Deutsches Banker-Drama lässt Cannes frösteln

17.05.2010 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Unter dir die Stadt
Heimatfilm
Unter dir die Stadt
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Unter mir die Stadt von Christoph Hochhäusler ist der einzige deutsche Beitrag auf dem Festival Cannes in diesem Jahr. Er läuft nicht im Internationalen Wettbewerb, sondern in der renommierten Reihe “Un Certain Regard”.

Beim Festival Cannes haben es deutsche Filme schwer. In den letzten Jahren wurde selten ein Film aus Deutschland in den Internationalen Wettbewerb geladen. Dabei lieben französische Cineasten aktuell den deutschen Film, besonders die Berliner Schule. In diesem Jahr wurde Christoph Hochhäusler gebeten, mit seinem Film Unter dir die Stadt in der Reihe “Un Certain Regard” das deutsche Kino zu vertreten. Einige hätten dieses Werk gerne im Wettbewerb gesehen, so Sennhauser aus der Schweiz “Käme dieser Film aus England oder Frankreich, wäre er wahrscheinlich im Wettbewerb gelandet. Aber, wie ein geschätzter Kollege zu Recht angemerkt hat: So wie er aussieht, dermassen abstrakt, rigide, senkrecht und waagrecht, heisskalt und gläsern, kann er nur aus Deutschland kommen.”

Erzählt wird in Unter dir die Stadt vom Bankmanager Roland, der sich in Svenja verliebt. Sie ist die Frau eines Angestellten. Eine heimliche Beziehung entwickelt sich, die von Treffen zu Treffen existenziellere Züge annimmt. Roland benutzt seine Macht, um Svenjas Mann durch eine Versetzung aus dem Spiel zu halten. Als sie davon erfährt, fühlt sie sich manipuliert und beendet die Affäre. Ihre Ablehnung bringt Roland ins Wanken. Das Drama spielt sich in der Frankfurter Bankerszene ab und wirft ein Licht auf aktuelle Befindlichkeiten der Finanzbranche.

Der Film ist für Sennhauser aus der Schweiz “formvollendet, unglaublich gleissend anzusehen, gläsern ohne zu splittern, und – eher überraschend – nicht ohne Humor.” Josef Lederle auf dem Cannes-Blog des film-dienst empfiehlt dem Zuschauer, den Sprung ins Wasser zu und sich vom elliptisch-fragmentarischen Gestus des Films nicht abschrecken zu lassen. Dann gibt es in Unter dir die Stadt viel zu entdecken. “Der Titel des Films, aber auch wiederkehrende Bildmotive wie die Fahrt mit dem Aufzug nach oben oder der Blick nach unten, aufs Straßen- und Menschengewirr, signalisieren ein Schweben, das einen je nach Perspektive schwindeln oder frösteln macht.”

Allerdings gibt es auch Kritik. Das Setting ist laut Jan Schulz-Ojala vom Tagesspiegel zwar bezwingend und beklemmend aktuell, aber leider hat es die Berliner Schule, zu der auch Christoph Hochhäusler zählt, nicht so sehr mit Geschichten. "Sie sind nur das notwendige Was eines Films, nicht das Wie und Warum, dem ihr ganzes Augenmerk gilt. So wirken ihre Arbeiten perfekt konzipiert, wunderbar anzusehen, auseinander zu nehmen und wieder zusammenzubauen. Auch in Sachen Liebe, sofern die Story sie verlangt, geht es ihnen meist wie den Kunden der Expertisen, über die Hochhäuslers Banker spotten: “Was die wollen, ist doch bloß die wissenschaftliche Bestätigung ihres Bauchgefühls.”"

Für “Rüdiger Suchsland auf critic”: ist der “Versuch, die heutige Finanzwelt zu fassen, in Unter dir die Stadt genauso grundsätzlich sinnlos, wie in der Wall Street 2: Geld schläft nicht -Fortsetzung von Oliver Stone. Dies nicht, weil Christoph Hochhäusler etwas falsch gemacht hätte, sondern weil sich die heutige Finanzwelt nicht mehr mit privaten, persönlichen Geschichten erfassen lässt. … Stattdessen wirkt dann alles manchmal ein bisschen so, wie klein Moritz sich die Welt des großen Geldes vorstellt. Die Banker sehen alle eher halbseiden aus. Und auch der Blick aufs Bürgertum als verworfener, kalter, aber auch trauriger Klasse scheint mir etwas arg konzeptgesteuert, nicht wirklich erfahrungssatt.”

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