Filmbewertung FBW - Prädikat besonders fragwürdig

28.09.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Deutsche Filmbewertung FBW - Prädikat "besonders fragwürdig
Warner Bros./moviepilot
Deutsche Filmbewertung FBW - Prädikat "besonders fragwürdig
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Seit über 60 Jahren ist die Filmbewertungsstelle Wiesbaden im Dienste des Filmfans unterwegs um besondere Filme auszuzeichnen. Mit viel Fantasie und kreativen Argumenten findet sie dabei in jedem Film etwas besonderes. In jedem!

Ein Aufreger der Woche über die deutsche Film- und Medienbewertung (ehemals als Filmbewertungsstelle Wiesbaden bekannt, kurz: FBW) dürfte fast so originell sein wie über die FSK, die GEMA oder Uwe Boll herzuziehen. Aber in den zweieinhalb Jahren seit Bestehen dieser Kolumne kam die FBW nie direkt vor unser Fadenkreuz trotz einiger äußerst fragwürdiger Entscheidungen. Doch mit der Vergabe ihres berühmten Prädikats an Keinohrhase und Zweiohrküken und Turbo – Kleine Schnecke, großer Traum – zwei der einfältigsten und trivialsten Kinderfilme des Jahres – wird nun auch der Hessischen Behörde diese Ehre zuteil.

Die FBW ist die Stiftung Warentest des Films. Eine Einrichtung im Dienste des Konsumenten. Doch scheint der kritische Anspruch, sich mit Filmen analytisch auseinander zu setzen um ihre Qualität zu ermitteln, längst einer irrationalen Naivität gewichen zu sein. Wo deutsche und internationale Filmfans Hopfen und Malz verloren sehen, erkennt die Behörde versteckte Tugenden, die sie mit viel Fantasie ausformulieren. Auf diese Weise durften sich bereits “wertvolle” Filmbeiträge wie Lone Ranger, Green Lantern oder Cats & Dogs – Die Rache der Kitty Kahlohr die goldene Auszeichnung auf die Brust heften.

FBW FAQ
Die Deutsche Film- und Medienbewertung wurde 1951 in Wiesbaden gegründet. Aufgabe der FBW ist es, Filme auf ihre künstlerische, dokumentarische oder filmhistorische Bedeutung zu prüfen und herausragende Leistungen mit den Prädikaten “wertvoll” und “besonders wertvoll” auszuzeichnen. Nach eigener Aussage stellen die Prädikate “Empfehlungen für herausragende Filme” dar und sollen “Orientierung im vielfältigen Angebot” schaffen. Es werden nur auf Antrag der Filmemacher Filme bewertet und nur gegen entsprechendes Endgeld von 120 bis 3000 Euro, je nach Filmlänge.

Die Bundesländer benennen 85 Experten aus den unterschiedlichsten Medienbereichen, die als unabhängige Gutachter ehrenamtlich für die FBW tätig sind. Aus diesem Pool von Experten werden fünfköpfige Jurys gebildet, die in immer neuen Konstellationen zusammen kommen und gemeinsam Filme sichten. Sie schauen die Filme in einem Kinomarathon der Reihe nach an: Vier Tage am Stück, elf Stunden pro Tag. Nach 60 Minuten Diskussion pro Film fällt das Urteil. Bewertet werden die Filme innerhalb ihres Genres nach Kriterien der Filmanalyse. (via) Die Prädikate sind jedoch nicht bloß wegen ihrer verkaufsfördernden Wirkung begehrt, sondern weil sie die Prädikatstitel für weitere Film- und Medienförderungen qualifizieren, die zudem Steuererleichterungen erhalten. Bei Filmen mit dem Prädikat “besonders wertvoll” werden außerdem die Referenzschwellen gesenkt. Bei Langfilmen beispielsweise von 150.000 auf 100.000 Besucher. Das sind die Mindestbesucherzahlen die ein Film erreichen muss, ab der Referenzgelder für nachfolgende Filmprojekte vergeben werden. (via)

Rambo im Märchenland
Die Entscheidungen der FBW stoßen des Öfteren auf Widerstand. Einer der medienwirksamsten Dispute fand 1988 statt, als Rambo III das Prädikat “wertvoll” verliehen bekam. Das Dilemma, das damals den Anstoß gab, blieb bis heute erhalten. Das Problem liegt in der eigenen Bewertungsphilosophie, die besagt “Jeder Film ist an dem Anspruch zu messen, den er an sich selbst stellt.” Dass bedeutet, wenn ein Verleiher seinen Film wie im Falle von Rambo III als Abenteuerfilm mit märchenhaften Zügen einreicht, handelt die Jury trotz eventueller dummer, menschenverachtender Handlungselemente gemäß dem eigenen Credo, wenn sie das Prädikat vergibt. So verwundert es auch kaum, dass Zweidrittel von den durchschnittlich 300 eingereichten Filmen jährlich ein Prädikat erhalten (via). Wenn also ein Til Schweiger seinen Animationsfilm Keinohrhase und Zweiohrküken mit der Beschreibung “Kinderfilm, der sein Publikum ebenso wenig fordert wie unterhält und so künstlich wie eine Tüte Gummibärchen wirkt” einreicht, kann die Jury wenig dagegen halten. Und wenn der Til auf diese Weise sein Prädikat wieder erhält (mittlerweile haben sieben Regiearbeiten von ihm ein Prädikat erhalten) beißt sich die Katze doppelt in den Schwanz.

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