Feiges Hollywood 2.0 - Mit Einstein Jr. zum Erfolg

11.05.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Hollywood Prognosen - Blockbuster mit Garantie
Warner Bros./Disney/movieipilot
Hollywood Prognosen - Blockbuster mit Garantie
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Die Risikoscheu von Hollywood erreicht einen neuen Höhepunkt. Mit statistischen Drehbuchanalysen hofft die Traumfabrik auf eine glorreiche Zeit ohne Kinoflops. Die Erfolgsformel soll ausgerechnet ein Nachfahre von Einstein gefunden haben.

Hollywood befindet sich seit jeher auf der Suche nach dem nächsten, großen Ding, das die Kinokassen klingeln lässt. Dabei wird nichts unversucht gelassen. Buchverfilmungen. Fortsetzungen, Remakes, Comics. Videospiele, Brettspiele… Drehbuchautor- und Guru William Goldman erklärte sich dieses blinde, fast verzweifelte Herumstochern damit, dass in Hollywood niemand von irgendetwas eine Ahnung hätte. Am aller wenigsten von erfolgreichen Filmen. Am Tag des Kinostarts kämen jedem noch so erfahrenen Produzenten Zweifel und würde anfangen, das beste zu hoffen, weil sich bis heute Kinoerfolge nicht vorhersagen lassen. Der Markt und das Publikum handeln nach eigenen Regeln, eine Tatsache, die den Produzenten und Studiobossen längst ein Dorn im Auge ist.

Ein früherer Statistikprofessor rühmt sich damit, den Dorn gezogen zu haben und der Bestie namens “Kinoflop” den Schrecken nehmen zu können. Auf Grundlage von Datenanalysen und umfassenden Zielgruppenstudien soll er im Stande sein, jedes Drehbuch auf Erfolgspotential zu untersuchen. Bloß ein Scharlatan von vielen, die Hollywood heimsuchen? Vielleicht. Doch dieser beweist erschreckende Präzision. Ein Aufreger der Woche, der uns früher als uns lieb ist heimsuchen könnte.

Einstein Junior VS Green Lantern
Bescheidenheit gehört nicht zu Vinny Bruzzeses Stärken. Kaum jemand in Hollywood kennt nicht die Geschichte von seiner entfernten, aber unbestätigten Verwandtschaft mit Albert Einstein. Für 20.000 Dollar pro Script analysieren er und sein Team Drehbücher auf Grundlage von umfangreichen Datenerhebungen, erfassten Einspielergebnissen und detaillierten Zielgruppenbefragungen. Es wird dabei ermittelt, über welches Erfolgspotential ein Script verfügt und welche Änderungen für einen noch erfolgreicheren Film notwendig wären. Die Ergebnisse sollen dabei nicht in einer simplen “Top oder Flop”-Formel münden, sondern in einer 20-30 seitigen Analyse mit detaillierten Kommentaren und Empfehlungen, wie eine Weiterentwicklung aussehen könnte, um allen Erfolgsmaßstäben gerecht zu werden.

In anderen Bereichen wie Sport, Politik, Marketing und nicht zuletzt in sozialen Netzwerken wie Facebook gehören Datenanalysen und Wahrscheinlichkeitsrechnungen längst zum Berufsalltag. Selbst moviepilot generiert die eigenen Filmempfehlungen auf ähnliche Weise. Doch damit wären wir schon beim Problem. “Wenn dir Saw gefallen hat, könnte dir auch Saw II gefallen.” – “Wenn dir Beim ersten Mal gefallen hat, könnte dir auch Die nackte Wahrheit gefallen.” – “Wenn dir Superman gefallen hat, könnte dir auch Green Lantern gefallen.” Fehler im System erkannt? Das Storytelling könnte auf die Reproduktion bewährter Elemente reduziert werden. Kreative Prozesse im Zuge einer Angleichung so reglementiert werden, dass es weniger mit kreativem Schreiben, als mit dem Setzen eines Drucks gemein hat. Alles auf Grundlage von Einspielergebnissen, Zielgruppenvorlieben und vielen kleinen Nullen und Einsen, die darüber entscheiden, in welche Richtung zukünftige Drehbücher entwickelt werden. Somit dürften wir in ein paar Jahren von Horrorsequels, Comicverfilmungen und Katherine Heigl RomComs überschwemmt werden. Nicht, dass sich dadurch was ändern würde…

Abraham Lincoln VS. Zauberer von Oz
Man kann sich vorstellen, dass eine gewisse Fraktion diese Entwicklung besonders skeptisch gegenübersteht. Die Drehbuchautoren sehen eine der letzten Bastionen, wo noch Kreativität und Instinkt gefragt sind, in Gefahr und sich selber zu Fabrikarbeitern einer Datenerhebungsindustrie degradiert. Bruzzese versucht dem aufkeimenden Widerstand die Hand zu reichen, in dem er bekräftigt, dass die Analysen und Berechnungen nicht bloß von Maschinen erstellt werden, sondern Rücksprachen mit den Autoren ein elementarer Bestandteil der Analyse darstellen. Er sei wichtig, die Vision des Schreibers zu kennen und in die Analysen miteinfließen zu lassen. Er respektiere das Drehbuchschreiben als Kunstform, aber je früher man mit Zielgruppentests und Marktforschung beginne, desto erfolgreicher könne ein Script werden. Auch wäre seine Dienstleistung als gut gemeinter aber unverbindlicher Rat anzusehen, der angenommen werden kann – aber nicht muss. Nur gibt es natürlich keine Geld-Zurück-Garantie, solle den Empfehlungen nicht entsprochen werden – oder der Film trotz Befolgung floppen.

Prominentestes Beispiel eines Films, das Bruzzese Analysedienste beansprucht hatte, aber die Ergebnisse missachtete, war Abraham Lincoln Vampirjäger. Ob das enttäuschende Abschneiden an den Kinokassen mit der Ignoranz gegenüber eines Einstein Genies zusammenhängt, oder damit, dass Regisseur Timur Bekmambetov schlicht eine uninspirierte, über weite Teile dürftige Umsetzung einer vielversprechenden Grundidee ablieferte, muss wohl geraten werden. Zu den Filmen, die auf den Rat des Statistikprofessors hörten, gehören Hits wie Der Mandant und Die fantastische Welt von Oz. Einer der Produzenten des Matthew McConaughey Films fühlt sich vom Erfolg so berauscht, dass er sich zu einer Prophezeiung hinreissen lässt. In paar Jahren würden alle Produzenten, Geldgeber und Studiobosse diese oder ähnliche Dienste in Anspruch nehmen. Heute hüten sich Filmemacher noch davor, sich zu solchen datenanalytischen Wahrsagereien zu bekennen, schließlich steht die eigene Reputation auf dem Spiel. Wenn für einen erfolgreichen Film nur noch ein halb gares Drehbuch und 20.000 Dollar nötig sind, wird die Glaubwürdigkeit des Filmproduzenten zusammen mit der des Autoren als erstes die Toilette runtergespühlt. Bislang bekennen sich nur wenige Filmproduzenten zu solchen Praktiken, die sechs großen Hollywoodstudios verweigern zudem jeden Kommentar. Noch…

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