Disney Dilemma - Vom Kinder- zum Aktionärstraum

20.04.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Disney VS Popkultur, 85 Jahre Tradition & uns Fans
Disney/moviepilot
Disney VS Popkultur, 85 Jahre Tradition & uns Fans
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Disney erklärt den Zeichentrickfilm für tot, drängt Pixar zu immer mehr Fortsetzungen, schließt LucasArts… Der Mäusekonzern befindet sich im Wandel gegen die eigene Tradition, Werte und Fans. Die Aktionäre freut’s, wir regen uns auf.

Die Aktionäre haben gesprochen. Im Zuge der Umstrukturierung werden diverse Geschäftsbereiche des Disney Konzerns, die technologisch eingeholt wurden, drastischen Veränderungen unterzogen. Mit anderen Worten: Die Auflösung der Zeichentrickabteilung des berühmtesten Animationsstudios der Welt. Dem Studio, das seit Schneewittchen und die sieben Zwerge für 46 handgezeichnete, abendfüllende Kinofilme verantwortlich “zeichnete”. Fast alle großen Animatoren und Zeichner des Studios, die noch bei den Disneys’s Nine Old Men in die Lehre gingen, wurden in dieser Woche entlassen. Gleichzeitig war der Mäusekonzern auch an anderer Front aktiv. Disney Interactive musste Federn lassen und unterzieht das für mehrere Milliarden eingekaufte Lucasfilm-Imperium einer kompletten Umstrukturierung. Inklusive Entlassungen bei Lucasfilm Animation (Star Wars: Clone Wars) und die komplette Schließung von LucasArts. Eine andere eingekaufte Filmabteilung, Pixar, wird schleichend zur Franchise-Gebärmaschine umfunktioniert.

Selbstverständlich passieren alle Umstrukturierungen aus ökonomischer Notwendigkeit. Wirtschaftskrise, sich verändernde Märkte, der Konzern muss sich für die Zukunft rüsten et cetera und bla bla bla. An plausiblen und nachvollziehbaren Argumenten fehlt es in dieser, unserer kapitalistisch orientierten Gesellschaft bekanntlich nicht. Aber mit Verständnis kann ich heute nicht dienen. Dieser Aufreger der Woche sieht bei all den Bestrebungen, die Disney seit einigen Monaten vorantreibt, nur noch einen arroganten, steil emporragenden Mittelfinger gegen alles, was Disney einst so großartig machte.

Disney auf Abwegen
Die Zeichen stehen auf Sturm für diejenigen von uns, die mit Arielle, dem schlechtesten Piraten aller Zeiten Guybrush Threepwood und Spielzeugpuppe Woody gleichermaßen aufgewachsen sind. Dass der Konzern zusehends verlernt, was es heißt, auf die emotionalen Bedürfnisse seiner Fans Rücksicht zu nehmen, wissen wir nicht erst seit der Neusynchronisation von Arielle, die Meerjungfrau 1998, die für Bestürzung sorgte. Doch die Konzentration an unpopulären Entscheidungen erreicht in diesen Tagen ungeahnte Ausmaße.

Es ist das alte Lied. Handgezeichnete Animationsfilme sind nicht mehr zeitgemäß, zu teuer in der Produktion und zu unrentabel. Es ist wie eine Platte, die seit Aufkommen der Computeranimation ununterbrochen auf den Aktionsärsversammlugen ihre Runden dreht. Eigentlich wäre die Schließung beinahe ein schlechter Running Gag, denn bereits 2003/2004 schloss der Konzern seine traditionsreiche Zeichentricksparte, um fortan mit Himmel und Huhn und Triff die Robinsons eine neue Ära der CG-Animation einzuläuten. Erst Dank John Lasseters Eingreifen lernte das Unternehmen langsam, alte Traditionen mit modernen Sehgewohnheiten zu vereinbaren, siehe Küss den Frosch und Rapunzel – Neu verföhnt. Der Ritter in glänzender Rüstung aus dem Hause Pixar.

Was ist passiert?
Zugegeben, handgezeichnete Animation ist eine Kunstform, die viel Planung und Sorgfalt erfordert. Kurzfristige Entscheidungen kosten viel Geld, während CG-Filme generell kosteneffizienter zu produzieren sind und auch bei fortgeschrittenem Produktionsverlauf bedingt veränderbar bleiben. Zwar kostet auch dort jede Abweichung vom Produktionsplan Geld und Zeit, aber wie Merida – Legende der Highlands und Ratatouille bewiesen, ist es möglich trotz gravierender, konzeptioneller Veränderungen (und Regisseurswechsel) im Rahmen zu bleiben. Zeichentrickfilmen hätte das womöglich das Genick gebrochen.

Dagegen erscheint es müßig, mit Disney über die Modernität und Rentabilität des Zeichentrickfilms zu diskutieren. Ralph reichts war hinter seiner Videospielfassade ein absolut altmodisches Stück Film, das nicht einmal den Versuch startete, seine verschiedenen Spielewelten von dem Animationsklischee, das vor fast einem Jahrhundert von dem eigenen Studio etabliert wurde, abzuheben. Auch inhaltlich folgt Ralph einer althergebrachten Erzählweise. Der Film ist gelungen, macht Spaß und war ein großer Erfolg. Aber nichts davon entspringt seines computeranimierten Ursprungs. Disney war seit jeher ein Inbegriff für konservatives Filmschaffen, egal mit welcher Technik oder Medium.

Früher war alles anders
Es gab eine Zeit, als wir uns auf die jährlichen Disneyfilm freuten. Es war ein Ereignis. Wie viele von uns verknüpfen mit Disney-Meisterwerken ihre früheste Kinoerinnerung? Wie viele von uns wurden von Eltern ins Kino genommen, die selbst bereits mit der Märchenwelt von Disney aufwuchsen? Disney war früher für die Öffentlichkeit kein Unternehmen, kein globaler, milliardenschwerer Konzern, sondern der Name stand für magische Welten, Zauberei, Gefühl und Abenteuerlust. Wir konnten mit der Magie des Zeichentrickfilms Welten erkunden, die es damals in anderer Form nicht gab.

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