Der kleine Nick entführt in wunderbaren Kindheitstraum

24.08.2010 - 08:50 Uhr
Der kleine Nick
Central Film Verleih
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Am Donnerstag kommt mit Der kleine Nick die Verfilmung des berühmten französischen Kinderbuchklassikers in unsere Kinos. Was Jean-Jacques Sempé, der Zeichner der Bücher, darüber denkt, verrät er uns im Interview.

Jean-Jacques Sempé hat zusammen mit dem Asterix-Erfinder René Goscinny einen der bekanntesten Lausbuben der letzten 50 Jahre ins Leben gerufen. Die ersten Abenteuer des kleinen Nicks erschienen 1959, heute sind es insgesamt rund 280 Geschichten, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden. Nach langem Hin und Her hat der aufgeweckte Dreikäsehoch nun auch endlich seinen eigenen Leinwandautritt bekommen. 2009 war Der kleine Nick mit 5,5 Millionen Zuschauern sogar der erfolgreichste inländische Film in Frankreich. Die drei Tage bis der Film am Donnerstag auch bei uns startet präsentieren wir Euch nun Interviews mit dem Zeichner Sempé, dem Regisseur Laurent Tirard und der Tochter von René Goscinny, Anne Goscinny.

Statement des Zeichners Jean-Jacquey Sempé

Wie sind Sie seinerzeit auf die Figur des kleinen Nick gekommen und wann haben Sie René Goscinny davon erzählt?
Sempé: "Die Wochenzeitschrift “Le Moustique” (“Die Stechmücke”), die es, glaube ich, immer noch gibt, hatte mich gebeten, jede Woche eine neue Witzzeichnung anzufertigen, und eines Tages meinten sie, ich sollte dem kleinen Jungen, den ich mir ausgedacht hatte, doch einen Namen geben. Ich fuhr mit dem Bus zu einem Treffen mit dem Chefredakteur und sah unterwegs eine Reklame für ein Weinhaus Nicolas. Der Chefredakteur war mit dem Namen einverstanden, bat mich aber, nicht nur eine einzelne Zeichnung, sondern jede Woche einen ganzen Comicstrip abzuliefern – und ich hatte keine Vorstellung, wie ich das machen sollte. Zu der Zeit kannte ich René Goscinny schon, weil er für die Agentur arbeitete, zu der ich die Zeichnungen brachte, und fragte ihn, ob er daran mit mir zusammenarbeiten wolle. Das haben wir dann auch eine gewisse Zeit lang gemacht, bis er die Agentur verließ und wir mit der Serie aufhörten. Die Idee haben wir dann später wieder aufgenommen, nur mit dem Unterschied, dass er Geschichten schrieb, die ich dann illustrierte."

Wie ging es mit dem kleinen Nick weiter?
Sempé: “Als wir uns kennen lernten, waren René Goscinny und ich ja noch ziemlich jung; ich war wohl ungefähr 22 und er 28 Jahre alt. Wir haben uns gegenseitig Kindheitserinnerungen erzählt, wie Leute es eben tun, wenn sie sich treffen. Manche der Situationen in den Geschichten beruhen wohl auch auf Geschehnissen in meiner Kindheit; aber es geht meistens eher um eine bestimmte Atmosphäre als um ein konkretes Ereignis. Auf jeden Fall hatte ich auch große Lust darauf, die Abenteuer einer Rasselbande von Schuljungen zu zeichnen.”

Was war Ihre Reaktion, als die Idee eines Films an Sie herangetragen wurde?
Sempé: “Als Zeichner habe ich einen sehr genauen Strich, aber das ist kein Stilmittel des Kinos. Ich fand, dass man das Ganze besser von vornherein als echtes Kino anlegt und nicht als Kino-Fassung der Zeichnungen – das wäre, glaube ich, auch unmöglich. Deswegen habe ich dem Regisseur und seinem Team auch völlige Freiheit gelassen, denn das ist nun einmal seine Arbeit und nicht meine. Vor allem ist es eine vollkommen andere Arbeit. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, die Welt meiner Zeichnungen aufs Kino übertragen zu sehen. Ich habe darin auch die kindliche Sichtweise auf die Welt der Erwachsenen wiedergefunden. Der Film beruht zwar auf den Geschichten und den Zeichnungen, aber für mich ist es ein eigenständiges Kunstwerk, das sein eigenes Leben hat. Ich will da gar keine Parallelen ziehen. Ich habe mir den Film sehr gerne angeschaut und es war, ganz nebenbei, das erste Mal, dass ich bei Der kleine Nick einfach nur Zuschauer sein konnte. Ich bin zufrieden, diese Entdeckung gemacht zu haben, und der Versuch, die Bücher und den Film miteinander zu vergleichen, wäre einfach unnütz.”

Wie fanden Sie den Darsteller des kleinen Nick?
Sempé: “Bevor ich den fertigen Film sah, kannte ich von diesem kleinen Star nur Fotos, und er hat mich wirklich verblüfft. Er ist perfekt in der Rolle! Er hat auch die fröhliche Unruhe von Nick. Er hat Charme und ist für mich eine sehr gelungene Besetzung.”

Was bedeutet Ihnen der Film?
Sempé: “René Goscinny und ich hätten niemals gedacht, was aus dem kleinen Nick bis heute werden würde. Wir haben gerade sein 50. Jubiläum gefeiert, und der Film ist wohl so etwas wie die schönste Kerze auf dem Geburtstagskuchen! Für mich persönlich ist damit auch ein wenig Nostalgie verbunden, weil ich die Jahre vermisse, in denen René Goscinny und ich zusammen gearbeitet haben. Rein als Film betrachtet, finde ich ihn sehr gelungen. Er entführt den Zuschauer aus dem Hier und Jetzt, und er ist ein Ausgleich zu all dem, was uns im Alltag deprimiert und niederdrückt.”

Sind Sie ein Nostalgiker?
Sempé: “Wenn viele Freunde und auch die Eltern nicht mehr da sind, wenn man sich an die Momente erinnert, die nie wiederkehren werden, wie kann man da nicht nostalgisch werden? Nostalgie gehört zum Leben einfach dazu, aber Nick, der einen so viele Augenblicke der eigenen Kindheit noch einmal erleben lässt, ist das Gegenmittel dazu.”

Wie erklären Sie sich, dass Nick auf der ganzen Welt bekannt ist? Liegt es an den universell verständlichen Situationen, dass er so sehr in der Gefühlswelt so vieler Menschen aller Altersstufen verankert ist?
Sempé: “René Goscinny und ich haben niemals irgendetwas dergleichen geplant. Wir sahen uns oft und wir kannten uns gut. Er schrieb die Texte, ich machte die Zeichnungen. Mir wäre es niemals in den Sinn gekommen zu fragen, warum er diese oder jede Szene geschrieben hatte – und ihm auch nicht. Wir reagierten jeweils auf den anderen und dessen Persönlichkeit. Aber vor allem waren wir einfach gute Freunde. Und wir dachten eher über unsere Freundschaft nach als darüber, welche Wirkung unsere Arbeit haben könnte. Als wir die Geschichten entwickelt haben, waren wir noch sehr jung – aber man kann gleichzeitig jung und nostalgisch sein. Wer das Leben am meisten liebt, ist wohl am ehesten nostalgisch um jede schöne Minute, die vergangen ist. Ich mochte schon als junger Mann gerade die Dinge ganz besonders, die nicht mehr existierten oder nur eine ganz flüchtige Existenz hatten. Die Kinder von heute finden sich im kleinen Nick wieder, denn das kann man, auch ohne den Kontext zu kennen. Dass das funktioniert, erstaunt mich immer wieder!”

Haben Sie eine Vorstellung, welche Zukunft noch auf den kleinen Nick wartet?
Sempé: "Ich habe keine bestimmte Vorstellung von seiner Zukunft, aber ich weiß, dass die Leute ihn auch noch in sehr vielen Jahren verstehen werden. Kinder werden auch in der Zukunft zur Schule gehen, und so steht er für einen Teil der Kindheit, den ich für ewig halte. Auf jeden Fall ist sein Erfolg nichts Vorübergehendes, nichts, was an einer bestimmten Mode hängt. Ich erinnere mich, dass mir eine Freundin einmal sagte, sie verstehe nicht, warum “Der kleine Nick” so erfolgreich sei; er wäre doch schon aus der Mode gewesen, als wir ihn erfanden… Aber wahrscheinlich ist genau das der Grund, warum er schon so lange Bestand hat."

Gibt es unter all den Zeichnungen und den Geschichten vom kleinen Nick eine, die Sie ganz besonders schätzen?
Sempé: “Ich habe eine Vorliebe für die Geschichten, in denen die ganze Bande zusammen ist, in denen sie sich zanken, wieder versöhnen und wieder von neuem Streit anfangen – ohne dass sich jemand dabei weh tut. Sie kriegen Faustschläge ins Gesicht und Kopfnüsse, aber sie haben keine Schmerzen. Als jemand, der welche abbekommen hat, weiß ich, dass Kopfnüsse ganz schön wehtun können! Bei Nick ist das Ganze einfach eine Kindheit wie aus einem Traum.”

Welches Kind aus der Bande wären Sie am liebsten gewesen?
Sempé: “René Goscinny und ich wären beide der kleine Nick gewesen! Jeder, dem man die Geschichten vorliest, identifiziert sich doch zuallererst mit ihm.”

Mit Material von Central Publicity

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