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Dingo's Musikecke # 4

15.09.2016 - 17:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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ersguterjunge, EMI, Interscope, Geffen, Universal
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Modernes trifft auf Nostalgiewelle...

Bushido & Shindy - CLA$$IC

Jahr: 2015

Genre: Hip-Hop

Anspieltipps: Adel, Brot brechen, Gravitation

Im Jahre 2015 haben sich 2 der größten Deutschrapper zusammengetan, um gemeinsam ein Kollaboalbum zu veröffentlichen: Bushido und Shindy. Für Shindy war es das dritte Album überhaupt, für Sonny Black bereits die sechste Zusammenarbeit mit anderen Rappern auf Albumlänge, nebst 11 Soloalben. Es ist ein Aufeinandertreffen zweier Deutschrapgenerationen, zweier Arten zu rappen und zweier Einstellungen. Bushido hat den Hip-Hop in Deutschland geprägt wie kaum ein anderer. Er war es, zusammen mit Sido, der den deutschen Rap im Mainstream derart etabliert hat. Er ist nicht der technisch versierteste Rapper, aber in seinen besten Tagen konnte er durch Charisma, eine bedrohliche Grundstimmung und provokante Texte, geschickt verpackt in perfekte Beats, etwas Neues und Innovatives hervorbringen, das auch heute noch, obwohl sichtlich gealtert, frisch und unverbraucht klingt. Aber bereits seit einigen Jahren fühlen sich die Werke eher wie ausgelutschte, aber groß aufgebauschte Hollywoodsequels an. Das Herz und die Seele der früheren Werke wichen abgedroschenen Phrasen. Obwohl nachwievor erfolgreich, gehören die 2010er Jahre Rappern wie Shindy. Er legte die Düsternis und Gewalt, die Deutschrap bis dato prägten, ab, und ging die Sache relaxter an. Die Beats wirken entweder chillig oder pompös, nie aggressiv, dafür geraten lustige Vergleiche, eine Art Hipstermentalität und Selbstzelebriering in den Fokus. Es wirkt locker und mit deutlich mehr positiven Gefühlen verbunden.

Wie ist es gelungen, diese beiden Stile, Generationen und Inhalte zu mischen? Überraschenderweise sehr gut. Um nicht zu sagen ausgezeichnet. Beide Parteien sind vortrefflich auf den Stil des anderen eingegangen, ohne ihren eigenen abzulegen. Das ist wirklich ein Album zweier gleichberechtigt agierender Künstler geworden, die zusammen den kreativen Prozess hinter der Musik ausgetüftelt haben. Zunächst einmal ist das Album, für beide gesehen, sehr experimentell gehalten und zeitweise verstörend. Rauschverzerrte Satzfragmente treten ab und an zwischen einzelnen Nummern auf (die von einer Frau gesprochenen Worte "Beispiele paranormale Tonbandstimmen" ertönen kontextlos unmittelbar vor dem Song "Adel"), mitten im Song ändert sich radikal der Beat, ominöse Effekte und Schnipsel, etc. bilden den Grundkörper. Man hat oft das Gefühl, einem Geheimsender einer gefährlichen Sekte zu lauschen. Musikalisch lehnt sich "CLA$$IC" sowohl an Bushidos dunkler und aggressiver Note, als auch an Shindys pompöser Egomanie an, dabei legt Sonny seine Provokationen und Mr. Nice Guy seine Gemütlichkeit ab. Das Ergebnis erscheint wie eine apokalyptische Orgie, ein Tanz aus Bombast und Bedrohlichkeit, etwa so wie die Maskenballszene aus Eyes Wide Shut. Bushidos Raps sind so gut wie seit Jahren nicht mehr, er wirkt hier tatsächlich so, als hätte er sich wieder richtig Mühe gegeben, ein musikalisch gutes Werk zu veröffentlichen. Shindy erweitert sein Spektrum um dunklere und teils von religiöser Symbolik triefende Inhalte. Fazit: ein deutsches, durch den Geheimbund-Fleischwolf gedrehtes Anti-Watch the Throne auf genauso hohem Niveau.

★★★★1/2 (4 1/2 von 5)


LaFee - Jetzt erst recht

Jahr: 2007

Genre: Pop-Rock

Anspieltipps: Heul doch, Wer bin ich, Der Regen fällt

In der Mitte bishin zu den späten 00er Jahren war eine Sängerin in den deutschen Charts kaum wegzudenken: LaFee. Vor Allem wenn man wie ich in dieser Zeit aufgewachsen ist und dazu noch viel Bravo gelesen und Viva geguckt hat, ist Christina Klein, so ihr echter Name, unmittelbar mit dem Jahrzehnt verbunden wie Blümchen mit den 90ern. Da sie Spitzenpositionen erreicht hat, mit Musik, die sich vorwiegend an jüngere Personen richtet, war sie ihrerzeit mit viel Hate gestraft. Nun, es ist 2016, ihre Hypezeit ist vorbei und man kann sich den Spaß erlauben, die alten Alben, die ich freilich alle besitze, rauszukramen und unvoreingenommen Revue passieren lassen - ich habe mich für "Jetzt erst recht" entschieden, weil "Heul doch" drauf ist.

Wenn ich mir nach so vielen Jahren deutsche Popmusik der 00er Jahre anhöre, ist es für mich immer eine Wundertüte - ich kann es ganz grausam finden, es kann ein Guilty Pleasure sein oder doch eine sehr positive Überraschung. LaFee fällt irgendwo zwischen Option 2 und 3, mit Tendenz nach 2. Zuerst einmal das Negative: sie ist so Fake wie der Hintern von Kim Kardashian West. Auf den wenigsten Tracks ist sie als Autorin beteiligt, das Gothic artige Auftreten inkl. Tattoos und die teils überraschend harten Riffs schreien nach Image der Plattenfirma. Manche Texte sind dabei sehr simpel, pseudo-rotzfrech oder plump formuliert. Man merkt dabei deutlich, dass sich die Musik von LaFee deutlich an ein Publikum richtet, das gerade die ersten Momente der Pubertät spürt. Daran ist aber, und das ist der springende Punkt, an und für sich nichts verkehrt und ich finde, dass man das hier ganz souverän meistert. Die Musik ist gut produziert, es werden positive Botschaften vermittelt, die im Teenageralter wichtig sind - so wird z.B. auf "Du bist schön" gegen Bulimie die Stimme erhoben. Da mag einer sagen, dass das ausgelutscht und plakativ ist - letzten Endes ist es aber wichtig für junge Jugendliche, dass nicht nur die Eltern mit erhobenem Zeigefinger sagen, dass solche Dinge schlecht sind, sondern auch Stars, zu denen sie aufsehen. LaFee verpackt das ziemlich geschickt zwischen eigentlich ziemlich eingängigen Nummern, die manchmal recht flotte Riffs und Ohrwurmpotenzial haben. LaFee versucht dabei, eher stark und emanzipiert zu wirken; da sie eine Goth verkörpern soll steht sie auch für Individualismus. Alles in Allem finde ich das für die Zielgruppe genau passend und musikalisch gibt es deutlich schlimmeres. Textlich schwankt es zwischen unfreiwillig komisch ("Beweg dein Arsch") und recht gut ("Der Regen fällt"), das hält sich ziemlich die Waage. Für etwas ältere Höher hauptsächlich als Nostalgie etwas, ansonsten wird man damit nichts anfangen. Hate ist aber nicht gerechtfertigt.

★★★☆☆ (3 von 5)


Gwen Stefani - Love. Angel. Music. Baby.

Jahr: 2004

Genre: Pop

Anspieltipps: What You Waiting For, Harajuku Girls, Rich Girl

Wenn wir schon beim Ausgraben sind, hole ich doch auch gerne eines meiner Lieblingspopalben der 2000er Jahre hervor, bereits seit Erscheinungsdatum immer wieder gerne gehört (was man meinem Exemplar mitsamt zerfleddertem Booklet leider auch deutlich ansieht): "Love. Angel. Music. Baby " von Gwen Stefani. Kindern der 90er Jahre sollte dieser Name sofort einen Nostalgieschub verleihen, denn diese Dame war Leadsängerin und Songwriterin der beliebten und umjubelten Rockband No Doubt. In den 2000er Jahren allerdings beschloss sie, eine Solokarriere inklusive Stilwandel durchzunehmen, wobei sie 2 Alben veröffentlichte, ehe sie sich aufgrund einer Schwangerschaft 10 Jahre zurückzog. Stefanis Soloalbum sinf rundum awesome, da kann man nix sagen, und sie kann dabei locker mit einer Madonna oder Lady Gaga mithalten. Ihr Auftreten war Wahnsinn - diese Extravaganz, die skurrilen und kreativen Musikvideos, das war schon ganz großes Kino. Und natürlich lieferte sie auch die entsprechenden Songs; auf höchstem Pop-Niveau.

Das ganze Album ist ihrer innigen Liebe, ihrer Passion zum japanischen Underground-Fashion-Style Harajuku gewidmet. Das fängt schon beim Titel an - die 4 Wörter sind die Namen, die sie "ihren" Harajuku Girls gegeben hat - und zieht sich durch eine Vielzahl an Songs, inklusive eines ziemlich coolen und zelebrierbaren Songs namens "Harajuku Girls". Ich liebe sowas. Da hat sich jemand ordentlich ausgetobt; der Lifestyle, der auf dem Album gefeiert wird, ist zu 100% Gwen Stefani, und das merkt man in jeder Sekunde. Seien es ihre prinzessinenhaften Träumereien auf "Rich Girl", ihre schlagfertige Konterattacke "Hollaback Girl" (ja, das "Girl" im Titel hat es ihr angetan) oder das wuchtig daherkommende "What You Waiting For". Das ist alles freaky, aber auch sehr elegant und ab und an auch divenhaft, in Text, Produktion und Gesangsdarbietung - und gerade deshalb so irrsinnig cool. Jede gesungene Note, geschriebene Zeile und gespielte Drum sitzt genau dort, wo sie sitzen soll, um die maxinale Wirkung zu erziehen. Da steckt viel Glamour und genauso viel Spleen drin, und mit "Long Way to Go" (feat. Andre 3000) sogar ein sozialkritischer Song. Ein buntes und rundes Sammelsurium an extrovertiertem Pop mit allem, das ihn ausmacht.

★★★★★ (5 von 5)


The Bloodhound Gang - Hefty Fine

Jahr: 2005

Genre: Alternative, Pop, Hip-Hop, Electronica

Anspieltipps: Uhn Tiss Uhn Tiss Uhn Tiss, Foxtrot Uniform Charlie Kilo, No Hard Feelings

Die Bloodhound Gang, man kennt sie vorwiegend von ihrem Megahit "The Bad Touch" aus 2002, jedoch haben sie abgesehen davon zu ihrer Blütezeit noch 4 komplette Studioalben aufgenommen, und letztes Jahr nach 10 Jahren Pause noch ein fünftes als Comeback zum Download. Die Qualität der einzelnen Alben variiert dabei enorm, von unterirdisch mies ("Use Your Fingers") bis ziemlich genial ("Hooray for Boobies"), doch bei einem kann man sich sicher sein: die Texte sind immer unter aller Sau. Haha, er sagt abwechselnd stockförmige une lochartige Objekte, aber er meint in Wirklichkeit Genitalien höhö. Das ist bewusst so gehalten, und funktioniert suf dieselbe Art und Weise wie ein Peter Griffin funktioniert: man lacht nicht direkt über den Gag, sondern darüber, dass Jimmy Pop das tatsächlich singt und lustig findet. Das ist Lowbro-Comedy und kann oft gut funktionieren.

Was ich nur immer schade finde: die Typen können richtig gute Musik machen. Sowohl "Hooray for Boobies" als auch "Hefty Fine" bieten richtig coole Nummern. "Uhn Tiss Uhn Tiss Uhn Tiss" ist bester Techno, "Foxtrot Uniform Charlie Kilo" eingängigster Alternative Rock. Im Video zum ersten ist Jimmy Pop am Klo an einem Glory Hole zu sehen, auf dessen anderer Seite sich ein Hund befindet, in dem zum zweitereb fährt ein bananenförmiges Auto durch einen Tunnel mit verdächtig dreieckiger Behaar-, ähm, dreieckigem Rankenwuchs. Die Videos passen ganz gut zu den Texten, beide Songs handeln von Sex und lachen wie Schulkinder - oder ich selbst - darüber, dass sie von Sex handeln, denn Sex ist ja soooo lustig. So geht es auf dem ganzen Album zu. Das Problem dabei ist, dass man, wenn man sich die Songs zwecks Musik anhören will, flache Witze mit dazu bekommt, die zwar beim ersten Mal viel Schmunzeln entlocken, das Genießen des Klanges aber etwas stören. Bei UTUTUT deutlich weniger, wohlgemerkt. "Hefty Fine" ist ein sehr unebenes Album mit vielen genialen Einfällen, einigen bescheuerten, und kaum harmonischen. Dennoch haben die Jungs wirklich was drauf, aber auf andere Art und Weise als der Mann, der das Cover ziert. Sogar HIM-Frontmann Ville Valo gibt sich auf einem Track ("Something Diabolical") die Ehre. Schade, dass es abzüglich der Skits und der übertrieben langen Pause bis zum übrigens nur aus einem einzigen Satz bestehenden Hidden Track nur knapp eine halbe Stunde Musik zu hören gibt.

★★1/2☆☆ (2 1/2 von 5)


Tarja - My Winter Storm

Jahr: 2007

Genre: Symphonic Metal

Anspieltipps: I Walk Alone, Lost Northern Star, My Little Phoenix

Nach der bis heute nicht hundertprozentig geklärten Kündigung von Nightwish hat Tarja Turunen, die ursprüngliche Leadsängerin, das erste mehrerer Soloalben aufgenommen. Es gab zwar während ihrer Zeit mit der Band bereits ein finnisches Weihnachtsalbum, welches man als ihr Erstlingswerk bezeichnen kann, dieses hier ist allerdings das erste reguläre Studiowerk, sowie der Anfang eines neuen Karriereabschnitts. Anders als spätere Werke der Sängerin, die deutlich experimenteller und poppiger ausgefallen sind, versucht "My Winter Storm" hörbar in die Fußstapfen ihrer Ex-Kollegen zu treten. Der Symphonic Metal ertönt aus allen Ecken, märchenhafte Songtitel, Orchester wechseln sich mit Gitarrenriffs ab, die klassisch ausgebildete Stimme erstrahlt in ausdrucksstarker Theatralik. Kritiker und Publikum hätten ihr Solowerk ohnehin mit dem von Nightwish verglichen, der exakt selbe Stil ist dabei natürlich noch reizvoller.

Dass sie dabei nie das mächtige Kaliber der Band erreicht, ist dabei zwar durchaus wahr, andererseits schafft sie etwas wunderbares: "My Winter Storm" ist ein in sich stimmiges, fabelhaftes Wintermärchen geworden, träumerisch, emotional, melancholisch oder schlicht prachtvoll. Im direkten Vergleich ist der Klang auch deutlich ruhiger und mehr in der Klassik als im Rock verwurzelt - etwas, das sie später ablegen würde. Wunderbar kommt ihre Stimme zur Geltung, es wirkt so harmonisch und behaglich-spannend wie das Märchen "Die Schneekönigin". Die einzelnen Lieder werden ab und an von instrumentalen Übergängen zusammengehalten, sodass es einen natürlichen Fluss bekommt, wobei diese Interludes nie überhand nehmen. Selbst die Coverversion von Alice Cooper's "Poison" fügt sich in das Gesamtkonzept ein. "My Winter Storm" wohnt ein Zauber inne, der auf sonst keinem Tarja-Album zu finden ist, weshalb es auf mich die stärkste Sogwirkung ausübt. Wer sich aber mehr Abkapselung gegenüber ihrer alten Band wünscht, dem seien alle späteren Werke mehr empfohlen.

★★★★1/2 (4 1/2 von 5)

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