Eine kurze Geschichte des Superheldenbooms - Teil 2

13.06.2014 - 11:47 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Wolverine
20th Century Fox
Wolverine
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Blade kündigte sie an, doch erst die X-Men brachten 2000 die Welle der Superheldenfilme ins Rollen, die noch heute über uns schwappt. Dabei lässt sich an dem langlebigen Franchise die Veränderung im Superheldengenre in den vergangenen 14 Jahren ablesen.

Gibt es einen aufregenderen Einstieg in einen Superheldenfilm als den von X-Men – Der Film? Es war keine rasante Action-Sequenz, die unsere Aufmerksamkeitsspanne vor dem Abdriften in Beschlag nimmt, weder blutige Disco-Nacht noch perfekt geplanter Banküberfall. Nach den CGI-Nervenzellen mit Evolutionsmonolog führt uns X-Men in den Schlamm. Ein Wachturm überblickt Ankömmlinge in einem Lager, die durch den Regen waten. Langsam, gleichförmig, angsterfüllt. POLAND 1944. Ein Junge wird gewaltsam von seiner Familie getrennt und erst ein Gewehrkolben hindert ihn daran, das geschlossene Eisentor zwischen ihnen durch seinen bloßen Willen zum Bersten zu bringen. Dann schwenkt die Kamera vielsagend hinauf zu einem Schornstein. Es ist ein Auftakt mit Ansage. Hier kommt mehr als nur ein Film mit Helden in Strumpfhosen. Seine Welt ist der unseren fast zum Verwechseln ähnlich, das reale Grauen lauert im Hintergrund.

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Unter Druck
Die Effekte werden heute belächelt, der Kampf auf dem Kopf der Freiheitsstatue hätte wohl schon von Hitchcock glaubhafter umgesetzt werden können. Obgleich Bryan Singers X-Men 2000 mit einem zusammengestutzten Budget und verkürzter Produktionszeit in die Kinos getrieben wurde, durchlief der Film unwissentlich den Lackmustest eines ganzen Genres. “Quo vadis Superheldenfilm”, stand in großen Lettern in der unsichtbaren Abspannsequenz von Batman & Robin. Der übertrifft zwar den Unterhaltungswert von 97 Prozent der Konkurrenz, mutierte in seiner ganzen Eigenartigkeit dann doch zu einer kinematografischen Singularität, die das Genre und die Zukunft des Superheldennippels zu verschlucken drohte. Ist letztere bedauernswerterweise bis heute Vergangenheit, legte X-Men vor 14 Jahren eine Art dritten Weg vor: Weniger dem Grotesken und Unterweltlichen verpflichtet als Burtons Batman oder Blade, allerdings realitätsnäher als Donners Superman oder später Raimis Spider-Man.

Seit 1989 war ein X-Men-Film im Gespräch gewesen. Das Projekt ging durch die Hände von James Cameron, Andrew Kevin Walker (zum Drehbuch), John Logan, Michael Chabon und sogar Joss Whedon, von dessen Drehbuchentwurf im Endprodukt ein paar Dialogzeilen verblieben sind. Nach mehreren Absagen wegen seines Desinteresses an Comics im Allgemeinen unterschrieb Bryan Singer Ende 1996 doch noch den Vertrag. Die Thematisierung von Ausgrenzung und Vorurteilen in den Comics hatte ihn angefixt. Da Fox auf ein Budget von 75 Millionen Dollar bestand, wurden Szenen im Wert von 5 Millionen aus dem finalen Skript gestrichen, darunter Auftritte von Beast, Nightcrawler und Pyro. Drei Wochen nach Produktionsstart stieg Wolverine Dougray Scott wegen Mission Impossible 2 aus. Der weitgehend unbekannte Hugh Jackman nahm seinen Platz ein. Ursprünglich mit einem Start zu Weihnachten 2000 versehen, rollte Fox X-Men bereits im Juli aus, was die Postproduktion gehörig unter Druck brachte. Die Strategie des Studios ging allerdings auf. Am ersten Wochenende nahm X-Men hervorragende 54,4 Millionen Dollar ein, an den kommenden Wochenenden brach der Film ein. Ein Trend, der bei den folgenden Teilen anhalten sollte (Forbes). Mit seinem Starttermin im Sommer schloss das Hogwarts unter den Superhelden-Teams direkt an die Tradition der Batman-Filme an und noch heute werden die heißen Monate des Jahres verlässlich von den Comic-Heroen in Beschlag genommen.

Mit 296,3 Millionen Dollar weltweit schloss der erste X-Men-Film ab und das ohne einen Star vom Formate Wesley Snipes. Obwohl X-Men mit bekannten Charakterdarstellern besetzt wurde, entwickelte sich Wolverine-Darsteller Hugh Jackman im Verlauf der Jahre zum Verkaufsargument Nummer 1 des ganzen Franchise. Die vielen Essays über den Tod des Filmstars im “Property-Zeitalter” bestätigend und widersprechend, ist Jackman wohl der einzige Schauspieler der Boom-Jahre, der erst durch eine Superheldenrolle berühmt, gleichwohl nicht festgelegt wurde. Trotz diverser Anlaufschwierigkeiten und einer 14-jährigen Bindung an eine Ikone ist Jackman auch ohne Klauen ein A-Lister. Wohl auch seinetwegen sind wir bislang von einem reinen Reboot verschont geblieben. Die Sonderstellung des Franchise hört bei seinem Star allerdings nicht auf.

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