat die Komödie alles, um eine der witzigsten deutschen Rom-Coms der letzten Jahre zu werden. Tolle Schauspieler:innen, denen man unfassbar gern dabei zuguckt, wie sie sich gegenseitig abfucken, um dann doch wieder zusammenzufinden. Schauplätze und Sexszenen, die sich im Gegensatz zu den überstilisierten, beige-braunen Til Schweiger-Visionen echt anfühlen. Und Momente, die wirklich, wirklich lustig sind.

Zeigt doch einfach zwei Trottel, die Angst vor Bindung haben, und irgendwann doch zueinander finden, weil sich zu zweit einfacher Angst haben lässt als allein! Zeigt mir, warum diese Leute Angst haben, wenn euch das Thema Beziehungsunfähigkeit so wichtig ist, anstatt zeigefingerwackelnd Vorwürfe in Richtung einer ganzen Generation abzufeuern! Stattdessen versucht Generation Beziehungsfähig verzweifelt, für Millionen Menschen auf einmal zu sprechen – und berührt damit am Ende niemanden.

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Wie findet ihr Generation Beziehungsunfähig: ungewöhnliche Liebesgeschichte oder deutscher Rom-Com-Einheitsbrei?

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